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Dienstag, 8. April 2014

Anlandungen, „Alarm, um „Mare Nostrum“ zu beenden und Zurückweisungen auf den Weg zu bringen“

Redattore Sociale: Den Boden bereiten, um die Operation „Mare Nostrum“ (unser Meer) einzustellen, die auch von anderen europäischen Ländern als ein Instrument zur sicheren Ankunft für die Migranten kritisiert wird, und um eine Politik der Zurückweisungen auf dem Meer wieder aufzunehmen. Nach Christopher Hein, Direktor des CIR (ital. Flüchtlingsrat), sei dies das Ziel der allarmierenden Erklärungen, die gestern von Angelino Alfano abgegeben wurden.
Hein sagte, dass er durch die Worte des Ministers „ernstlich beunruhigt sei“. Während einer Tagung in Palermo hat Alfano tatsächlich erklärt, dass laut Quellen des Ministeriums zwischen 300.000 und 600.000 Personen bereit stünden, sich in Richtung auf unsere Küsten einzuschiffen; und er hat ausdrücklich die Notwendigkeit „der Verteidigung der Grenzen“ durch eine Aufrüstung von Frontex unterstrichen. „Wir sind ernstlich besorgt über die Worte des Ministers“, erklärte Hein. „Wir möchten besser verstehen, was das heißen soll: „Verteidigung der Grenzen“: Heißt das vielleicht, die Menschen, die sich zu unseren Küsten hin eingeschifft haben, abzufangen und sie zurückzuschicken? Wir möchten nicht, dass dies nur ein Weg ist, um den Boden dafür zu bereiten, dass die Operation „Mare Nostrum“ beendet und eine Politik der Zurückweisungen wieder aufgenommen wird. Die Aussagen von gestern“, fügte Hein hinzu, „sind Worte, die nur Panikmache betreiben und in der Öffentlichkeit die Angst vor einer Invasion schüren.“ 
Hein unterstrich auch, dass die vom Minister genannten Zahlen „unwahrscheinlich“ und nicht mit den empirischen Daten abzugleichen sind. In den ersten drei Monaten sind ca. 11 Tausend Personen angekommen, zum größten Teil (ungefähr 70%) Asylsuchende. „Dass das im Vergleich zu den anderen Jahren eine Steigerung darstellt, ist offensichtlich“, fügte Hein hinzu, „ein Strom, der auch in den Wintermonaten konstant blieb, vor allem wegen der Situation in Syrien. Aber man muss bei diesen Zahlen aufmerksam bleiben. Sie finden durch die Daten, die wir über die Ankünfte haben, keine Bestätigung. Es ist besser, an ein reales Niveau der Aufnahme zu denken, das einer Steigerung der angekommenen Asylsuchenden entgegensteht, und auf jeden Fall nicht die Zahlen erreicht, von denen Alfano spricht.
Der Leiter des CIR erinnerte daran, dass schon einige europäische Länder „Mare Nostrum“ kritisiert haben, „weil sich dann viele auf den Weg machen, um von Italien aus andere Länder zu erreichen; aber man kann nicht sicher sagen, dass dies das Motiv der Steigerung der Anlandungen sei“ erklärte er. „Die Hauptmotive sind in der syrischen Krise und in der chaotischen Situation in Libyen zu suchen. Daher muss sich die auswärtige Politik in Bewegung setzen, um die Rechte der Flüchtlinge in den Länder Nordafrikas zu stärken anstatt daran zu denken, ein Instrument zurückzufahren, durch das in den vergangenen Monaten Tragödien auf dem Meer vermieden wurden.“ Die Operation der Marine ist „notwendig“ fügte er hinzu, „solange es keinen legalen Weg gibt, nach Europa zu kommen.
Es darf tatsächlich nicht normal sein, darauf zu erwarten, dass sich Menschen bei Schleusern einschiffen, um zu handeln. Es ist klar, dass die Operation „Mare Nostrum“ nicht die Lösung ist. Sie ist immer ein Eingreifen bedingt durch den Notstand. Dennoch wird sie gestärkt durch die Unterstützung der EU. Man kann nicht kehrtmachen und die Grenzen schließen vor Menschen, die aus Ländern, die sich im Krieg befinden, weggelaufen sind.“

Die anderen Reaktionen. „Panikmache hilft nicht; man muss vielmehr über einen einheitlichen Plan zur Aufnahme nachdenken.“ So kommentiert Carlotta Sami, Sprecherin des UNHCR für Südeuropa, die Worte des Innenministers Angelino Alfano. Für das Hochkommissariat für Flüchtlinge der UNO „kann man nicht von einem Notstand sprechen, weil es sich um eine wohlbekannte Situation handelt. Daher ist es jetzt an der Zeit, einen wirklich einheitlichen Plan zur Aufnahme in die Tat umzusetzen. Diesen Plan gibt es in Italien noch nicht.“

Für Monsignore Giancarlo Perego, Generaldirektor der Stiftung Migrantes: „Wer sich über diese Zahlen wundert, zeigt damit, dass er die Geschichte nicht kennt und träumt davon, dass sich ausgebeutete, verarmte Länder, im Hunger, im Krieg nicht auf den Weg machen. Oder er vergisst, dass Afrika in den vergangenen dreißig Jahren von einer Milliarde auf zwei Milliarden Menschen angewachsen ist: Junge Menschen, Familien, die sich, weil sie in Armut leben, auf den Weg machen werden.“

Die Caritas Ambrosiana lässt durch ihren Direktor Don Roberto Davanzo feststellen: „Die Zahlen sind beunruhigend. Wir haben keine Hilfsmittel zu sagen, dass es zu viele oder zu wenige sind. Der Appell des Ministers Alfano kann die Möglichkeit bieten, sich weniger unvorbereitet treffen zu lassen, nicht immer in der Begrifflichkeit von Notstand zu räsonieren.“

Härter und deutlicher die ASGI, nach der die Worte Alfanos „einer der besten Strategien aus der Fabrik der Angst entsprechen: Man suggeriert der öffentlichen Meinung die Invasion, statt von der Tatsache zu sprechen, dass es die öffentlichen Behörden sind, die das Problem nicht in Angriff nehmen. Wir sind damit beim ideologischen Gebrauch des Notstands angekommen, jetzt ist es klar.“
Auf RS Agenzia giornalistica gibt es die kompletten Zusammenfassungen der Reaktionen von Verbänden auf die Worte des Innenministers Angelino Alfano.

Aus dem Italienischen von Rainer Grüber