- Zahllose Ausschiffungen und kollabierende Einrichtungen: das Scheitern des italienischen Systems erzeugt Gewalt und Ausbeutung
- Ununterbrochene Abschiebungen und unrechtmäßige Inhaftierungen, inhumane Konsequenzen des „Hotspot“-Konzepts
- Hotspot und CAS*: Die Un-Orte der Aufnahme für unbegleitete minderjährige Geflüchtete
- News und Termine
- Informationen und Kontakte
Der Modus der „lang andauernden Ausschiffung“ scheint nun eine gängige Praxis bei der Ankunft von Migrant*innen in Sizilien zu sein. Bei den ununterbrochenen Ausschiffungen in den Häfen von Palermo, Messina, Pozzallo und Augusta im September werden endlos lange Wartezeiten bei der Prozedur der Identifikation und der Registrierung beobachtet. In einigen Fällen wie am 6. und 12. September in Palermo zogen sich die Ausschiffungen mehr als 36 Stunden hin, während derer die meisten Migrant*innen zudem im Regen warten mussten.
http://siciliamigranti.blogspot.it/2016/09/oro-falso-sbarco-di-notte-palermo-i.html
In Palermo wird die Identifikation der letzten, am 12. September an Land gegangenen Migrant*innen, die im Polizeipräsidium erfolgen muss, erst am Abend zum Abschluss gebracht. Abschiebungen werden aufgrund von Nationalität erlassen, mit direkt sich anschließender Rückführung. Die Krise des Aufnahmesystems in Palermo spitzt sich in den Gemeinschaftsunterkünften für unbegleitete Minderjährige zu. Dort explodieren die Proteste der jungen Gäste, die oft den Ausweg des Weglaufens wählen, womit sie jedoch Gefahr laufen, billige Handlanger für die organisierten Kriminalität zu werden und als Arbeitskräfte für 2 Euro Stundenlohn für die Kapos auf den Feldern zu arbeiten.
http://siciliamigrants.blogspot.com.es/2016/09/vom-meer-auf-die-felder-migrantinnen.html
Im Hafen von Augusta leben seit Wochen Dutzende Migrant*innen, mehrheitlich unbegleitete Minderjährige, zusammengedrängt in einer Zeltstadt unter sehr schlechten hygienischen und sanitären Bedingungen. Einige Jugendliche, die das „Rete Antirazzista Catanese“ (antirassistisches Netz in Catania) im Bahnhof Catanias getroffen hat, erzählen, dass es ihnen gelungen sei wegzulaufen, nachdem sie mehrere Tage in der Zeltstadt wie Gefangene verbracht hatten, in der Hitze und ohne Informationen über das Asylrecht und humanitären Schutz zu erhalten. Andere hingegen sagen, dass sie mit elektrischen Schlagstöcken gezwungen wurden, ihre digitalen Fingerabdrücke zu hinterlassen; wiederum andere wurden nach der Identifikation einfach auf der Straße ausgesetzt, auf der sie dann 40 Kilometer zu Fuß nach Catania liefen.
http://siciliamigrants.blogspot.com.es/2016/09/wird-es-in-augusta-jemals-eine.html
UNUNTERBROCHENE ABSCHIEBUNGEN UND UNRECHTMÄSSIGE INHAFTIERUNGEN, INHUMANE KONSEQUENZEN DES „HOTSPOT“-KONZEPTS
So wollten wir die neue Mauer beschreiben, die zwar unsichtbar, aber schwer zu passieren ist, die von der Festung Europa errichtet wurde, um die politische Schande der Nicht-Aufnahme und des Ausschlusses von Migrant*innen in die Praxis umzusetzen. Die Kontrolle und die Identifikation der an Land gegangenen Migrant*innen sind auf ihre „Selektion“ ausgerichtet, mit dem Ziel, immer mehr Abschiebungen durchzuführen. Und für diejenigen, die bleiben, ist die Behandlung sicher nicht besser: die unbegleiteten Minderjährigen und die besonders Schutzbedürftigen – schwangere Frauen, alleinstehende Frauen mit Kindern, kranke und psychisch instabile Menschen – werden in überfüllten Unterkünften unrechtmäßig festgehalten, auch monatelang, ohne Geschlechtertrennung, sie werden gezwungen unter beschwerlichen Bedingungen zu leben ohne angemessene Unterstützung und ohne eindeutige Antworten bezüglich ihrer Zukunftsperspektive.
