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Donnerstag, 22. Mai 2014

Die Situation in der Provinz Trapani: Mehr als ein Protest am Tag

2700 Einwanderer
27 Notaufnahmezentren
1 Zentrum für Asylbewerber
1 Abschiebezentrum

Mehr als ein Protest am Tag. Jeden Tag Leute, die fliehen – oder wie die Präfektur sagt, „sich freiwillig entfernen“. Wartezeiten von mehr als einem Jahr für eine Anhörung durch die Kommission. Schwierigkeiten jeder Art für Menschen, die übers Meer kommen und dabei ihr Leben riskieren. Das sind nur ein paar Zahlen zur „Empfangs“situation in Trapani.
Die Situation verschlimmert sich. Die Präfektur hat zur Zeit so viele Schwierigkeiten, dass die zuständigen Stellen von Verwirrung bei den Institutionen sprechen, die die Oberhoheit über die Verlegungen und Zuweisungen haben. 


Wir konnten herausfinden, dass bei den Zuweisungen tatsächlich etwas nicht funktioniert hat, und wir haben festgestellt, dass die Präfekturen (und nicht nur die von Trapani) sich zur Zeit damit schwertun, mit den Organisationen zusammenzuarbeiten, die eine unabhängige Beobachtung gewährleisten. 

Es ist klar, dass eine Kontrolle über die Zentren, die in Rekordzeit und ohne vorhergehende Erfahrung aus dem Boden gestampft worden sind, kaum möglich ist. Es gibt Zentren ohne Mediatoren und in einigen Häusern auch ohne zuständige Person. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir haben im Zentrum Ipab Giovanni XXIII in Marsala am Nachmittag keinen Ansprechpartner gefunden. Sowohl die anwesenden Immigranten wie auch der Pförtner haben uns gesagt, dass nur von Montag bis Freitag morgens jemand da ist. Auch einige unabhängige Organisationen aus Marsala haben uns bestätigt, dass die Immigranten sich selbst überlassen bleiben. In diesem Zentrum gibt es Immigranten, die seit sieben Monaten auf einen Termin bei der Kommission warten. Termine werden für Sommer 2015 vergeben, das heisst, die Neuankömmlinge müssen ein Jahr lang auf einen Termin warten.
Einige der Betreuten beklagen sich darüber, dass es keine vernünftigen Schuhe und keine angemessene Kleidung für sie gibt.

Aktuell steht auch die Zukunft des Zentrums für Asylbewerber von Salinagrande in den Sternen. Der Vertrag mit dem aktuellen Betreiber des Zentrums läuft im August aus. Die Menschen, die zur Zeit in diesem Zentrum untergebracht sind, werden wahrscheinlich in andere Zentren verlegt, damit das aktuelle Asylbewerberzentrum für die Unterbringung von Neuankömmlingen genutzt werden kann. In Trapani gibt es keine Empfangsstruktur, in der die Neuankömmlinge sortiert und verteilt werden (so wie zum Beispiel in Agrigento in der Villa Sikania). Wir überprüfen das und behalten die weiteren Entwicklungen im Auge.

Unterdessen ist die Sporthalle im Asylbewerberzentrum kontinuierlich belegt, weil das Zentrum chronisch überbelegt ist (ungefähr 300 Personen). Ohnehin gibt es schon Probleme, weil die Sporthalle nicht ordentlich unterhalten wird. Die Gemeinde, der das Gebäude gehört, müsste einige Unterhaltsarbeiten ausführen lassen. Angesichts des fehlenden Geldes werden die Arbeiten immer wieder aufgeschoben. Für die Gäste macht das die Situation nicht einfacher.

Wir müssen feststellen, dass so ziemlich überall Chaos herrscht. Eine Entscheidung, die viele Betreiber von Unterkünften empört hat, war der Entschluss, ungefähr 600 Leute aus der Provinz Trapani in das Asylbewerberzentrum von Mineo in der Provinz Catania zu verlegen. Diese waren zuvor in verschiedenen Unterkünften der Provinz Trapani, sie waren bereits registriert und hatten einen Termin für eine Anhörung durch die Kommission in Trapani. Nach der schwer nachvollziehbaren Verlegung in das Megazentrum in der Provinz Catania muss den Betroffenen auch ein neuer Termin für die Anhörung durch die Kommission gegeben werden. Man kann nur hoffen, dass ihnen dabei eine gewisse Priorität eingeräumt wird.
Das eigentlich positive Ergebnis ist, dass bei der Kommission von Trapani jetzt 600 Termine freigeworden sind. Das Polizeipräsidium von Trapani hat bis jetzt jedoch keine Eile gezeigt, die Termine an andere Menschen zu vergeben.

Das Chaos und die Desorganisation, das Fehlen eines durchdachten Projekts, bei dem das Wohlergehen der Menschen im Vordergrund steht, sorgt für beträchtliches Unwohlsein. Es gibt überall Proteste nicht nur wegen der enormen Wartezeiten für eine Anhörung.
In einer Unterkunft von Castelvetrano (Baglio Elia) kam es zu Protesten, weil es keinen Strom und kein Wasser gab. Die Einwanderer wurden daraufhin vorübergehend in ein anderes Zentrum verlegt. Es hat den Anschein, dass das fehlende Geld sich bei den Betreibern der Unterkünfte bemerkbar macht. Besonders die kleineren Betreiber geraten in Schwierigkeiten.

Zu den Zahlen in Trapani müssen wir hinzufügen, dass Mare Nostrum nicht geeignet ist, kleinere Boote mit zehn bis fünfzehn Menschen an Bord auszuspüren. Wenn sie dennoch aufgespürt werden, handelt es sich wahrscheinlich meistens um Boote mit Tunesiern, die dann meist in das erste Flugzeug gesetzt werden, das sie wieder nach Tunis befördert. Wir haben in Bezug auf diese Vermutung allerdings noch keine offizielle Stellungnahme erhalten.

Alberto Biondo
Borderline Sicilia

Aus dem Italienischen von Anita Merkt