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Freitag, 16. September 2011

Die „roten“ Genossenschaften machen Geld mit Migranten


Von Antonio Mazzeo
Das Konsortium Sisifo kontrolliert die Lagerstruktur auf Lampedusa und bietet soziale Hilfsdienste in ganz Sizilien an. Der Monopolist im Bereich sozialer Dienstleistungen hat juristischen Ärger.

Mineo, aber nicht nur dort: das riesige Auffanglager für Asylsuchende in der Provinz Catania ist sicher nicht das einzige Beispiel für das lukrative Geschäft von Sisifo mit dem „Migrations-Notstand“. Das Konsortium, bestehend aus 25 Mitgliedern der sizilianischen sozialen Genossenschaft „Legacoop“, hat tatsächlich „LampedusaAccoglienza“ ins Leben gerufen, jene Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die seit Juni 2007 das Zentrum für Rettung und Erstaufnahme (CSPA) im Ortsteil Imbriacola auf Lampedusa betreibt. Die Unterkünfte sind Teil der Lagerstruktur auf Lampedusa, wo unter haftähnlichen Bedingungen Migranten festgehalten werden, die sich auf der Flucht vor Krieg und sozio-ökonomischen Krisen auf dem afrikanischen Kontinent befinden. Fünfzehn Kilometer weiter wurde die ehemalige US-Militärbasis "Loran" in eine Mischung aus Herberge und Gefängnis für über 200 Jugendliche umgewandelt. Auch diese Einrichtung wird von Mitarbeitern der GmbH (Legacoop) im Auftrag von Sisifo betrieben.
Seit 2010 ist auch das CSPA Cagliari-Elmas, ein Zentrum, das sich innerhalb der militärischen Zone des Flughafens auf Sardinien befindet, unter der Kontrolle des sizilianischen Konsortiums. Ebenso koordiniert Sisifo in der Provinz Messina im Rahmen des „Migrations-Notstandes“ die Aufnahme von ca. einem Dutzend Flüchtlingen in der ehemaligen Polizeiwache von Castroreale und durch das Konsortiumsmitglieds „Azione Soziale“ auch das „Casa del Mudar“ in Barcellona Pozzo di Gotto, wo einige Minderjährige tunesischer Herkunft untergebracht sind.

Das mächtige „rote“ Konsortium kann mit Umsätzen in Millionenhöhe für das Angebot rechnen, welches es der Region Sizilien und lokalen Behörden macht. Dazu zählen eine breite Palette medizinischer Interventionen und soziale Betreuung für Behinderte, Kinder, ältere Menschen, Drogenabhängige und unheilbar Kranke. Seine Verwurzelung in der Gegend basiert darauf, dass das Konsortium, wenn nötig, Wähler für Politiker der Mitte-Links oder Mitte-Rechts Parteien mobilisiert. Einer dieser Politiker, Nunzio Parrinello, der in den Reihen der „Autonomisti“ des lombardischen Gouverneurs in die Provinzvertretung von Catania gewählt ist, ist ins Netz der jüngsten Ermittlungen geraten, die die Misswirtschaft der sozialen Dienste in Ost-Sizilien aufdecken sollen - zusammen mit siebzig Direktoren, Führungskräften und Mitarbeitern der privaten Pflege. Laut der Anklageschrift gab es eine Reihe von manipulierten Verträgen in der Verwaltung einiger Dienste. Unter den untersuchten „Diensten“, befindet sich der Rettungs- und Notfalldienst der vom Gesundheits- und Sozialbezirk von Catania der Kooperative “Luigi Sturzo onlus” zugeordnet ist, einem Mitglied von Sisifo. Vorsitzender ist Parrinello.

Unter den Verdächtigen dieses Skandals scheint auch der gesetzliche Vertreter der Kooperative „Citta del Sole“ in Catania zu sein, Antonio Novello, der Mitglied des Vorstands von Sisifo und zugleich regionaler Leiter von Legacoop ist. Der Regionalvertreter der italienischen Blindenunion, Novello, war ein treuer Unterstützer der Mitgliedschaftskampagnen der PSI (in der Abteilung von Salvo Andò, ehemaliger Verteidigungsminister). Trotz des juristischen Ausrutschers ist Novello für den Posten des Koordinators des EU-Projekts „Città del Sole“ zur Ausbildung und Arbeitsvermittlung der Insassen der Gefängnisdirektionen von Catania und Giarre nominiert.

Ärger ist auch in Sicht für Cono Galipò, den Vizepräsidenten von Sisifo und gegenwärtigen Vorstandsvorsitzenden von „LampedusaAccoglienza“. Die Staatsanwaltschaft hat vor dem Gericht von Patti den Vorwurf schweren und andauernden Betrugs in Zusammenhang mit der  Verwaltung des Zentrums für Asylsuchende von Sant'Angelo di Brolo zwischen September 2008 und Mai 2010 erhoben. Laut den Ermittlern habe Galipò die Insassen noch nach der Ausstellung der Aufenthaltsgenehmigungen im Zentrum behalten und hat dem Konsortium Sisifo dadurch „unrechtmäßige Gewinne“ im geschätzten Umfang von 468.280 Euro plus Mehrwertsteuer verschafft. Die erste Anhörung in diesem Verfahren ist für den 18. Oktober geplant.

(aus dem Italienischen von Elias Steinhilper)