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Sonntag, 10. November 2013

Hunderte Migranten eingepfercht in Pozzallo

Am gestrigen Samstag, den 9. November, sind Vanessa Ferreri (Abgeordnete der sizilianischen Regionalversammlung) und Marialucia Lorefice (Abgeordnete der Abgeordnetenkammer) nach Pozzallo gefahren, um die Sportarena zu besuchen, die kürzlich vom Präfekten Annunziato Vardè beschlagnahmt und in ein Aufnahmezentrum für Migranten umfunktioniert worden war. Am Ende des Besuchs haben beide Abgeordnete folgende Hauptprobleme hervorgehoben: die Überfüllung der Einrichtung (wegen des Platzmangels sind die Migranten gezwungen, eng gedrängt auf sehr dünnen Matratzen zu schlafen); die Kälte während der Nacht, weil die ihnen zur Verfügung gestellte Kleidung und die Decken unzureichend sind; die ihnen aufgezwungene Ernährungsweise, nämlich jeden Tag Nudeln – mittags und abends – was oft zu Verdauungsproblemen führt.

Neben diesen Problemen – die wir in den letzten Tagen bei verschiedenen Interviews in der Nähe des Zentrums erfahren hatten – ist die größte Sorge der Migranten, dass sie lange Zeit in dieser Einrichtung bleiben müssen, da viele von ihnen genau wissen, wie lang die Wartezeiten sein können, bis sie von der zuständigen Kommission für den Antrag auf internationalen Schutz einberufen werden. Diese Furcht ist auch auf die ihnen bei der Verlegung gemachten Versicherungen eines kurzen Aufenthalts von zwei bis drei Tagen zurückzuführen, die umgehend widerrufen worden waren. Eine beträchtliche Zahl der Migranten berichtet in der Tat, am Montag, den 28. Oktober, im Zentrum angekommen zu sein. Es ist jedenfalls augenscheinlich, dass diese Einrichtung absolut nicht als Aufnahmezentrum geeignet ist, vor allem, wenn der Aufenthalt der Migranten länger als 24 – 48 Stunden andauern sollte. 

Wünschenswert wäre die umgehende Verlegung der Migranten in angemessene Einrichtungen, doch dies erscheint derzeit eher aussichtlos oder zumindest schwer planbar. Das entnehmen wir auch der Aussage einer leitenden Angestellten des Polizeipräsidiums in Ragusa, die heute in der Sportarena war und auf die Frage nach den Verlegungen gesagt hat, dass die Befehle von oben kommen und die Steuerung der Verlegungen in einen sich ständig weiterentwickelnden Kontext eingebettet ist. 

Ein Zeichen dieser Weiterentwicklung haben wir zu unserem Bedauern bereits vor einigen Tagen wahrgenommen. Als wir an der Strandpromenade in Pozzallo in der Nähe des Ersthilfe- und Erstaufnahmezentrums einige Migranten danach fragten, was im Hangar in Bezug auf eine mögliche Schließung – wegen des bevorstehenden Winters – geredet wurde, wurden wir lebhaft von zwei jungen Gambiern unterbrochen. Wir hatten sie etwa einen Monat zuvor in Siracusa kennengelernt, als sie in der ehemaligen Schule Umberto I. untergebracht waren. Vor einigen Tagen wurden sie in das Ersthilfe- und Erstaufnahmezentrum in Pozzallo verlegt, warten jedoch nach wie vor darauf, ihren Antrag auf internationalen Schutz stellen zu können. Wir haben den Eindruck, keiner Weiterentwicklung, sondern vielmehr einer Rotation der Verlegungen beizuwohnen. 

Wer die Spielsteine sind, ist offensichtlich, doch wer wirft die Würfel? Und was ist das Ziel des Spiels? Sicher ist nur, dass dieser Zustand absichtlich einen Notstand herbeiführt, und bei den ad hoc geschaffenen Notständen sind es immer die üblichen Verdächtigen, die ihren Gewinn daraus ziehen und Ängste streuen, wie es derzeit in Pozzallo geschieht. Auch Forza Nuova ist angetreten, um eine Situation, die ganz klar von den Behörden zu verantworten ist, für ihre rassistischen Zwecke zu instrumentalisieren.

Die Redaktion von Borderline Sicilia

Aus dem Italienischen von Renate Albrecht