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Donnerstag, 31. Januar 2013

Bericht des Osservatorio gegen Diskriminierung “NOUREDDINE ADNANE”

Bericht des Osservatorio gegen Diskriminierung “NOUREDDINE ADNANE”

Gerechtigkeit für Noureddine und für all die anderen eingewanderten Straßenverkäufer in Palermo. Noureddine Adnane, ein marokkanischer Straßenhändler, begang nach einer Reihe von Kontrollen der Stadtpolizei, die er über sich ergehen lassen musste, am 10.02.2011 in der via Enrico Basile in Palermo Selbstmord, indem er sich anzündete.
In der Untersuchung auf Straftat zur Anstiftung zum Selbstmord waren keine relevanten straferechtlichen Bestandteile zur Belastung der Beamten hervorgegangen, und nach deren Beendigung scheint sich heute auch auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Palermos die Einstellung der Untersuchung bezüglich des Vergehens von Amtsmissbrauch abzuzeichnen. Es ist wirklich schwer zu übersehen, wie Noureddine gleich mehrfach getötet wurde, und dies auch nach seinem Tod:  durch die Ignoranz desjenigen, der  glaubte sich ihm mit einem Anruf bei der Polizei entledigen zu können, durch die Arroganz desjenigen, der die Kontrollen in schikanierender Art und Weise vornahm, durch das Schweigen desjenigen, der gesehen, aber nichts gesagt hat. Auch wenn es sich nicht um strafrechtlich relevante Verantwortung handelt, sind dies doch Fakten, die eine Gemeinschaft nicht weiter ignorieren kann. Nach dem letzten Ersuchen um Einstellung der Untersuchungen im Fall des Amtsmissbrauch und der damit zusammenhängenden Belastung einiger Polizeibeamten, existiert Noureddine für die Bürger Palermos und für die Institutionen nicht mehr. So werden zwischen dem ganzen anderen Papierkram nicht einmal die Protokolle verbleiben, in denen die Stadtpolizisten ihm – obwohl er eine Aufenthaltserlaubnis und einen Gewerbeschein hatte -  immer wieder angeklagt haben, nicht oft genug den Platz zu wechseln, so wie das die Verordung der Kommune vorsieht. Aus diesem Grund gab es eine Serie nicht enden wollender Kontrollen und Beschlagnahmnungen der Ware, die ihn bis zur der Verzweiflungstat sich selbst anzuzünden geführt hatten. Aber von diesen Beschlagnahmungsprotokollen, so scheint es, gibt es bis heute keine Spur. Es scheint keinen Zweifel daran zu geben, dass das Fehlen der Protokolle über die Beschlagnahmnungen nur bedeuten kann, dass sie ohne dazugehörige Protokolle durchgeführt wurden, wie es einige Straßenhändler berichtet hatten, als die Emotionswelle bezüglich des Selbstmordes noch sehr hoch schlug. Man weiß  nicht, ob es noch weitere Untersuchungen des Gerichts zu dieser Thematik gibt und ob diese noch laufen.  Währenddessen sind viele Immigranten, die als Straßenhändler versuchten zu überleben, nun gezwungen wie Sklaven auf dem Land zu arbeiten, um nicht auf den Straßen Palermos Tag für Tag den Verlust ihrer Ware, und oft auch ihrer Freiheit oder ihre Aufenthaltserlaubnis zu riskieren.
Es gibt am Ende also keinen strafrechtlich relevanter Fakt, eine verkohlte Leiche, die nach Marokko verfrachtet wurde, eine Familie in Trauer, ein Kind, das seinen Papa und eine Ehefrau, die ihren Mann nie wieder sehen werden. Aber für die Palermitaner, die Noureddine gekannt haben, und für die Behörden scheint all das, was laut der Protokolle zwischen den Stadtpolizisten und den ausländischen Straßenhändlern  geschehen ist, inzwischen einfach normal zu sein.

Das Osservatorio gegen Diskriminierung “Noureddine Adnane”, seit kurzem als Verein organisiert, wird seine Aktivitäten der Anprangerung von Missständen und der Verteidigung der Menschenrechte für all diejenigen fortsetzten, die, wie auch die ausländischen Straßenhändler, immer wieder dem Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit seitens der italienischen Bevölkerung, aber auch durch die verschiedenen Formen der direkten oder indirekten institutionellen Diskriminierung ausgesetzt sind. Es wird auch von uns abhängen, von uns allen, ob das Opfer  Noureddines ein einfacher Ausdruck von Verzweiflung bleibt oder zu einer Gelegenheit der Befreiung all derjenigen wird, die sich auch heute noch in der selben Situation befinden.