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Donnerstag, 20. Dezember 2012

Ein Schrei aus dem Asylbewerberheim Mineo: “Wir wollen Freiheit, nicht Unterkunft und Verpflegung wie Gefangene”


Von Leone Venticinque für das Bürgerkomittee von Mineo “Solidarisches Calatino” für Davvero
Mit dieser Demonstration sind wir bei insgesamt neun angelangt, seit das Asylbewerberheim Mineo eröffnet wurde. Sind das viele oder wenige? Die immer wiederkehrenden gleichen Gründe für diese Revolten geben sicherlich Anlass zur Vermutung, dass von Seiten der Verantwortlichen nicht genug getan wird, von Seiten derer, die Besseres zu tun haben als sich die legitimen Gründe der Insassen dieser Einrichtung anzuhören. Von Seiten derer, die diese Einrichtung leiten und dafür bezahlt werden die Probleme zu verhindern anstatt danach mit  gebeugtem Rücken diese zu kommentieren, wenn sie auf einmal sichtbar werden und nicht mehr leicht zu verstecken sind.

Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir immer von “Gästen” gesprochen, aber wenn wir genau hinhören was sie zu sagen haben, dann trifft die Bezeichnung “semi-Häftlinge“ wohl eher zu. Denn Häftlinge haben ebenfalls das Recht auf Verpflegung und Unterkunft. Das ändert jedoch nicht die Tatsache, dass sie eingesperrt sind. Hier kriegen die Asylbewerber zwar auch Unterkunft und Verpflegung, jedoch müssen sie Monate oder Jahre auf ihre Freiheit warten und ihr Zustand bleibt ungeklärt bis sie eine Antwort [auf ihre Asylanträge, Anm. der Red.] erhalten, oftmals eine negative. Im Augenblick bleibt ihnen nichts anderes übrig als sich den Aktivitäten  illegaler Banden anzuschließen oder sich zu prostituieren. Vorgewarnt vom Antirassistischen Netzwerk von Catania und als Repräsentant des Bürgerkomittees Mineo “Solidarisches Calatino” bin ich um circa 13 Uhr am Ort der Proteste angelangt, welche eine Stunde zuvor begannen hatten. Erst musste man die polizeilichen Checkpoints durchqueren, welche allen den Zugang verwehrten – vor allem Pressemitgliedern – wegen angeblichen Gefahren und Bedrohungen für die Öffentlichkeit. Unter den hunderten von Demonstranten, die in einer Kolonne auf der Bundesstraße Catania-Gela Richtung Palagonia liefen, habe ich Personen getroffe, die ich bereits davor kennengelernt hatte, entweder bei diversen Rechtsberatungen oder bei anderen besonderen Events wie zum Beispiel der vom Antirassistischen Netzwerk und anderen Personen, die sich für die Menschenrechte einsetzen, im Asylbewerberheim vor kurzem organisierten. