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Dienstag, 21. Januar 2014

Die Notaufnahmeeinrichtungen

Zu den verschiedenen Einrichtungen, die die Präfektur Caltanissetta im vergangenen November für die Aufnahme von über hundert Asylbewerbern, die außerhalb des Lagers von Pian del Lago campieren, bestimmt hat, gehört auch der Sitz des Zivilschutzes in Gela (PROCIVIS), den wir letzten Monat besichtigen konnten.

Mit uns zusammen war an jenem Tag auch ein Mitglied von Ärzte ohne Grenzen dort; die Organisation hatte im vergangenen November im Lager von Pian del Lago Gesundheitsuntersuchungen durchgeführt, bei denen sich 6 Personen als besonders vulnerabel herausgestellt hatten und dank der Zusammenarbeit mit der Präfektur umgehend in der Struktur in Gela untergebracht wurden (http://siciliamigranti.blogspot.it/2013/11/caltanissetta-medici-senza-frontiere.html).

Als wir am späten Vormittag bei PROCIVIS ankamen, war nur ein freiwilliger Helfer dort und die Bewohner schliefen noch, doch nach und nach bemerkten sie unsere Anwesenheit und kamen zu uns. Insgesamt sind 16 Personen in der Einrichtung untergebracht, weitere 4 Personen sollten an dem Tag noch ankommen. 

Im Gespräch mit den Migranten, die wir aus Pian del Lago kannten, haben wir erfahren, dass sich nur einer der 6 wegen eines schweren Problems am Auge von einem Facharzt hatte untersuchen lassen, während die anderen 5 vulnerablen Personen nicht den von Ärzten ohne Grenzen empfohlenen fachärztlichen Untersuchungen oder Tests unterzogen worden waren. Anscheinend wurde keine der in der Einrichtung untergebrachten Personen bei ihrem Einzug einer ärztlichen Untersuchung unterzogen. So wusste keiner der Betreuer, dass einer von ihnen an einem Leistenbruch litt, was wir den Betreuern im Zentrum gemeldet hatten, und nur, weil der Mann den Arzt, der bei uns war, gebeten hatte, ihn zu untersuchen! Der Leistenbruch war so groß, dass er sogar unter der Kleidung sichtbar war.

Wir konnten die einzelnen Zimmer der Bewohner besichtigen. Der größere Raum, in dem zehn Bewohner untergebracht waren, wies bereits schwere Mängel auf (beispielsweise ein kleiner Elektroradiator mit offenliegender Steckdose), doch in den anderen beiden, kleineren Räumen, in denen die weiteren sechs Migranten untergebracht sind, haben wir eine noch schlechtere Situation vorgefunden; in einem der Räume war das fehlende Fenster durch eine Matratze ersetzt worden. Am Tag zuvor hatte es geregnet und man konnte noch erkennen, wo das Wasser eingedrungen war; man kann sich vorstellen, wie kalt es in der Nacht gewesen sein muss. Auch hier bestand die Heizung aus einem kleinen Radiator, der ebenfalls an eine offenliegende Steckdose angeschlossen war, was wegen des durch das Matratzen-Fenster dringenden Wassers noch gefährlicher war.

Wir haben die Bewohner gefragt, ob ihnen Kleidung zur Verfügung gestellt worden war, da wir bemerkt hatten, dass diejenigen, die vorher in Pian del Lago kampiert hatten, noch die verschlissene Kleidung trugen, mit der sie ins Lager gekommen waren. Die Migranten erzählten uns, nie Kleidung oder Schuhe, nicht einmal ausreichend warme Decken bekommen zu haben. Die „Bettausstattung“ bestand in der Tat nur aus einem Bezug und einer sehr dünnen Decke. Außerdem haben sie uns gesagt, nie Taschengeld oder eine Telefonkarte bekommen zu haben. Daher leben gerade diejenigen von ihnen, die noch nicht hinausgehen dürfen, weil sie keine Papiere haben, vollkommen isoliert - zudem es in der Einrichtung nicht einmal eine Internetverbindung gibt.

Hinsichtlich der Verpflegung wurde uns gesagt, dass morgens kein Frühstück ausgegeben würde, sondern lediglich Gebäckteilchen, die sie kaum noch essen können. Sie hätten wiederholt darum gebeten, heißen Tee, Milch oder Obst zu bekommen, doch diese Bitte wurde nie erhört. Auch die Mahlzeiten seien dürftig - sowohl qualitativ als auch quantitativ - und bestünden aus einem Teller Nudeln (obwohl sie mehrfach um Reis gebeten hätten), einer Portion minderwertigem Gemüse, einer kleinen Portion Hühnchen (selten Fisch oder Eier), einem Stück Obst und Brot. Dann berichteten sie uns auch von ihren Schwierigkeiten, wenn sie auf ihren Rechten bestehen: ihnen würde gesagt, dass ihr Asylantrag vernichtet würde, wenn sie sich schlecht benähmen; und es ist nicht das erste Mal, das wir von derartigen Erpressungen hören.

