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Dienstag, 3. Juni 2014

Einwanderer flüchten aus dem Aufnahmezentrum Comiso und werden von selbsternannten Taxifahrern ausgenommen

Wenn das Erstaufnahmezentrum in Pozzallo überfüllt ist, wird ein Teil der Flüchtlinge in einem ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb in der Provinz Ragusa untergebracht. Doch in diesem Provisorium gibt es nichts. Bis in die nächste Ortschaft sind es fünf Kilometer. Die Flüchtinge gehen dorthin zu Fuss oder bezahlen völlig überrissene Preise, um von einem Auto mitgenommen zu werden.

PALERMO – Wenn das Erstaufnahmezentrum Pozzallo (Provinz Ragusa) überfüllt oder am Limit ist, wird ein grosser Teil der Flüchtlinge, die im Rahmen der Aktion Mare Nostrum geborgen wurden, in den ehemaligen Landwirtschaftsbetrieb Don Pietro in Comiso gebracht. Der Betrieb ist für die Aufnahme von Flüchtlingen nicht ausgestattet und ein reiner Notbehelf. Im folgenden geht es um die Bedingungen der Unterbringung im Don Pietro, wo zur Zeit 115 erwachsene Flüchtlinge und 24 Kinder leben.


Es ist geplant, die Anzahl der im Zentrum Comiso untergebrachten Flüchtlinge noch zu erhöhen. Im Moment sind dort vor allem syrische Familien, die vor dem Krieg geflohen sind. „Eigentlich müsste ihnen sofort der Flüchtlingsstatus zugestanden werden und sie müssten aus humanitären Gründen aufgenommen werden“, erklärt Elio Tozzi, von Borderline Sizilien. Das Behelfszentrum in Comiso wird von der Kooperative San Domenico Savio betrieben, die auch das Erstaufnahmezentrum in Pozzallo betreibt. Die Flüchtlinge können das Zentrum Comiso verlassen und suchen meist nach wenigen Tagen die nächste Ortschaft auf, die fünf Kilometer entfernt liegt. Sie müssen dorthin zu Fuss gehen oder selbsternannten Taxifahrern überrissene Preise bezahlen, um mitgenommen zu werden. 

„Im Behelfszentrum von Comiso werden keinerlei Richtlinien eingehalten und es gibt nur eine absolute Notversorgung ”, erklärt Elio Tozzi. „Wenn das Zentrum nur für kurze Zeit genutzt wird, um mit einer Notsituation zurechtzukommen, mag das angehen. Aber wenn die Missachtung von Standards und Prozeduren zum Dauerzustand wird, wird es kritisch. Notbehelfszentren wie das in Comiso beginnen normal zu werden. Solche Zentren entsprechen nicht den minimalen Standards, die bei der Aufnahme von Flüchtlingen gelten (sollten).“

Das Zentrum bietet nichts. Das Zuweisungssystem funktioniert nach wie vor nicht. Teilweise wurden sogar Minderjährige ohne Begleitung Erwachsener dorthin gebracht. Nach einigen Tagen wurden sie zwar wieder nach Pozzallo zurückgebracht. Das Provisorium in Comiso hat keinerlei juristischen Status und seine Nutzung ist der abermalige Beweis für ein nicht funktionierendes Aufnahmesystem. „Nach Comiso bringen sie oft Syrer oder andere Flüchtlinge, bei denen man davon ausgeht, dass sie sowieso irgendwo andershin wollen“, erzählt Tozzi. Man bringt die Leute nach Comiso, weil man annimmt, dass sie sowieso bald abhauen werden. Wenn das in Comiso passiert, wird kaum jemand davon Notiz nehmen. Wenn Menschen aus Pozzallo abhauen, wird es von den Medien eher wahrgenommen. In Comiso bekommt keiner mit, was passiert.“
 
Auf der Strasse nach Comiso liegt bei Canicarao ein anderes Gebäude aus dem 18. Jahrhundert: der Palazzo Trigona di Canicarao. Die Anlage gehört der Diözese von Ragusa und wurde der Stiftung San Giovanni Battista anvertraut, die dort die Sprar-Projekte „Familie der Freundschaft“ in Ragusa betreibt. Von diesem Projekt werden ausschliesslich Kleinfamilien betreut. Ein Projekt in Comiso mit Namen „Zum Nächsten werden“ kümmert sich um besonders hilfsbedürftige Flüchtlinge. Am Eingang des Gebäudes hängt zwar noch das Schild “Agrotourismus Torre von Canicarao“. Doch seit Sommer 2013 werden die Gebäude als Ableger der zwei Sprar-Projekte genutzt. Im Juli 2013 hat die Stiftung San Giovanni Battista sich bereit erklärt, eine grössere Anzahl von Flüchtlingen, die internationalen Schutz beantragt haben, zu betreuen. Die Flüchtlinge sind in den Gebäuden des Palazzo Trigona untergebracht.

Vielen wurde humanitärer Schutz zugesprochen, während nur wenige einen subsidiären Schutzstatus erhalten haben.

„Als wir das Zentrum besucht haben, wurde uns gezeigt, dass sich die Cooperative Rel-Azioni vor allem um Alphabetisierung kümmert, die Flüchtlinge zur Präfektur begleitet und dass sie auch medizinisch versorgt werden. Die medizinische Betreuung ist vor allem dem Engagement eines Arztes zu verdanken, der den Flüchtlingen ehrenamtlich hilft.“

„Wir haben die verschiedenen Räumlichkeiten besucht, die natürlich alt und feucht sind, aber in gutem Zustand. Die Wohnräume sind dank der vorherigen Nutzung als Hotelzimmer grosszügig und in gutem Zustand. Vor allem gibt es eine ausreichende Anzahl von Duschen und Toiletten“, sagt Tozzi.  

„Ausserdem haben sie uns ein Zimmer gezeigt, in dem die Flüchtlinge eine kleine Moschee einrichten durften. Die Betreuung in diesem Zentrum erscheint uns angebracht und entspricht einer würdigen Unterbringung. Es gibt Pläne, die alten Ställe beim Palazzo umzubauen und dort vor allem eine Gemeinschaftsküche einzurichten. Das würde den Flüchtlingen erlauben, selbst zu kochen und von der fremdbestimmten Versorgung mit fertigem Essen wegzukommen.

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Aus dem Italienischen von Anita Merkt