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Dienstag, 9. Juni 2015

Das Aufnahmezentrum in Mineo: ein Aufnahmemodell, das inkompatibel mit der Würde des Menschen ist - Ein Bericht von Ärzte für Menschenrechte

Die Organisation Ärzte für Menschenrechte (MEDU) hat den Bericht über das CARA* in Mineo veröffentlicht. Der Bericht wurde am vergangenen 25. Mai vor der Parlamentskommission für das System der Aufnahme, Identifikation und Behandlung der Migranten präsentiert.
In den ersten Monaten des Jahres 2015 hat sich die Debatte um Migration und die Vertretbarkeit des aktuellen Asylsystems wieder erhitzt. Die Korruptionsepisoden, die in diesen Tagen ein weiteres Mal durch die Ermittlungen um Mafia Capitale** ans Licht gekommen sind, sowie die hohe Anzahl an Migranten, die über das Meer ankommen, gebieten ein kontinuierliches Monitoring der Aufenthaltsbedingungen und der Effizienz der Einrichtungen, die zur Zeit zur Aufnahme vorbereitet wurden.

Seit November 2014 ist ein Team von MEDU jede Woche im CARA in Mineo, die Aufnahmeeinrichtung die absolut die höchste Anzahl an Asylsuchenden in Europa beherbergt, um Zeugenschaften zu sammeln und den Opfern von Folter und unmenschlicher und unwürdiger Behandlung medizinische und psychiatrische Hilfe zu leisten. Dies erfolgt im Rahmen des Projekts ON.TO: Stoppt die Folter der Migranten entlang der Migrationsrouten von Subsaharischen Ländern nach Nordafrika. Im Verlauf ihrer Aktivität hat das Team von MEDU – bestehend aus einem Koordinator, einem psychiatrischen Arzt, einer Psychologin und einem interkultureller Vermittler – im CARA in Mineo einige relevante kritische Punkte feststellen können, die dem System der Konzeption der Einrichtung selbst inhärent zu sein scheinen, die aus einer Makrostruktur bestehen, die zwischen 3.200 und 4.000 Menschen beherbergt.
Überfüllung. Isolierung der Einrichtung im Verhältnis zur Umgebung. Durchschnittliche Aufenthaltszeiten von 18 Monaten, die Vervollständigung der Prozedur zur Anerkennung des internationalen Schutzstatus erwartend (entgegen den vom Gesetz vorgesehenen 35 Tagen). Oft werden die Migranten nicht im nationalen Gesundheitsdienst eingeschrieben, wie es das Gestez vorsieht. Missstände in der Vermittlung und im Zugang zu psychischer und Rechtsversorgung. Erscheinungen von Verfall, Illegalität und Gewalt, die äußerst schwer zu bekämpfen sind, wie auch von den Polizeikräften erkannt wurde. Diese sind einige der gravierendsten Probleme, die die Ärzte für Menschenrecht im Zentrum von Mineo festgestellt haben.

Das Zusammenspiel jener Kritikpunkte schlägt sich negativ auf de Gesundheit der Gäste nieder, die zu einer ‚Nummer’ reduziert und zu langen Warteschlagen zum Essen und zur medizinischen Versorgung gezwungen werden. Das Verhältnis, das sich zwischen den Mitarbeitern und den aufgenommenen Migranten entwickelt, kann nichts als unausgeglichen sein, mit dem Asylsuchenden, der in eine passive und gestörte Dimension gezwungen ist in Abhängigkeit zu den Mitarbeitern. Mehr noch, bestätigt sich das Modell des CARA in Mineo als gänzlich ungeeignet die verletzlichsten Asylsuchenden zu beherbergen. Die großen Dimensionen haben vor allem in der Identifikation Schwierigkeiten zur Folge und die Verantwortungsnahme für Menschen mit schwerwiegenden psychischen Störungen und für Opfer von menschenunwürdigen, herabsetzenden Behandlungen oder Folter – die leider in sehr relevanter Anzahl unter denjenigen Migranten vorhanden sind, die gezwungen sind, sich im Zentrum aufzuhalten – für die eine Herangehensweise notwendig wäre, die auf mehr Aufmerksamkeit für den einzelnen Menschen basiert ist. Andererseits stellen einige Charakteristika des Modells Mineo – anonyme Bedingungen, lange Warte- und Aufenthaltszeiten, das Gefühl, „abgetrennt“ von der direkten Umgebung zu sein – wichtige Risikofaktoren für das Auftreten und für die Verschlimmerung psychischen Missbehagens und der Elemente dar, die jeden Entwicklungs- und Fürsorgeprozess bedingen.
Der Bericht unterstreicht zudem die Schlüsselelemente eines alternativen Modells der Aufnahme, das dezentralisiert ist und in mittleren bis kleinen Einrichtungen aufgebaut ist, die auf uniforme Art und Weise in allen Provinzen verteilt sind und angemessen kontrolliert werden. Ein solches Modell würde tatsächlich den Aufbau von Pfaden der Unabhängigkeit und der Einwohnerschaft zulassen, die auf den Verhältnissen zum sozialen Kontext und zur Versorgung (sanitär, psychologisch, sozial und rechtlich) der Umgebung aufbauen, um darüber hinaus noch die Identifikation und die Assistenz der verletzlichsten Subjekte zu begünstigen.

Lies den BERICHT!
Pressebüro – 3343929765 / 0697844892 info@mediciperidirittiumani.org

* CARA: Centro di accoglienza per richiedenti asilo: Aufnahmezentrum für Asylsuchende
** Mafia Capitale: mehrjähriger Korruptionsskandal der öffentlichen Verwaltung in Rom, der sich im Mai diesen Jahres mit Ermittlungen und Festnahmen von 42 Persönlichkeiten aus der Politik
fortgesetzt hat.

Aus dem Italienischen übersetzt von: Alina Maggiore