Am Nachmittag sind wir noch einmal hingegangen, um mit den Leiter des Zentrums zu sprechen; dieser hat uns mit Bezug auf die sechs Migranten, bei denen Ärzte ohne Grenzen auf Krankheiten und vorzunehmende Untersuchungen hingewiesen hatten, Unterlagen von der Notaufnahme gezeigt, doch darin waren keine Befunde von fachärztlichen Untersuchung zu sehen.

Hinsichtlich der personenbezogenen Leistungen hat uns der Leiter gesagt, dass das Catering von einer privaten Firma mit HACCP-Zertifizierung durchgeführt würde. Er hat uns versichert, dass die Qualität der Mahlzeiten gut sei und es sich nur um ein Problem der Bewohner handele, die nie zufrieden seien, denn auch den Couscous mit Gemüse (anstelle von Reis, um den sie immer wieder bitten), den er ihnen einmal vorgesetzt habe, hätten sie nicht gemocht! Was das Frühstück betrifft, verzichte er darauf, es auszugeben, da die Bewohner lange schliefen, doch er hat (zumindest anscheinend) unseren Vorschlag angenommen, ein vollständiges Frühstück auszugeben und dafür feste Uhrzeiten festzulegen, so dass die Bewohner selbst entscheiden können, ob sie aufstehen und es in Anspruch nehmen möchten.

Hinsichtlich der Kleidung hat er uns gesagt, dass es für die Versorgung mit gebrauchter Kleidung eine Vereinbarung mit einem Caritas-Lager gäbe; um bestmöglich zu arbeiten, berät er sich normalerweise mit einer Mitarbeiterin der Kooperative Auxilium (Betreiber des Lagers Pian del Lago in Caltanissetta), die ihm zu diesem Vorgehen geraten habe. Auf unseren Hinweis, dass einige der Bewohner kaputte Schuhe hätten oder Socken und Schlappen trügen, hat er uns zugesagt, eine Bestellung bei einem lokalen Zulieferer zu machen.

Dann haben wir ihn nach dem Personal und Sprach- und Kulturmittlerdiensten gefragt und erfahren, dass neben dem Leiter sehr qualifizierte ehrenamtliche Mitarbeiter dort tätig seien und für die Bewohner (alle pakistanischer und afghanischer Herkunft) ein nigerianischer Ehrenamtlicher als Sprachmittler zur Verfügung stünde.

Zu der nicht erfolgten Ausgabe des Taschengeldes hat er uns gesagt, dass dies aus Gründen der Gleichbehandlung so entschieden wurde, da er mit der Auszahlung beginnen wolle, wenn alle für die kommenden Monate vorgesehenen Bewohner eingetroffen seien. Daher müssen auch diejenigen, die bereits seit fast zwei Monaten in der Einrichtung sind, noch warten. Die internationalen Telefonkarten hingegen seien nie ausgegeben worden; diesbezüglich hätte es Probleme gegeben, weil die Bewohner eine andere Karte als die von ihm vorgeschlagene vorgezogen hätten.

Zu den festgestellten schweren räumlichen Mängeln sagt er, dass er bereits dafür sorgt, alles zu reparieren, und er hat uns einen Kostenvoranschlag für den Transport zweier Container aus der Gemeinde San Fratello (die bekanntermaßen lawinengefährdet ist) gezeigt, in denen die weiteren Personen untergebracht werden können, deren Aufnahme in der Einrichtung vorgesehen ist. Es handelt sich um weitere 50 Personen.

PROCIVIS ist also eine der Einrichtungen, neben dem Zentrum in Pian del Lago (http://siciliamigranti.blogspot.it/p/caltanissetta.html) und dem Hotel Alessi di Mazzarino (http://siciliamigranti.blogspot.it/2013/12/caltanissetta-100-migranti-di-pian-del.html), in der die Asylbewerber untergebracht worden sind, die monatelang im provisorischen Lager „Pian del Lago 2“ waren. Das Zentrum in Gela ist außerdem eine der Aufnahmestrukturen, die im Rahmen von Nothilfemaßnahmen ohne ein zentralisiertes und konstantes Kontrollsystem sowie gesetzliche Standards eingerichtet wurden. 

Da die im November von der Präfektur Caltanissetta mit diesen Einrichtungen unterzeichneten Vereinbarungen am vergangenen 31. Dezember 2013 ausgelaufen sind, fragen wir uns, ob diese verlängert werden und wenn ja, zu welchen Bedingungen.

Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Renate Albrecht