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Freitag, 14. Februar 2014

Am Ende kommt die Wahrheit doch ans Licht

Wie wir es schon mehrfach an dieser Stelle und nicht nur hier verurteilt haben, der Mangel an Weitblick auf ein “natürliches” Phänomen verursacht großen Schaden…
In der Region Trapani (aber auch in anderen Provinzen) gibt es jeden Tag eine Protestaktion, einen Streik aufgrund der Unterbringungssituation oder aufgrund der langen, bürokratiebedingten Wartezeiten, oftmals auch aus beiden Gründen.

 Der letzte eine langen Liste von Protesten war der in Castellammere del Golfo, wo bis heute ca. 30 Eritreer vor der Ausländerbehörde der Stadt in der Provinz Trapani schlafen, um gegen den Betreiber des Zentrums protestieren, der sich nach ihren Aussagen nicht um ihre Belange – vor allem im medizinischen Bereich – kümmert. Vor allem aber protestieren sie gegen die dramatische Langsamkeit der Bearbeitung ihrer Aufenthaltsgenehmigungen.

Die dort Untergebrachten sind des Wartens in einer nicht geeigneten Unterkunft müde. Nun riskieren sie auch noch Anzeigen, obwohl sie nur ihre Rechte eingefordert und dafür Straßen blockiert, das Essen verweigert oder, wie in Castellammare, unter freiem Himmel vor der Ausländerbehörde geschlafen haben.

In den letzten Monaten gab es diverse Protestaktionen von Bonagia über Segesta, von Erice über Trapani. Oftmals waren das Nichtausbezahlen des Taschengeldes oder das Essen und die Kleidung der Grund, immer aber handelte es sich auch um die lange Wartezeit auf die Aufenthaltsgenehmigung.

Dieses Problem der mangelnden oder klaren Antworten leben Tausende von Flüchtlingen täglich. Entweder sie geben – psychologisch gesehen – auf (und das tun viele), oder sie wehren sich und protestieren, denn es ist unmenschlich, und das möchten wir erneut unterstreichen, ein Jahr auf die Anhörung vor der Asylkommission zu warten.

Und es ist erst Februar!
Erst vor einer Woche wurden mehr als einhundert Migranten mit dem Schiff nach Augusta gebracht und dann auf Zentren in ganz Italien verteilt, um die sizilianischen Zentren nicht gleich zu Beginn des Jahres in eine Krise zu stürzen.

Um den Ankünften Herr zu werden haben die Präfekturen von einem Tag auf den anderen CAS (centro di accoglienza straordinaria, Notstandszentren) eröffnet und brachten bis zu 100 Migranten in einer einzigen dieser neuen Einrichtungen unter (so z.B. in Salemi).
Das führt oftmals zu weiteren Problemen, denn trotz des guten Willens und der Vorbereitung (das ist nicht immer selbstverständlich) des “neuen” Betreibers sind die Schwierigkeiten massiv und die Wahrheit kommt schnell ans Licht. Auch die Kulturmittler und Mitarbeiter mit langer Erfahrung im Aufnahmesektor haben diese Probleme und oftmals sind sie es, die die gravierenden Kompetenzmängel einiger Kollegen anzeigen und die Proteste in einigen Zentren verteidigen.

Eine weitere Gemeinsamkeit der Proteste sind die gegen die Lage der Zentren. Man kann nicht einfach ein CAS oder ein SPRAR (Zweitunterkunft) außerhalb einer Stadt eröffnen. Die kleinen Dörfer, drei bis zwölf Kilometer entfernt von der nächsten Stadt, sind nicht an den öffentlichen Nahverkehr angebunden und die Straßen sind nicht beleuchtet. Die Folgen sind meist die gleichen: das Taschengeld, wenn es denn gibt, kann nicht genutzt werden, da die Migranten die nächste größere Stadt nicht erreichen. Doch noch schlimmer ist, dass sie sich in Todesgefahr begeben, wenn sie abends heimkehren, da die Autofahrer die Migranten, die am Straßenrand langlaufen, oftmals nicht wahrnehmen.

Die Präfekturen und Ausländerbehörde sagen, sie versuchten, Wunder zu vollbringen, aber das Personal genüge nicht und die Wartelisten seien unendlich lang. Zudem müssten viele Probleme, mit denen die Betreiber umzugehen haben, vom Staat geregelt werden (siehe z.B. die dramatische Situation in der Abschiebungshaft Milo). Das alles sind Folgen der rassistischen Gesetze, die die Festung Europa weiterhin ausführt.

Alberto Biondo
Borderline Sicilia Onlus


Aus dem Italienischen von Judith Gleitze