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Montag, 17. November 2014

In Scicli öffnet das Aufnahmezentrum 'Mediterranean Hope': Streitereien, Eingaben und Proteste gegen denjenigen, der versucht, in der Region etwas auf den Weg zu bringen

Die Nachricht von der Eröffnung des Zentrums „Mediterranean Hope. Haus der Kulturen“ in Scicli, geleitet von der örtlichen methodistischen Kirche und unterstützt von der Vereinigung der evangelischen Kirchen Italiens, stammt von Ende Oktober.
Die zukünftigen Träger und die zahlreichen Informationsflyer beschreiben in ausreichend genauer Weise das neue Zentrum. Es handelt sich um ein mehrstöckiges Haus, das in der zentralen Via Mazzini gelegen ist. Es wird in den oberen Stockwerken Familien aus Scicli, die von der Krise gebeutelt sind, Asylsuchende und politische Flüchtlinge in Absprache mit der Präfektur beherbergen. Das Erdgeschoss ist vorgesehen für unterschiedliche Aktivitäten der Solidarität und der Integration.

Dazu gehören: Eine interkulturelle Mensa, eine Ausgabestelle von Lebensmittel für weniger Betuchte, seien es Italiener oder Ausländer, die Verkaufsförderung von Produkten lokaler Landwirte, die in Schwierigkeiten stecken, Schalter mit sozialen Informationen bezüglich der Wohnungspolitik und der Bürgerschaft und ein Behandlungsraum für einen ehrenamtlichen Arzt, mit der Idee, auch eine ehrenamtlichen Zahnarzt einzuführen. Verschiedenartige und mannigfaltige Projekte also, die die zentrale Idee der Solidarität und Integration unter den unterschiedlichen Bewohnern der Gegend aufrechterhalten. Das Projekt wird insgesamt finanziert durch die 8/1000 (Kulturabgabe der Steuerzahler,rg), die den evangelischen Kirchen und der methodistischen Kirche zugedacht sind.
Aber dieser Versuch der Eröffnung in der Gegend und der Versuch, jegliche äußere und innere Grenze im Land im Namen einer gegenseitigen Hilfe einzureißen, hat sofort Polemiken und blamable rassistische Reaktionen bei einem Teil der örtlichen Bevölkerung ausgelöst. Fremdenfeindliche Sprüche auf den Mauern der Stadt, kommuniziert von den politischen Bewegungen in Scicli, unter ihnen NovaLex (Neues Gesetz), protestieren gegen die Öffnung des Zentrums, weil sie die Ankunft tausender von Migranten befürchten. Sie beklagen die mangelnde Klarheit der Methodisten in der Verwaltung der Finanzierung. Vor allem stellen sie das Haus der Kulturen als eine weitere Dienstleistung zugunsten der Nicht-EU-Bürger dar, die Gelder und Energien von Aktivitäten umleitet, die eigentlich für die Bürger von Scicli vorgesehen sind und diesen zustehen. Diesen Erklärungen aus der letzten Oktoberwoche folgte eine Unterschriftensammlung, nach der sich fast 700 Bürger Sciclis gegen die Öffnung des Zentrums gestellt haben, eine wirklich alarmierende Tatsache. Das hat die Methodisten dazu bewegt, eine Pressekonferenz und ein öffentliches Treffen auszurichten, um ihre eigenen Positionen zu erklären.
http://riforma.it/it/articolo/2014/11/04/scicli-il-centro-di-mediterranean-hope-risponde-alle-contestazioni
Besorgnis über die Ankunft von hunderten „von Migranten und Arabern, die darauf warten nach Italien aufzubrechen“, totale Transparenz im Blick auf die Finanzierung des Projektes angesichts des wachsenden „Geschäftes mit der Aufnahme“, das sich in diesen Monaten rund um die Öffnung der Aufnahmezentren entwickelt hat. Das waren einige der Forderungen, die von den Bürgern, die gegen die Öffnung des Hauses sind, vorgebracht wurden. Auf diese Erklärungen haben die Verantwortlichen von Mediterranean Hope und andere Bürger, die auf der Pressekonferenz anwesend waren, geantwortet und ihr eigenes Vorhaben der Solidarität und die Quelle ihrer Finanzierung erklärt. Sie haben versucht, die Anwesenden über die wahren Gründe der Flucht der Migranten wie Krieg, Verfolgung, Gewalt und Armut zu informieren, die ihre Aufnahme unabdingbar machen; und sie haben daran erinnert, wie „die Arme der Migranten“ es unserer Gesellschaft oft behaglich machen, in der Formen der Sklaverei und der Ausbeutung zu oft vergessen werden. Zu den Bürgern von Scicli, die von der neuen Einrichtung begeistert sind und die vor allem bereit sind, das Projekt kennenzulernen, gehören auch etliche Studenten des Instituts Q.Cataudella, die zusammen mit anderen Vereinigungen und Bürgern eine Demonstration der Solidarität für den Morgen des 8.November organisiert haben. Die nachfolgende Versammlung des Instituts haben sie der Auseinandersetzung mit Vertretern örtlicher Vereinigungen über das Thema Immigration gewidmet. Junge Studenten und Professoren, die Informationen und Dialog mit dem gesucht und eingefordert haben, der ihnen eine historische Erklärung des Phänomens Migration und ein Bild der aktuellen Situation auf Sizilien geben kann, um über die Verallgemeinerungen und intoleranten Sprüche hinauszugehen, die lediglich zum Ausschluss führen.
In einem traurigen aber fortgesetzten verbalen Schlagabtausch auf der Straße und in den Printmedien setzte sich dagegen die Polemik und harsche Kritik der Gegner fort,
http://www.ragusah24.it/2014/11/07/centro-accoglienza-scicli-giannone-controparte-dei-neofascisti-preside
während Forza Nuova (Neue Kraft) für denselben Abend, Samstag, den 8.November, eine Pressekonferenz mit der Anwesenheit des nationalen Koordinators Fiore organisiert hat, und ein „klare Gegnerschaft“ für das Aufnahmezentrum erklärt
http://www.ragusah24.it/2014/11/09/forza-nuova-contestata-scicli-restiamo-contrari-centro-accoglienza
Von heute dagegen stammt der Vorschlag, der von verschiedenen Vereinigungen von Händlern und überbetrieblichen Verbänden, angefangen bei der Confesercenti bis hin zur Confocomercio und weiter zur CNA, Confagricoltura und Coldieretti, ausgebrütet wurde. Sie drängen auf die Öffnung des Hauses der Kulturen weit entfernt vom historischen Zentrum und haben als mögliche alternative Örtlichkeit just ein Pavillon im Innern des Krankenhauses Busacca ausgemacht.
http://ragusa.gds.it/2014/11/15/scicli-la-proposta-il-busacca-come-centro-per-i-migranti_262667
Eine tägliche Abfolge von Diskussionen mit entschieden besorgten Tönen, die neue Mauern aufrichten und offenbaren, wie schwer es ist, dem zentralen Punkt der Frage zu begegnen: Der Angst, die historische Realität, in der wir leben, kennen zu lernen und sie sich bewusst zu machen; der Mühe, die es bereitet, sich mit Ideen und Personen auseinanderzusetzen und sich ihnen zu öffnen, die man nur als Bedrohung erlebt und nicht als Unterstützung beim Aufbau einer anderen und besseren Gesellschaft.

Lucia Borghi
Borderline Sizilien

Aus dem Italienischen von Rainer Grüber