In diesen CPA* können bis zu 50-60 Minderjährige untergebracht werden, deren Beschwerden bezüglich fehlenden Dienstleistungen sehr oft mit verschiedenartigen Drohungen seitens der Verwaltungseinrichtungen beantwortet werden. Ein Missbrauch, der zur Norm wird! Wie zum Beispiel – wie uns mehrere Bewohner*innen berichteten – die Androhung, dem Polizeipräsidium als vermutlich Volljährige*r gemeldet zu werden. Dort wird die Volljährigkeit nur anhand von radiologischen Aufnahmen des Handgelenks festgestellt, diese Praxis widerspricht allerdings den neuen Richtlinien, die in dem Gesetzentwurf bezüglich der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, der in diesen Tagen gebilligt werden soll, beinhaltet sind. Wer sich beschwert und protestiert, der wird - wie von Zauberhand - volljährig.
Aufgrund des chronischen Mangels an Plätzen in den CAS* für Erwachsene oder weil viele der Zentren für Minderjährige wegen der anhaltenden Proteste als „gefährdet“ eingestuft werden, bleiben die „neuen“ Volljährigen aus dem Aufnahmesystem ausgeschlossen und die einzige Alternative für sie ist oft nur die Straße. Einige der neuen Volljährigen werden in den Hub* in Villa Sikania gebracht, wo sie dann mehrere Monate lang sozusagen geparkt bleiben, zusammen mit ca. 200 Eritreer*innen, die einer Umsiedlung zugestimmt haben, jedoch das Zentrum noch nicht verlassen haben, weil die Wartezeiten sich in die Unendlichkeit ziehen.
Am letzten 29. Oktober um 17:30 Uhr kamen mit dem Militärmarineschiff Borsini, das in Porto Empedocle angelegt hatte, 223 Personen und 3 Leichname, die aus dem Meer geborgen wurden, an. Auf dem Kai warteten das Rote Kreuz und andere humanitären Organisationen, wie Emergency und Save the Children und natürlich auch die Polizei.
Die Migrant*innen sind halbnackt, einigen von ihnen haben nur schwarze Müllsäcke als Decken um sich gewickelt. Sie werden mit Rettungsdecken und Schlappen versorgt. Manche bekommen auch T-Shirts. Bei dem Zelt des Roten Kreuz bekommen sie außerdem etwas zu Essen und zu Trinken. Schließlich steigen sie in die auf sie wartenden Busse ein. Frauen und Kinder sind zuerst aus dem Schiff ausgestiegen, unter ihnen ein gerade Mal 34 Tage altes Baby. 2 Frauen mussten mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus eingeliefert werden. Danach kamen die Männer, die meisten kommen aus den Südsahara-Gebieten Afrikas und sind sehr jung. Auch für einen Mann ist eine Einlieferung ins Krankenhaus notwendig gewesen und ein Arzt bemerkt, dass in Vergleich zu anderen Anlandungen “diese (Migrant*innen) viel müder und ausgezehrter als sonst“ scheinen. Bei Sonnenuntergang gehen die Bestatter an Bord der Borsini und nehmen die drei Leichname mit.
Als Folge dieser Anlandung und der vom 26. Oktober (bei der 200 Personen mit dem Schiff Chimera ankamen), ist das Leben in Villa Sikania genauso schlimm wie das Leben im Hotspot* auf Lampedusa: Das Zentrum ist überfüllt, dort sind bis zu 600-700 Migrant*innen untergebracht, manche in der „ewigen Warteschleife“ der Umsiedlung, andere warten auf die Verlegung in ein anders Zentrum, die aber viel zu oft sehr lange auf sich warten lässt.
Alberto Todaro
Borderline Sicilia
CPA*-Centri di prima accoglienza-Zentrum für Erstaufnahme
CAS* - Centro di accoglienza straordinaria - Außerordentliches Aufnahmezentrum
HUB* - aus dem Englischen "Sammelpunkt", neue Bezeichnung von Verteilzentren für Asylsuchende
HOTSPOT* – aus dem Englischen „Brennpunkt“, neue Bezeichnung von Registrierzentrum für Flüchtlinge
Aus dem Italienischen von A. Monteggia übersetzt