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Dienstag, 6. August 2013

Der Fall „Salamis“ – erneuter Versuch, Flüchtlinge nach Libyen zurückzudrängen

In der Nacht vom 4. auf den 5. August hat der unter liberianischer Flagge fahrende Tanker “M/T Salamis“ 102 Migranten 46 Seemeilen vor der libyschen Küste aus einem sinkenden Schlauchboot gerettet. Die Flüchtlinge waren in Richtung Europa, die „Salamis“ Richtung Malta unterwegs. Der griechische Kapitän hatte die Order zu Rettung von der römischen Seenotrettungszentrale erhalten und ist seiner Aufgabe unweigerlich nachgekommen, so wie es die internationalen Konventionen vorsehen.


Die SAR-Konvention (Search and Rescue) bestimmt, dass Flüchtlinge in einen sicheren Hafen zu bringen sind. Hierbei wird nicht definiert, dass das der geografisch nächste Hafen sein muss, sondern ein SICHERER Hafen. Der Kapitän der „Salamis“ hat entschieden, dass Tripolis kein sicherer Hafen für Flüchtlinge ist. Doch Malta lässt ihn nicht in den Hafen Einlaufen.

Die EU-Kommissarin für innere Angelegenheiten Cecilia Malström äußerte heute, dass ein Zurücksenden der 102 Flüchtlinge nach Libyen internationales Recht verletzen  würde und drängte Malta dazu, die Flüchtlinge aufzunehmen.

Italien hingegen ist schon im Februar 2012 für seine push backs nach Libyen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden (Fall Hirsi, 24 Flüchtlinge werden 2009 nach Tripolis zurückgebracht und enden in Haftanstalten unter Folter und massiven weiteren Menschenrechtsverletzungen).[1]

Der Fall „Salamis“ folgt denen der „Cap Anamur“ im Jahre 2004 und der „PINAR E“ im Jahre 2009.
Die Externalisierung der Flüchtlingspolitik vor die Tore Europas kostet Menschenleben!
Im Falle der Cap Anamur wurden die Flüchtlinge aus Italien zurückgeschoben und starben z.T. bei weiteren Fluchtversuchen aus Elend und Krieg.


Der türkische Kapitän der PINAR E verbrachte Tage mit den Flüchtlingen auf See, ohne sie versorgen und ohne die Leiche einer jungen Frau, die ihr Leben auf dieser Flucht hat lassen müssen, an Land bringen zu können.


Erst vor wenigen Wochen besuchte –erstmals- ein Papst die Insel Lampedusa und forderte, dass die weltweite Gleichgültigkeit gegenüber den Flüchtlingen auf See endlich aufhören müsse. Gleichzeitig jedoch diskutiert die maltesische Regierung seit Wochen, wie sie Flüchtlinge aufhalten und nach Libyen zurückschieben kann, die italienischen Behörden diskutieren nicht einmal, sie ordern die Zurückschiebung in das Land, aus dem die Flüchtlinge gerade erst geflohen sind, einfach an.

Es müssen endlich legale Einreisewege für Flüchtlinge geschaffen werden! Schutz ist ein Menschrecht! Malta als kleines EU-Land muss mit der Aufnahme von Flüchtlingen entlastet werden. Es kann nicht sein, dass die europäische Migrationspolitik dazu führt, dass Mitgliedstaaten die Aufnahme verweigern und damit Folter und Menschenrechtsverletzungen in einem Land wie Libyen in Kauf nehmen.

Das Sterben auf See muss beendet werden! Die Logik der europäischen Regierungen und der Grenzschutzagentur Frontex, man könne das Sterben beenden, indem man die Flüchtlinge an der Abfahrt hindert, ist nicht zu verstehen, denn Flucht und Migration sind eine globale Bewegung, die nicht einfach mit Militär und Marine aufgehalten werden können.

Schluss mit der Kriminalisierung von Rettern!

Wir unterstützen das Handeln des Kapitäns der „Salamis“, der die von ihm geretteten Flüchtlinge in einen wirklich sicheren Hafen bringen will.

Wir unterstützen die maltesischen NGOs, die die eigene Regierung für ihr Handeln kritisieren.

Wir fordern die sofortige Aufnahme der Flüchtlinge in einem sicheren Staat der EU!


Judith Gleitze
borderline-europe, Menschenrechte ohne Grenzen e.V., Palermo

Kontakt: jg@borderline-europe.de, mail@borderline-europe.de


Hintergrundinformationen
Das gemeinsame Statement von Aditus foundation, JRS Malta, Migrants’ Network for Equality,  SOS Malta, Malta Emigrants’ Commission, KOPIN, Integra Foundation, Foundation for Shelter and Support to Migrants, Organisation for Friendship in Diversity – different social NGOs from Malta: http://tvm.com.mt/news/2013/08/preservation-of-life-should-be-the-topmost-priority-ngos/

Artikel zum Thema:
http://www.maltatoday.com.mt/en/newsdetails/news/national/Malmstrom-urges-Malta-to-receive-stranded-migrants-20130806
http://www.maltatoday.com.mt/en/newsdetails/news/national/Malta-Italy-bide-their-time-as-conditions-on-the-Salamis-worsen-20130805
http://www.timesofmalta.com/articles/view/20130805/local/tanker-carrying-migrants.480832
http://maltatoday.com.mt/en/newsdetails/news/national/Government-warns-Salamis-local-agent-migrants-must-be-taken-back-to-Tripoli-20130805
Zur Situation in Libyen
http://www.hrw.org/news/2013/07/29/dispatches-migrant-deaths-sea-should-stir-europe-s-conscience
http://www.hrw.org/middle-eastn-africa/libya
http://www.amnesty.org/en/region/libya/report-2013#section-85-6
http://www.egyptindependent.com/news/libya-s-sub-saharan-refugees-face-post-conflict-uncertainty
http://hrc-eritrea.org/eritrean-refugees-in-libya/



[1] http://www.amnesty.ch/de/laender/europa-zentralasien/italien/dok/2012/egmr-urteil-bootsfluechtlinge