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Donnerstag, 31. Oktober 2013

Diebstahl bei der Rettung von Flüchtlingen

"Wir wurden auf dem Militärschiff bestohlen", der Krimi über den Diebstahl an syrischen Flüchtlingen. Nach Rettungsaktion verschwindet Geld und Schmuck. Zwei Ermittlungsverfahren wurden eröffnet. Dreißig Flüchtlinge erstatten Anzeige: "Über einhunderttausend Euro sind verschwunden bzw. wurden gestohlen."


Repubblica – Ihre Zukunft, sorgsam aufbewahrt in Umschlägen und in eng am Körper getragenen Bauchtaschen wurde ihnen auf dem Schiff, das sie gerettet hat, abgenommen. Dollars und einiger Familienschmuck, das Wenige, auf das zählten, um sich ein neues Leben in Europa aufzubauen. Aber das Militärschiff Chimera der italienischen Militärmarine verließen sie mit leeren Händen oder fast mit leeren Händen, die Tüten mit ihrem kleinen „Schatz“ wurden sauber aufgeschnitten und geleert, andere verschwanden ganz. Wer sich in der Nacht vom 25. auf den 26. Oktober an den Umschlägen vergangen hat, in denen sich die Habe von 95 Flüchtlingen befand, die im Kanal von Sizilien gerettet worden waren, hat sich mit Bargeld und Schmuck im Wert von mehr als einhunderttausend Euro bereichert.


Das zumindest behaupten die Geflüchteten, fast alles Syrer, die, kaum waren sie im Hafen von Empedokle angekommen, sofort zum Polizeipräsidium gebracht werden wollten. Die Flüchtlinge haben ungefähr 30 Anzeigen wegen Diebstahl erstattet, es wurden zwei Ermittlungsverfahren eingeleitet, eine von der Staatsanwaltschaft von Agrigent, die andere von der Militärstaatsanwaltschaft.

Bestohlen von denen, die sie gerettet haben, von denjenigen, die sich – wie so viele Aktionen in diesen Tagen gezeigt haben - mit Opferbereitschaft und Mut ins Meer gestürzt haben, um Frauen und Kinder zu retten? Das scheint unvorstellbar, aber so behaupten es die Migranten in den beim polizeilichen Einsatzdienst unterschriebenen Protokollen. Anzeigen voller Details, die die Staatsanwaltschaft veranlasst haben, an Bord der Corvetta eine Durchsuchung vorzunehmen. 

Das Schiff hatte jedoch in der Zwischenzeit Porto Empedokle wieder verlassen, um im Zusammenhang mit der Operation „mare nostrum“ die Patrouilleaufgaben im Kanal von Sizilien wieder aufzunehmen. Als die Ermittler am nächsten Tag an Bord des Schiffes gingen, das zur Militärbasis in Augusta zurückgekehrt war, fand sich von dem verschwundenen Geld oder Schmuck keine Spur.

Aber die Vermutung einer Straftat bleibt bestehen und die Anzeigen der Migranten werden jetzt von der Staatsanwaltschaft von Agrigento unter der Leitung des Staatsanwalts Renato Di Natale und des Militärstaatsanwalts Napoli Lucio Molinari geprüft. „Als sie uns an Bord aufgenommen haben und nachdem sie uns Hilfe geleistet und uns aufgewärmt hatten – erzählte einer der Flüchtlinge – haben uns die Militärs durchsucht und mit Metalldetektoren abgetastet. 

Sie baten uns, das abzugeben, was wir bei uns trugen, wir würden es nach der Ausschiffung wieder bekommen. Für jeden von uns gab es eine nummerierte Tüte.  Aber als wir von Bord des Schiffes gingen, war meine Tüte wie viele andere aufgeschnitten und fast alle Dollars und einige kleine Gegenstände aus Gold waren daraus entnommen“. Von 3000 bis 5000 Dollar pro Kopf plus Ketten, Armreifen und Ringe. Soviel konnten die syrischen Flüchtlinge, die fast immer einer höheren sozialen Schicht angehören, eigenen Angaben nach, mitnehmen.

Die Rettungsaktion, die im Zentrum der Ermittlungen steht, geschah am Abend des 25. Oktober, dreißig Meilen südwestlich von Lampedusa. Es ist einer dieser Abende in fortgesetzter Notsituation.  Das Boot der Syrer war abdriftet, an Bord machen sich  die  Menschen mit den Armen bemerkbar und rufen um Hilfe, alle sind ohne Rettungsweste. Es sind 95 Menschen, 48 Männer, 22 Frauen und 25 Kinder. Das Meer ist ruhig, alle werden an Bord der Corvetta Chimera aufgenommen, aufgewärmt und gestärkt.

Dann wird jeder nach seinen persönlichen Daten gefragt und darum gebeten, Geld und persönliche Gegenstände abzugeben. Das Schiff fährt nach Porto Empedokle, wo die Migranten dann am späten Samstagvormittag von Bord gehen. Fast alle Menschen wollen ihr Hab und Gut vor ihrer Ausschiffung zurückhaben. Einige sagen, dass ihre Tüten aufgeschnitten und geleert worden waren, andere sagen, dass nichts mehr drin war. Es blieb keine Zeit, um zu protestieren. Die Flüchtlinge werden unter die Seilkonstruktion geführt, während das Militärschiff wieder aufs Meer fährt. Am nächsten Tag verläuft die Durchsuchung ohne Ergebnis, aber seit dem 25. Oktober war das die letzte Rettungsaktion für die Chimera im Kanal von Sizilien.


(Aus dem Italienischen von Jutta Wohllaib)