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Montag, 14. Juli 2014

Das PalaSpedini ist für die Migranten weiterhin in einem vernachlässigten Zustand

Seit dem Bericht des Antirassismus-Netzwerks Catania über die Verwahrlosung, in der sich die Migranten in Pala Spedini in Catania befinden, sind einige Tage vergangen (http://siciliamigranti.blogspot.it/2014/07/catania-accoglienza-zero-la-vita-dei.html). Aber bis jetzt wurde nichts unternommen. Das Pala Spedini ist eine kleine Sporthalle nahe des Stadions Massimino, die von der Kommune zur Verfügung gestellt wurde und von der Präfektur und dem Polizeipräsidium als geeigneter Ort für die Aufnahme im Anschluss an die Anlandungen anerkannt wurde. Niemand leitet die Einrichtung, niemand kümmert sich. Es ist eine einfache Turnhalle, in die Männer und Frauen gesteckt wurden ohne Anleitungen oder Information über ihre Zukunft.

Die Situation der letzten Angekommenen, alle aus der Region südlich der Sahara, ist wirklich an der Grenze des menschlich Annehmbaren. Die eritreischen Migranten, die vor ihnen angekommen waren, sind „eingeladen worden“ die Struktur zu verlassen, um den Neuankömmlingen Platz zu machen. Eine „Einladung“, die sie lediglich hat zum nahe gelegenen Bahnhof umziehen lassen, wo sie nun campieren.
Es war nicht möglich mit einem der Mitarbeiter zu reden, denn von einem Mitarbeitern findet sich keine Spur. „Hier kommt nie jemand her, aber sie können allein hier bleiben“ bestätigt einer der Polizisten, der für die Überwachung des Eingangs des Zentrums zuständig ist.
Die Migranten sind völlig auf sich allein gestellt. Sie können raus, doch sie haben kein Geld in der Tasche. Sie würden gern ihre Angehörigen anrufen, aber sie haben keine Telefonkarten. Sie sprechen mit niemanden und niemand nähert sich ihnen, sie starren die Mauer an und warten.
Es war nicht möglich die genaue Anzahl der in der Turnhalle Anwesenden zu erfassen; sie sagen sie seien ungefähr sechzig, alles Männer.
Viele haben sich uns genähert, um zu erzählen und um zuzuhören; andere sind auf einer kleinen Treppe am anderen Ende des Innenhofes sitzen geblieben. Die Türen des Zentrums sind tatsächlich offen und die Jungen sind frei hinein und hinaus zu gehen. Man uns sofort davon abgeraten und dann nicht gestattet das Innere des Zentrums zu betreten. Die Polizisten haben uns aufgehalten und uns erklärt, dass die Migranten bisher noch nicht medizinisch untersucht worden sind.
Die Situation im Inneren der Einrichtung scheint schlecht zu sein: es sind Schaumstoffmatratzen zu sehen, die durcheinander geworfen auf dem Boden liegen, in der Hitze und dem Gestank, wie man sie in lange geschlossen und nicht gelüftete Räumen findet.
„Bleibt hier draußen, wenn ihr mit ihnen reden wollt“ sagt uns einer der Polizisten „hier gibt es wenigstens mehr Luft“.
Die Jungen sagen uns, dass sie seit sie angekommen sind (vor drei, vier, sieben Tagen) noch nicht mit ihren Familien Kontakt aufnehmen konnten. Außerdem ist kein Arzt gekommen, um sie zu untersuchen, kein kultureller Vermittler, kein Anwalt.
Uns fällt auf, dass einige der Jungen nicht einmal Schuhe haben. Die Freiwilligen des Netzwerks Antirassismus bestätigen die einzigen gewesen zu sein, die sich in den letzten Tagen darum gekümmert haben ihnen Seife und Kleidung zu bringen.
Einer der Jungen nährt sich uns und zeigt uns seinen Arm und seine Beine, voller kleiner Verletzungen. Ein anderer, Überlebender des Schiffbruchs vom 1. Juli (bei dem 74 Vermisste und 27 Überlebende gezählt werden), hat einen geschwollenen Mund: ihm fehlen fast alle Zähne und er hat Schwierigkeiten zu sprechen. Er hat 70 Personen vom Meer verschluckt sterben sehen und hat sich selbst 6 Stunden lang an ein Stück Holz geklammert. Er hätte einen sicheren Ort der Aufnahme nötig, mit psychologischer Betreuung und die Nähe zu seinen Angehörigen, wenn auch nur über das Telefon. Uns erzählt er alles mit gesenktem Blick, während er den Mund zwischen beiden Händen hält.
Er zeigt uns einen medizinischen Befund der Poliklinik Vittorio Emanuele in Catania, in welchem steht, dass er Medikamente nehmen müsse, doch er hat kein Geld, um sie zu kaufen.
Obwohl die Jungen bei ihrer Ankunft allgemein über ihre Rechte informiert wurden, ist bisher keiner gekommen, um ihnen konkretere Unterstützung zu geben. 
Niemand hat ihnen gesagt, wie lange sie warten müssen oder wo sie schlussendlich landen. „Wir wollen hier weg“ wiederholen sie, „diese Bedingungen sind nicht human“. Das einzige, was sie bekommen, sind drei Mahlzeiten am Tag: Frühstück mit Milch und Keksen und einen Teller Pasta zum Mittag und zum Abendessen.
Es ist nicht wirklich klar, wer diese Mahlzeiten bringt;  auch das Netzwerk Antirassismus ist sich nicht sicher: vielleicht der Zivilschutz, vielleicht werden sie von der Einrichtung gebracht, die das CARA von Mineo leitet. Die Jungen beschweren sich darüber, dass das Essen unzureichend sei, das ihnen gebracht wird.
Weiterhin meldet das Netzwerk Antirassismus, dass sich vier unbegleitete Minderjährige unter ihnen befinden, die trotz ihres jungen Alters als volljährig eingestuft worden sind und in Pala Spedini gelassen wurden.
Im Lichte dieser Situation, die alarmierend und furchtbar ist, unterstreichen wir die Notwendigkeit so schnell wie möglich einzugreifen. Nicht nur um den gesundheitlichen Zustand der Jungen zu beurteilen, sondern auch eine für die Erstaufnahme geeignete Struktur für sie zu finden.
Die Freiwilligen des Netzwerk Antirassismus aus Catania unterstreicht außerdem die kritische Situation der Eritreer, die aus dem Pala Spedini vertrieben wurden und seit Tagen vor dem Bahnhof von Catania campieren. Für sie haben die Freiwilligen des Netzwerkes Informationszettel in Englisch gedruckt. Darauf befinden sich praktische Informationen zu ihren Rechten. Nichtsdestotrotz befinden wir uns wieder vor einer Situation voller Desinteresse und kompletter Verwahrlosung: Laut dem gleichen Netzwerk Antirassismus hat die Caritas keine Möglichkeit zu intervenieren außer die Präfektur  anzumahnen und die Kommune von Sant'Egidio antwortet nicht einmal am Telefon.

Irene Leonardelli und Marzia Trovato
Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Viktoria Langer