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Freitag, 29. März 2013

Würde – tunesisches Tagebuch vom Weltsozialforum in Tunis


Die Verschwundenen – 25. März, Avenue Bourguiba
Heute morgen um halb zehn versammeln sich Mütter und Verwandte von auf See vermissten Migranten im Zentrum von Tunis. Um die zwanzig sind es, die die Fotos ihrer Kinder, Brüder hochhalten, die sie seit ihrer Abfahrt nach Italien nicht mehr gesehen haben. Hunderte sind es, die vermisst werden. Aber sind sie wirklich in Italien angekommen, wie ihre Verwandten hoffen? Es steht zu befürchten, dass sie es nicht geschafft haben, auch wenn einige ihre Kinder auf Bildern einiger Nachrichtensendungen im Hafen von Lampedusa erkannt haben. Sie sind sicher, dass es sich um ihre Kinder handelt, doch in den meisten Fällen ist dieses Erkennen eher eine Hoffnung denn eine Sicherheit. Aber wie kann man die Hoffnung verlieren, wenn es keinerlei Sicherheit gibt, dass das eigene Kind tot ist?
Imed Soltani gehörte zu der Delegation von Familienangehörigen, die 2012 nach Italien gekommen war, um Informationen über die Vermissten zu erhalten Doch bis heute haben sie weder von der tunesischen noch von der italienischen Regierung Antworten auf ihre Fragen bekommen. Heute, am Vortag des Beginns des Welt Sozial Forums in Tunis, wollen die Familien einen Appell an die EU-Vertretung in der tunesischen Hauptstadt übergeben. Imed hat in Tunesien eine Vereinigung mit dem Namen “La Terre pour tous – Die Erde für alle” gegründet. Gemeinsam mit der italienisch-tunesischen Frauengruppe “2511” aus Mailand haben sie diesen Appell geschrieben und ihn an die Europäische Union adressiert, damit vielleicht hier endlich jemand an der Findung Wahrheit interessiert ist: “Tunesien, September 2010, Februar, März, April, Mai 2011, September, November 2012, Februar 2013” – das sind die Daten der Abfahrten von Booten, die vielleicht nie angekommen sind…
Im Appell vom 19. März fordern sie von der Europäischen Union:
1)    Die Ortung der Boote, als von diesen die Notrufe während der Reise abgesetzt wurden und den Erhalt aller in diesen Tagen gesammelten technischen Daten und Informationen;
2)    Die namentliche Kontrolle durch unsere Techniker vom Austausch der Informationen über die Fingerabdrücke, zwischen den italienischen und tunesischen Behörden und eine ausgeweitete Kontrolle in europäischen Datenbanken;
3)    Ein technischer Vergleich der Videos, in denen die Eltern ihre eigenen Kinder wiedererkannt haben, mit Fotos der Kinder und die zur Verfügung-Stellung von Archivbildern, die diesen vorangegangen sind und denen, die danach gemacht wurden;
4)    Das Bergen der Körper der auf den Überfahrten Verstorbenen und der Wrackteile.
Nach einer guten Stunde haben sich an die zwanzig Verwandten mit Fotos und Bannern angefunden: “Genug der Tote im Mittelmeer”, “Die Erde gehört allen!”. Bei der Vertretung der EU lässt man zwei Personen als Delegation hinein, sie erklären, worum es ihnen geht.
Doch am Ende bleibt es ungewiss, wer diesen verzweifelten Appell zur Kenntnis nehmen wird.

                                                 Auftaktdemo WSF 26.März in Tunis  



 Sit in 25. März in der Avenue Bourgiuba: