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Dienstag, 10. Juni 2014

Aufnahme in Palermo: Nicht einmal Respekt Minderjährigen gegenüber

Die Situation in den Aufnahmezentren ist paradox. Zentren, die für die Erstaufnahme da sein müssten und die sich stattdessen faktisch in Gefängnisse verwandeln, in denen Migranten monatelang eingesperrt sind, ohne dass jemand ihnen Hinweise irgendeiner Art gäbe, erst recht keine Informationen über ihre eigenen Rechte.
In diesen Zentren werden die Menschen ihrer Menschenwürde beraubt, und was noch schwerer wiegt, ist die Anwesenheit von unbegleiteten Minderjährigen, die keiner haben will!


Tatsächlich wurden bis heute keine Schritte unternommen, um zum Beispiel einen Aktionsplan für Minderjährige aufzustellen, die in immer größerer Zahl ankommen, und für die die Kommunen im Hinterland keine Verantwortung übernehmen wollen. Treibende Kraft ist dabei ein ausgewogener Kommunalhaushalt.
Wieder einmal scheint das Aufnahmesystem durch den Gott des Geldes regiert zu werden. Angesichts dessen, dass sich die Kommunen nicht bewegen, hat das Innenministerium einen Fachausschuss mit den verschiedenen institutionellen und nicht institutionellen Akteure einberufen, um zu entscheiden, was zu tun ist. Es gibt Gerüchte, dass das Ministerium beschlossen hat, Erste-Hilfe-Zentren für unbegleitete Minderjährige in ganz Sizilien zu schaffen, mit einer maximalen Kapazität von 100 Minderjährigen.
Außerdem wird klar, dass die Präfektur Palermo die Maßnahmen koordinieren wird (und allgemein die anderen Präfekturen der größeren Städte). Offenbar hat auf rücksichtslose „Jagd aufs Gold“ angefangen: Man sieht Dutzende von Kooperativen, die darum kämpfen, den Zuschlag für die neuen Einrichtungen zu erhalten.

In Sizilien verbreiten sich immer mehr Zentren für unbegleitete Minderjährige, oft unter Umständen, die ans Lächerliche grenzen: Die Trägereinrichtungen sind dabei, Wohnhäuser in Strukturen umzubauen, die auch unbegleitete Minderjährigen aufnehmen können. Dadurch entstehen Probleme, die sich mit denen bereits in vielen Einrichtungen bestehenden überschneiden, wie vor allem Probleme des Zusammenlebens zwischen jungen Italienern und Ausländern, mit voneinander weit entfernten Bedürfnissen und Problemen. Viele Trägereinrichtungen stellen sich – übrigens wegen der Einnahmen – von einem Tag auf den anderen auf die Aufnahme ausländischer Minderjähriger um, ohne irgendeine Vorbereitung. Sie beachten nicht, dass man mit den Problemen derer, die aus einer anderen Kultur und aus Kriegserfahrungen, nicht in der gleichen Weise umgehen kann wie mit einem Kind mit familiären Problemen, die mit Verbrechen oder allgemeiner mit dem sozialen Problem Siziliens zusammen hängen.
Das voraussehbare Ergebnis ist die Flucht der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus diesen Zentren auf der Suche nach älteren Landsmännern, die sich in ihrer Situation um sie kümmern, um eine zweite Chance zu bekommen, mit dem Risiko, in die Hände von üblen Menschen zu geraten.
Das System läuft Allen entgegen und hat nicht einmal Respekt gegenüber Kindern – was dazu führt, dass die Migranten bereits mit Misstrauen ankommen. Es gibt sogar Minderjährige, die sich als Erwachsene ausgeben, aus Angst, in eines dieser Zentren zu kommen. Es gibt Minderjährige, die angeben, von Onkeln oder Verwandten begleitet zu werden, um in der Gruppe zu bleiben.
Und mit der letzten Ankunft in Palermo am vergangenen Montag, dem 9. Juni, von etwa 530 Migranten aus Eritrea haben wir bestätigt bekommen, dass Migranten, die in Sizilien landen, weiter ziehen wollen, ohne auch nur einen Tag zu bleiben. Sie weigern sich sogar zu trinken oder zu essen aus Angst, dass ihnen eine Substanz verabreicht wird, die sie einschlafen lässt!

Das zeigt, dass die Schleuser ein leichtes Spiel haben und dass die europäischen Staaten das Spiel der Schleuser mitspielen. Es gibt Grund zur Annahme (doch wir haben keine Beweise), dass es Absprachen zwischen Staaten und Schleusern gibt, um Geld in der Welt der Einwanderung zu machen. Die 530 Eritreer hätten am Vortag in Trapani landen sollen, also am Sonntag, aber es waren keine Plätze mehr verfügbar. Die weitere Folge der systematischen Desorganisation hat den Präfekten von Trapani gestärkt, ebenso wie den Bürgermeister von Porto Empedocle (Agrigent), als ob sie erst heute bemerkt hätten, dass eine ernsthafte und systematische Planung notwendig gewesen wäre!
Eingeschlossen in einem Laderaum eines Frachtschiffes war das endgültige Ziel schließlich Palermo, wo sie, obwohl müde und erschöpft, die Kraft hatten zu protestieren, zu entkommen und nicht in die Netze unserer falschen Gastfreundschaft zu geraten. Dies gefällt Allen: der Präfekt hat weniger schwierige Aufgaben zu lösen und die Zentren können andere EURO-Migranten aufnehmen, während draußen weiterhin die Menschen auf See sterben, unsichtbar, immer weiter entfernt von unseren Küsten.

Der Krieg gegen die Migranten werden sicherlich wir im Westen gewinnen, der immer für alles vorbereitet ist!

Die Redaktion von Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Johannes Majoros-Danowski