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Samstag, 31. August 2013

Verlassenes Caltanissetta!

Letzte Woche gab es erneute Proteste in Pian del Lago [Zentrum für Asylsuchende und Migranten sowie Abschiebungshaft], wieder wurde die Straße blockiert (nicht zum ersten Mal in diesem Monat), und das Verhältnis zwischen den Migranten und den Ordnungskräften sowie einigen Bewohnern Caltanissettas, die sich immer mehr über das Verhalten der Migranten ärgern, die ihre Rechte fordern, verschärft sich weiterhin.
Die Fluchtversuche folgen und die Praxis ist natürlich immer die gleiche. Wer flüchtet und nicht geschnappt wird kann sich glücklich schätzen, wer bleibt wird von den Beamten „bestraft“!

Vor einigen Tagen hat die Gewerkschaft der Polizei die Stimme gegen die Unzulänglichkeit des Personals in Pian del Lago erhoben und schlug vor, den Migranten die Schuhe wegzunehmen, damit diese nicht mehr flüchten können oder nur daran denken…(wirklich eine zivilisierte Lösung!)

Aber die Revolten finden auch außerhalb des Zentrums statt, da die Migranten, als sei es zu einer Gewohnheit geworden, in der Gegend um das Zentrum herum lagern, wenn sie auf ihr Interview vor der Asylkommission oder auf ihre Papiere warten. Die Revolten sind Früchte der verwerflichen Entscheidungen der Regierung, die Unterkommission für Asylangelegenheiten nicht wieder direkt in Caltanissetta anzusiedeln. Das hat desaströse Folgen für die Migranten, denn seit Juni ist nun wieder die Kommission von Syrakus zuständig, die derzeit mit 4.000 anhängigen Verfahren im Rückstand liegt!

Das bedeutet, für die Asylsuchenden aus Caltanissetta gibt es ein bis zwei Kommissionsanhörungen am Tag mit einer Wartezeit von durchschnittlich 10 – 12 Monaten (und das ist noch optimistisch geschätzt).

Eine andere merkwürdige Besonderheit des Zentrums von Caltanissetta ist dessen Leitung. Wer das Zentrum betreibt ist gar nicht einfach zu erfahren! Die Kooperative Albatros 1973, die noch dort sitzt, oder zwei andere Kooperativen, die sich die ganze Zeit wilde Papierschlachten liefern, um eine Scheibe der (sehr wohlschmeckenden) Torte abzubekommen? Die  Ausschreibung, die die Mitarbeiter der Präfektur von Caltanissetta in Auftrag gegeben haben, hatte eine interimsmäßig arbeitende Gruppe von Firmen, der Cooperativa Sociale Auxilium und der Team Service S.c.a.r.l., gewonnen. 

Doch die Richter des Verwaltungsgerichts in Palermo  haben auf die Klage der Verantwortlichen des Konsortiums Soldalia Soc Coop. Sociale Onlus diese Entscheidung gekippt, die die Leiter der Ausschreibung getroffen hatten: sie haben das Recht auf Betreiberschaft den Verantwortlichen des Konsortiums, also den Klägern, zugesprochen. Diese Entscheidung wird nun von den Richtern des Verwaltungsrechtsrates in Zweifel gezogen, die aufgrund einer Berufung der Leitung der Cooperativa Sociale AUXILIUM die Rechtswirksamkeit des Urteils aus erster Instanz  aufgehoben haben: somit ist AUXILIUM nun mit dabei. Die letztendliche Entscheidung soll im Dezember erfolgen. Die Ausschreibung ist für drei Jahre Betreiberschaft angesetzt.

Natürlich sind es nur die Migranten, die diese internen Kriege bezahlen müssen: die Dienstleistungen für sie sind immer ungewiss, so z.B. die medizinische Erstversorgung, wie wir es schon im letzten Monat angezeigt haben (und die fehlt nicht nur in Caltanissetta).

Unter dieser Situation leiden auch die „SPRAR“ der Provinz Caltanissetta, auch hier haben einige Bewohner (auch einige Minderjährige unter ihnen) einen Hungerstreik begonnen, um auf sich aufmerksam zu machen. Doch bisher gab es keines der erhofften Ergebnisse.

Eine besondere Erwähnung sollte das „Casa di Riposo“ (Altenheim) Antonietta Aldisio in Gela finden: ca. 40 Migranten, zum größten Teil vom Horn von Afrika, leben in einer Einrichtung, die seit wenigen Tagen in ein SPRAR umgewandelt worden ist. Anfang des Monats erkrankte ein junger Somalier an Tuberkulose (was unsere Ansicht des mangelhaften medizinischen Screenings und einfach sofortige Verteilung nach Ankunft bestärkt). 

Dieses neue Zentrum wird von der Kooperative Gelambiente geleitet. Auch die Anwohner haben große Zweifel, sie haben bezeugt, dass die Einrichtung zeitgleich Migranten und ältere Menschen beherbergt, zudem haben sie berichtet, dass einige junge Migranten gezwungen sind, auf dem Dach des Gebäudes zu schlafen.

Wir hingegen fragen uns: wie kann eine Einrichtung von einem Tag zum anderen die Bestimmung wechseln und plötzlich Migranten aufnehmen? Mit welchen Voraussetzungen? Und mit welches Professionalität des Personals?

Wenn schon Einrichtungen, die seit Jahren mit sehr guten Ergebnissen arbeiten (wie z.B. das SPRAR Girasoli in Mazzarino), schon so viele Probleme haben, welche Ergebnisse sollen dann diese bringen?

Vielleicht ist die Flucht der Migranten aus diesen Zentren das Ziel (der Regierung?) Wie viel unnötig herausgeworfenes Geld…

Alberto Biondo
Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Judith Gleitze