http://siciliamigrants.blogspot.com.es/2016/09/mehr-besonders-schutzbedurftige-weniger.html
HOTSPOT UND CAS*: UN-ORTE DER AUFNAHME FÜR UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE MIGRANT*INNEN
In Pozzallo kommen weiterhin minderjährige jugendliche Geflüchtete an. Sie werden im Hotspot untergebracht, der jedoch schon überfüllt ist, und im neuen CAS* für Minderjährige, das von der Präfektur in Ragusa im Zentrum der Küstengemeinde errichtet wurde. Die Minderjährigen erhalten keine Auskünfte über das neue System, in das sie kommen, und werden im Dunkeln über ihre Recht und Pflichten gelassen. Auf diese Weise kann die Praxis einer unrechtmäßigen Inhaftierung fortgesetzt werden. So werden die Migrant*innen wie Nummern kontrolliert und verwaltet und nicht wie Menschen. Schließlich bleibt die Situation in der Gemeinschaftsunterkunft für Minderjährige in San Michele di Ganzaria schwierig. Nach dem schweren gewalttätigen Zwischenfall, in den vier junge Ägypter verwickelt waren, kam es wegen der Proteste aufgrund der nicht erfolgten Auszahlung des Taschengeldes zu Anklagen und Festnahmen. Wieder einmal verhindern die Unfähigkeit auf organisatorischer Ebene, das Fehlen einer Mediation und eines notwendigen erzieherischen Ansatzes in der Gemeinschaftsunterkunft für Minderjährige eine konstruktive Auseinandersetzung als Mittel der Konfliktlösung. So entfernen sich die Jugendlichen, die dem Tod in der Wüste oder auf dem Meer um ein Haar entronnen sind, immer weiter von einem Weg hin zur Integration, wo sie sich endlich sicher fühlen könnten.
http://siciliamigrants.blogspot.com.es/2016/09/unbegleitete-minderjahrige-gefluchtete.html
Angesichts der aktuellen Ankunft von unbegleiteten Kindern und unbegleiteten Minderjährigen, deren Zahl sich gegenüber dem vergangenen Jahr verdoppelt hat, zeigt das italienische Aufnahmesystem seine ganze Ineffizienz: im ersten Halbjahr 2016 wurden 5000 Kinder für „verschwunden“ erklärt, da sie aus den Unterkünften für Minderjährige weggelaufen waren oder von dort vertrieben wurden. Das zeigt der neue Report „Grandi speranze alla deriva“ (Große Hoffnungen, die ins Leere führen) von Oxfam.
http://siciliamigrants.blogspot.com.es/2016/09/taglich-verschwinden-28-kinder-aus-dem.html
News und Termine
Medu stellt in Rom „Esodi (Auswanderungen)“ vor, eine interaktive Karte der Migrationsbewegungen von den subsaharischen Ländern bis nach Europa; „Un partigiano mi disse“ „Ein Widerstandskämpfer sagte mir“, Start des Crowdfundings für das neue Buch von Gabriele Del Grande; Präsentation von “Mediterranean Missing“ im Parlament , ein Projekt der Universität York, der City University London und der OIM (International Organisation for Migration), mit dem man den Toten im Mittelmeer einen Namen geben möchte.
http://siciliamigranti.blogspot.it/2016/09/non-chiamateli-migranti-economici-medu.html
http://siciliamigrants.blogspot.com.es/2016/09/ein-partisan-erzahlte-mir-crowdfunding.html
http://siciliamigrants.blogspot.com.es/2016/09/migrantinnen-sie-haben-einen-namen-die.html
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*CAS - Centro di accoglienza straordinaria, außerordentliches Aufnahmezentrum
Übersetzung aus dem Italienischen von Jutta Wohllaib