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Mittwoch, 20. August 2014

Augusta, langwierige Anlandung zwischen den Lichtern des Hafen

Das Schiff „San Giusto“ der italienische Marine, welches oft in Rettungsoperationen im Rahmen von Mare Nostrum involviert ist, thront im Hafen von Augusta. Dieses Mal wird die Anlandung aber nicht durch die Marine koordiniert, sondern von der Küstenwache, die das Umschiffen von 179 Migranten organisieren muss, die in den letzten Stunden in internationalen Gewässern von einem Containerschiff unter englischer Flagge gerettet worden sind.
Die Ankunft im Hafen ist für circa 18:30 vorgesehen, von der Mole kann man das Handelsschiff schon in der Ferne sehen. Um das Schiff sieht man einige Schiffe der Küstenwache, die bereit sind die Flüchtlinge auf das Schlepperboot umzuschiffen, welches sie an Land bringen soll.

Auf der Mole sind die zwei Krankenwagen des Roten Kreuzes geparkt, sowie einige Autos der Polizei und der carabinieri, während das Erstehilfe-Zelt des Zivilschutzes der Kommune von Augusta etwa zweihundert Meter vom dem Ort, wo die Anlandung stattfinden wird, steht. Es befinden sich wenige duzend Menschen über das Hafengelände verstreut: zwei Ärzte von Ärzte ohne Grenzen, die seit einigen Wochen im Hafen von Augusta und Pozzallo präsent sind, ein Arzt vom ASP (örtlicher Gesundheitsdienst), zwei Kulturvermittler von Save the Children und Praesidium (Anwaltsvereinigung), zusammengesetzt von Mitarbeitern von IOM und UNHCR. Da man die Manöver der Schiffe nur in der Ferne erahnen kann, ist es schwierig zu verstehen, wie weit die Operation fortgeschritten ist, deshalb versuche ich Informationen vom Zivilschutz und von der Küstenwache zu bekommen: Es handelt sich um 179 syrische Staatsbürger, von denen etwa 30 Minderjährige sind. Es war auch eine im sechsten Monat schwangere Frau an Bord, die über Schmerzen klagt und deshalb direkt in das Hafenbecken gegenüber des Hafens gebracht wurde, wo sie von einem Krankenwagen empfangen für eine erste medizinische Untersuchung empfangen wurde. Alle anderen Flüchtlinge  wurden noch an Bord des Schiffes einer ersten Phase der Identifizierung und Gesundheitskontrolle unterzogen. Ich bekommene keine sicheren Informationen dazu, wo die Syrer hingebracht werden, aber plausibler Weise werden sie zwischen den Aufnahmezentren „Umberto I“ und „Villa Giardino“ in Syrakus verteilt, während andere, etwa siebzig, nach Agrigent gebracht werden könnten.
Nach etwa zwei Stunden des Wartens, trifft das Schlepperboot der Küstenwache, unter Beifall und Erleichterungsrufen der Migranten, an der Mole ein. Man bemerkt sofort das Vorherrschen von Familien, so wie es bei Ankünften von syrischen Bürgerkriegsflüchtlingen üblich ist. Der Großteil der Kinder an Bord ist nicht älter als vier Jahre. Das von Bord gehen geschieht zügig, die Freiwilligen des Roten Kreuzes passen darauf auf, dass die  Familien zusammen bleiben, einige Frauen sind erschöpft und nur unter Anstrengung halten sie sich auf den Beinen. „Wir waren sieben Tagen auf dem Meer, es war grausam aber wir danken jetzt dem Himmel“, erklärt mir eine junge syrisch-palästinensische Frau, die 3.000 US Dollar gezahlt hat, um Italien zu erreichen.
Ich folge der Gruppe der eben Angekommenen bis zum Zelt des Zivilschutzes, wo Getränke und Brötchen verteilt werden, und unterhalte mich kurz mit einem Syrer. „Wir sind von der Türkei aus losgefahren, das Boot war klein und überfüllt mit Menschen. Als wir in internationalen Gewässern zwischen Ägypten und Griechenland angekommen sind, konnten wir nicht mehr weiterfahren. Wir haben die italienische Küstenwache angerufen, die den Notruf sofort an das englische Handelsschiff weitergeleitet hat. Wir waren eine Woche auf dem Meer ohne Essen noch Wasser. Ich habe alles, was ich in Syrien hatte, verkauft, um diese Reise bezahlen zu können, aber ich würde es wieder machen, denn aus dem Krieg gibt es sonst kein Entkommen. Alle wollen fliehen.“
Er zeigt mir einige Photos der Reise, die ihn und seinen Freund dicht gedrängt auf nur wenig Platz zeigen. Er sagt mir, dass er jetzt gerade nicht weiß, wo er hingehen wird, aber er sagt es mit Licht in seinen Augen, denn heute Nacht muss er wenigstens keine Angst vor den Bomben haben.

Beatrice Gornati
Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Lisa Groß