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Donnerstag, 12. November 2015

Die Fabrik der Irregulären, fälschlicherweise "Illegale" genannt

Borderline Sicilia ist äußerst besorgt über die andauernden unrechtmäßigen Praktiken, die zum Schaden von Asylsuchenden angewandt  werden. Seit Ende September haben wir mehrfach die "zeitversetzten Zurückweisungen" (Ausreiseverfügungen, die besagen, dass Italien innerhalb von sieben Tagen zu verlassen ist, Anm. der Red.) bei Migrant*innen, die auf hoher See gerettet wurden, angezeigt.(1)
Der letzte Fall, der uns bekannt wurde, betrifft 15 Personen (aber es könnte sich auch um eine größere Zahl handeln) aus Pakistan und Mali. Wir haben sie vor der Questura (Polizei und Ausländerbehörde) in Palermo angetroffen. Sie berichteten uns, dass sie am 5. November nach der Rettung auf See von mehr als 500 Menschen in Lampedusa angekommen seien. Von dort seien sie fünf Tage später nach Agrigento gebracht worden, wo man sie mit einer Ausreiseverfügung auf die Straße gesetzt habe. Sie sind allein nach Palermo weitergereist (ca. 130 km, Anm. der Red), wo sie in der Questura Asylanträge stellen wollten. Dies wurde ihnen aufgrund der bestehenden Ausreiseverfügung  verweigert. Sie berichteten, dass sie bei ihrer Ankunft auf Lampedusa nur nach Namen und Herkunft gefragt, jedoch nicht über eine mögliche Asylantragstellung informiert wurden.
Diese illegalen Verwaltungspraktiken werden mit den letzten Anweisungen des italienischen Innenministeriums begründet. Erschreckende Anweisungen, die in der so genannten Road Map enthalten sind und das Recht auf ein Asylverfahren in Frage stellen, ein Recht, das durch Gesetze und Verfassung verbrieft ist. Stattdessen werden die Migrant*innen als Irreguläre in die Hände von Menschenhändlern getrieben und zu Opfern von Ausbeutung.
Wir fordern nachdrücklich, dass der Minister diesen Praktiken Einhalt gebietet, durch die Migrant*innen zu namenlosen Subjekten werden, die zur Abschiebung freigegeben sind, anstatt ihre Rechte wahrnehmen zu können.
Wir fordern ein sofortiges Gespräch mit dem Regierungspräsidium und der Questura von Agrigento, um alternative Praktiken zu diskutieren und gemeinsame Lösungen im Sinne der Menschenrechte zu finden.


Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Judith Gleitze