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Mittwoch, 4. September 2013

Caltanissetta: Mutmaßlicher Schleuser tötet sich im Gefängnis

Giornale di Sicilia – von Donata Calabrese
CALTANISSETTA. Wieder ein Selbstmord in den italienischen Gefängnissen. Im „Malaspina“ von Caltanissetta hat sich ein inhaftierter Ägypter von 24 Jahren in seiner Gefängniszelle mit den Schnürsenkeln seiner Schuhe  erhängt. Mohuamed Ahmad Mokhar war in der Zelle, weil er verdächtigt wurde, einer der Schleuser zu sein, die am vergangenen 8. August an der Küste von Pozzallo ein Boot mit 110 Migranten an Bord angelandet haben. Während der Überfahrt starben zwei Pakistani, deren Leichen ins Meer geworfen wurden. Der Ägypter und der Libyer wurden mit der Beschuldigung festgenommen, eine kriminelle Vereinigung mit dem Ziel der Begünstigung der illegalen Immigration gegründet zu haben, und die beiden pakistanischen Migranten sterben gelassen zu haben. Der junge Mann wurde Mitte August in die landesgerichtliche Strafanstalt in der Via Messina überstellt und hat gegen 10 Uhr einen Selbstmordversuch unternommen.
Sofort wurde ihm von den  Strafvollzugsbeamten geholfen, die den aufgehängten Körper während ihres Aufsichtsdienstes in der Zelle bemerkten, erste Hilfe leisteten und die Schlinge entfernten, die der junge Mann sich um den Hals gewickelt hatte. Der junge Immigrant wurde den Helfern des Notrufes überlassen, die alles taten, um ihn dem Tod zu entreißen. Obwohl die Ärzte nach seinem Eintreffen im „Sant Elia“ alles unternahmen, um ihn zu retten, hat er es nicht geschafft.

Kommentar von Fulvio Vassallo Paleologo:
Ein ägyptischer Migrant, angeklagt ein Schleuser zu sein, hat Selbstmord begangen, indem er sich im Gefängnis von Caltanissetta aufgehängt hat. Auch ich fühle mich zum Teil schuldig; ich habe diese mühelose Festsetzung der „mutmaßlichen Schlepper“ seit Monaten angeprangert und doch ist es mir nicht gelungen zu vermeiden, dass diese Untersuchungen, geführt mit zu viel Oberflächlichkeit und auf der Grundlage der ersten Aussagen, erhoben von einigen benommenen Migranten sofort nach der Anlandung, zu einer extremen Handlung des Protestes wie dieser geführt haben. Jetzt werde ich keinen Frieden finden, bis alle Umstände dieser Tragödie aufgeklärt sind und bis die zahlreichen Migranten, die in informellen Zentren oder in den Zentren für Ersten Aufnahme und Hilfe, wie dem von Pozzallo, interniert und für Tage isoliert sind, weil sie verdächtigt werden, Schleuser zu sein, wieder  frei gelassen oder, unter Beachtung aller Zusicherungen, gerechten und zeitnahen Prozessen unterzogen werden. Ich verlange ein sofortiges Einschreiten des Bevollmächtigten für die Aufsicht über die Gefangenen (Art Ombudsmann) Siziliens, den ich versuchen werde, morgen früh zu kontaktieren wegen dieses Falles und der  anderen, die angezeigt werden, und ich weise hin auf ein Treffen aller Anwälte, die Fälle „mutmaßlicher Schleuser“ bearbeitet haben, für kommenden Montagnachmittag um 16:00 Uhr in Caltanissetta, an einem Ort, den ich erst morgen Vormittag genau nennen kann. In der Zwischenzeit soll heute Abend jeder, der kann, diese Nachricht herumgehen lassen, um sofort einschreiten zu können, damit nicht weitere Migranten, die den Untersuchungen der Polizei ausgesetzt sind, weil sie angeklagt sind, Schleuser zu sein, diese Tat wiederholen. Ich rufe auch den Bevollmächtigten für die Rechte Minderjähriger, Dr. Spadafora, dazu auf zu intervenieren, um  die Position der minderjährigen mutmaßlichen Schleuser zu schützen, insbesondere des jungen ägyptischen Schleusers, der in der Jugendhaftanstalt von Acireale in Haft sitzt und der am vergangenen 15. August von dem ehrenwerten Salvo Flores, dem Garanten für die Gefangenen Siziliens, besucht wurde. Dieser fand ihn in einem Zustand extremer Niedergeschlagenheit vor. Man weiß nichts von dem zweiten verhafteten Minderjährigen, hält auch ihn für „Schleuser“, inhaftiert nach der Tragödie von Playa (Catania) am vergangenen 10. August, man weiß nicht mal, ob er noch in Italien ist oder ob er Opfer einer sofortigen Abschiebung geworden ist, die, falls man sie verifizieren kann, auf Grund seiner Minderjährigkeit illegal wäre. Und die Ägypter sind bis zum 21. Lebensjahr als Minderjährige anzusehen, da sie erst zu diesem Zeitpunkt in ihrem Land volljährig werden. Zumindest für jenen Teil der italienischen Rechtsprechung, für den der Stand des Rechts wichtiger ist als die bilateralen Übereinkünfte zur kollektiven Rückführung.

Fulvio Vassallo Paleologo, Universität von Palermo

Aus dem Italienischen von Rainer Grüber