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Dienstag, 1. Juli 2014

Vom Flüchtlingsboot in die erste Mannschaft: für Lamin, Louie und Sadibou wird ein Traum wahr

Redattore Socialevon Giorgio Ruta
Modica (RG) - Die Nächte auf jenem Kahn, der sie von Tripoli nach Augusta brachte, sind weit weg. Lamin und Louie, 16 Jahre, und Sadibou, 15 Jahre, können es kaum glauben: Im Februar gingen sie auf Sizilien an Land und in einem Monat werden sie das Trikot einer Fußballmannschaft tragen: Modica A.S.D., ein exzellenter Verein, hat sie für die erste Mannschaft verpflichtet. Sie kommen aus Gambia, mit Ausnahme von Louie, der aus Burkina Faso kommt, und sie schauen so, als lebten sie einen Tagtraum.

Sie waren zu hundert auf jenem Kahn, viele von ihnen waren Minderjährige. Tausend Dollar hatten sie dafür gezahlt, mitfahren zu können, und nach zwei Tagen wurden sie von einem Schiff der Marine abgefangen, das sie in den Hafen von Augusta brachte. Heute leben sie zu zehnt vor den Toren Modicas in einem Haus, umgeben von Johannisbrot- und Olivenbäumen. Die Jungen schwatzen im Salon, der weiße Wände und rote Sofas hat. Sie lernen Italienisch und sobald sie Zeit haben gehen sie raus und spielen auf einem Platz vor dem Gebäude Fußball.
Auf diesem improvisierten Trainingsplatz hat sie Peppe Ragona entdeckt: „Sie haben mich beeindruckt, sie sind wirklich gut. Daher habe ich den Präsidenten von Modica Calcio, Pietro Bellina, angerufen und wir haben ein Freundschaftsspiel organisiert.“ Alle zehn von ihnen standen auf dem Feld. Sie opferten sich auf als sei es das Finale einer Weltmeisterschaft und die Beobachter bemerkten dies. Am Ende des Wettstreits entschied der Präsident: „Lamin, Louie und Sadibou spielen in der ersten Mannschaft, die anderen in der Jugend“. Sie konnten es nicht glauben - vom Flüchtlingsboot aufs Fußballfeld innerhalb von wenigen Monaten. Lamin, Innenverteidiger, starke Physis und sauberes Spiel; Louie, zentrales Mittelfeld, intelligente Ballverteilung; Sadibou, sehr schneller Flügelspieler im Angriff. Sie sind bereit, auf’s Feld zu ziehen: Am 17.Juli nehmen sie das Training auf.

Lamin, der ein Italientrikot und einen kleinen Brillanten im linken Ohr trägt, ist der Anführer der Truppe: Er ist charismatisch und beherrscht das Italienische ausgezeichnet. „Nennt mich Virgilio, das ist mein neuer Name“, sagt er, als er sich vorstellt. Die Helfer hatten ihn so getauft, als er in Italien ankam. Er ist Milan Fan, sein Idol ist Nesta. „Ich bin im vergangenen Oktober aus Gambia geflohen, weil meine Familie und ich verfolgt wurden, ich landete im Gefängnis. Meine Mutter hat ein Video gegen den Präsidenten bei Youtube hochgeladen, und ihm hat es gar nicht gefallen“, erzählt er während er uns auf seinem Handy das Video zeigt. „Dies ist meine große Chance, ich bereue es gar nicht, mein Land verlassen zu haben. Ich glaube an mich und weiß, dass ich mir meinen Traum, in der Serie A zu spielen, erfüllen kann, vielleicht sogar bei Milan, wie Nesta“, lächelt er.

Der Künstler Francesco Lucifora aus Modica hat ihre Geschichte anhand einer Installation erzählt, die großen Erfolg hatte. In einem Raum hat er auf der einen Seite Fotos der Jungen mit nackten Oberkörpern aufgehängt und auf der gegenüber liegenden Seite Fotos, auf denen sie das Trikot von Modica tragen. An die Decke hat er ein Video projiziert mit ihren Füßen am Strand, die Reise. Im Hintergrund ist das Rauschen der Wellen zu hören. „Ich habe ihren Weg von Afrika aufs Fußballfeld erzählt, weil ich das Phänomen der Migration aus einer hoffnungsvollen Perspektive sehen wollte. Dies ist eine Geschichte, die einen zum Lächeln bringt, neben den vielen Geschichten der Hoffnungslosigkeit“. Francesco und die Jungen sind Freunde geworden, sie nennen ihn Ciccio, nachdem sie viel Zeit miteinander verbracht haben: „Sie sind voller Leben, wir können uns nicht einmal vorstellen, was sie durchgemacht haben, um hier anzukommen“ gibt Lucifora zu bedenken. Als sie das Werk sahen, blieben sie mit offenem Mund davor stehen: „Wir waren sehr berührt“ sagen die Jungen.
Virgilio sitzt auf dem Sofa und zählt die Tage, die sie von der ersten Trainingseinheit im rotblauen Trikot von Modica trennen. „Ich kann es kaum erwarten, mein Leben ist der Fußball“.

Aus dem Italienischen von Sophie Mürmann