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Freitag, 8. Juli 2011

Bericht aus Lampedusa

Da ich erst um 19:30 angekommen bin, konnte ich nicht mehr viele Informationen sammeln, doch ich hatte eine interessante Unterhaltung mit einigen älteren Einwohnern Lampedusas, die die Abendbrise vor der eigenen Haustür genossen. Small-talk mit Anwohnern Lampedusas.
Es ist gar nicht so einfach zu verstehen, warum in den Monaten März und April die Stimmung nicht explodiert ist, denn du dem Zeitpunkt wurden die Spannungen und die Schwierigkeiten unermesslich groß und die Autoritäten glänzten mit völliger Abwesenheit. So fragte ich wie es gewesen sei, als so viele Flüchtlinge auf der Insel waren.Das erste, was mir gesagt wurde: „Ah, die waren gute junge Menschen. Alle junge Männer, 20 bis 25 Jahre alt. Sie fragten uns nach Essen und nach Kleingeld, und dann bedankten sie sich mit “Danke Madame“. Die Frauen waren sehr geschmeichelt über diese „Madame“. Sie erzählten, wenn ein Besen vor der Tür stand, wurde dieser sofort mitgenommen, um als Zeltstange für ein improvisiertes Zelt zu dienen, viele Einwohner Lampedusa ließen Decken vor dem Haus, damit die jungen Leute, die keine hatten, sie einfach nehmen konnten ohne zu fragen. Ein alter Mann war sehr beeindruckt als er sah, dass einige junge Männer barfuss liefen, er ging mit ihnen Schuhe kaufen. „Die sagten, sie fliehen vor Armut, Kriegen, Hungersnot, wir hätten das gleiche gemacht“ - und dann sich korrigierend – „wir haben das Gleiche gemacht: in jeder Ecke der Welt gibt es einen Lampedusaner“ – und mit ein wenig Stolz – „wir sind überallhin emigriert.“ Dann sprachen wir über die Tourismus Saison: sie haben bestätigt, der Rückgang sei drastisch. Im gleichen Zeitraum waren letztes Jahr 20.000 Touristen da, dieses Jahr werden es knapp 2000 sein. Eine Dame, die einige Osterreservierungen hatte erzählte, dass eine Frau angerufen und gesagt habe: „ Wie sollten wir kommen, ihr seid voll mit illegalen Einwanderern.“ Und die Dame antwortete schlagfertig: „ Wir umarmen die Illegalen aber dann schicken wir sie Euch!“ Sie zeigten keinerlei Bissigkeit gegenüber den Flüchtlingen, ihnen war von Anfang an klar, dass das Problem durch die politische Handhabung und die Verbreitung durch die Medien entstanden ist. Im Gegenteil, sie schienen mit einer gewissen Zuneigung an die Zeit zurück zu denken, als die Insel voller Afrikaner war: das häufig über die Lippen kommende Wort war Zuneigung den Gestrandeten gegenüber, mit denen sie die Insel für einige Monaten teilten. Zu den Versprechungen von Berlusconi wechselnd fragte ich, ob sie die Golfplätze befürworten würden. Eine Dame hatte davon etwas gehört, aber in Wirklichkeit wusste kaum jemand, worum es dabei eigentlich ging. Eine andere Dame fügte hinzu, Berlusconi sei misshandelt und verfolgt worden, aber sie sagte dies mit der gleichen Zuneigung, mit der sie über die Tunesier sprach, die sie ins Herz geschlossen hatte. Wer weiß, ob es dem Ministerpräsident gefallen würde, in dieser ökumenischen Umarmung eingeschlossen zu werden, fest in den Armen der Dame zusammen mit Tunesiern, Sudanesen, Nigerianer etc. Die Menschen aus Lampedusa, zumindest die, die mir begegnet sind, sind in ihrer Menschlichkeit nicht politisiert oder ideologisiert, sie fürchten die Fremden nicht aus ideologischen Gründen. Aber sie ergibt sich nicht aus dem Nichts, diese Haltung. Ich werde weiter nachforschen... 
Clelia Bartoli