siciliamigranti.blogspot.com ist ein italienischsprachiges Monitoringprojekt zur Situation der Flüchtlinge in Sizilien, dort finden Sie die Original-Berichte, hier finden Sie die deutschen Übersetzungen. Klicken Sie auf die auf die Namen der Schlagworte (keywords), wenn Sie bestimmte Themen suchen.

Dienstag, 8. Juli 2014

SOS Menschenrechte im PalaSpedini

Seit zwei Abenden sind die 261 Immigranten „Gäste“ des PalaSpedini. Es sind fast alle Eritreer, die vom Mare Nostrum-Schiff Chimera nach Catania gebracht wurden. Den letzten Neuankömmlingen – auch denen von Palanitta – konnten unsere Aktivisten ein Minimum an kultureller Vermittlung anbieten, wir haben Wörterbücher und Hygieneartikel verteilt. Wir konnten ihnen helfen, ihre Verwandten darüber zu informieren, dass sie im „gastfreundlichen“ Italien lebend angekommen sind.
Auch gestern Abend waren wir aktiv. Heute Morgen schlugen die Behörden einen völlig anderen Ton an. Herr Rodano von der Polizeidirektion teilte uns mit, dass wir von der Präfektur nicht die Erlaubnis haben, auch nur Kontakt mit den Migranten aufzunehmen. Bedauerlich, dass sich von den Institutionen und Organisationen, die diese Arbeit eigentlich leisten sollten, seit Wochen niemand blicken lässt.

Gemäss dem beflissenen Staatsvertreter liessen sich die Probleme der Migranten besser lösen, wenn man unabhängigen Organisationen verbieten würde, überall ihre Nase hereinzustecken und die Unfähigkeit der Institutionen
zu denunzieren. Tatsächlich sei es so, dass die Verwandten der Migranten schon informiert worden seien. Dumm nur, dass die Betroffenen gestern Abend zu Hunderten das Gegenteil bezeugt haben. Die Migranten sind keine Objekte, die man irgendwo parkt, sondern Menschen mit unveräusserlichen Rechten, unter anderem dem Recht auf Asyl.
Bürgermeister Bianco redet bei jeder Gelegenheit davon, dass Catania eine Stadt der Gastfreundschaft ist. Dabei verstehen wir nicht, warum man dann nicht angemessenere Strukturen für die Erstaufnahme nutzt. Es gibt Krankenhäuser, die nicht mehr benutzt werden. Turnhallen sind die übelste Lösung und folgen lediglich einer beschämenden Logik der Ausgrenzung. Vor allem wenn man bedenkt, dass es sich bei der grossen Mehrheit der Migranten um Asylbewerber handelt.
Aber dank stumpfsinniger Bürokraten und menschenverachtenden und rassistischen Gesetzen, die unsere Regierenden hartnäckig aufrechterhalten und sogar noch verschärfen, gibt es immer mehr Schiffbrüchige, die Mafiaorganisationen am Mittelmeer bereichern sich und der Polizei gelingt es allenfalls, angebliche Schleuser zu fangen, die meistens minderjährig sind.
Der Vorschlag, ein gemeinsames europäisches Asylrecht zu schaffen, wurde am letzten Migrationsgipfel in Brüssel abgelehnt. Dafür wollen sie die beschämenden Frontex-Operationen verstärken, um die „illegale Einwanderung zu bekämpfen“. Dabei arbeitet man dann mit den übelsten und unterdrückerischsten Regimes zusammen.
Wir laden die solidarischen Organisationen Catanias dazu ein, die Güter zu sammeln, die die Flüchtlinge am meisten brauchen (Kleider, Schuhe, Hygieneartikel, Wörterbücher) und die zuständigen Behörden dazu aufzufordern, angemessene Empfangseinrichtungen zur Verfügung zu stellen, und zwar nicht nur für die Erstaufnahme, dafür zu sorgen, dass unbegleitete Minderjährige den erforderlichen Schutz erhalten und die Erwachsenen nicht im Business der Pseudo-Aufnahme landen, wie es zum Beispiel mit dem Mega-Aufnahmezentrum Cara von Mineo betrieben wird, in dem 5000 Flüchtlinge zusammenleben.
Es wäre besser, wenn die Flüchtlinge in dezentralen Einrichtungen untergebracht würden, die im Land verstreut sind und in Asylbewerberzentren, die von qualifiziertem Personal geführt werden. Stattdessen machen sich Einrichtungen breit, denen es vor allem um das Abkassieren staatlicher Gelder geht.

Wir laden für Donnerstag, den 10. Juli zu einer Pressekonferenz vor dem PalaSpedini ein.
Antirassistisches Netzwerk Catania

Nachtrag: heute Nachmittag ist die Turnhalle Spedini geräumt worden, vielleicht weil heute Nacht ein neues Schiff in den Hafen einläuft. Zu Hunderten irren potenzielle Asylbewerber aus Eritrea in der Nähe des Bahnhofs herum. Sie bekommen keinerlei Informationen, was sie tun müssen, um Zugang zu einem Asylverfahren zu bekommen.

Aus dem Italienischen von Anita Merkt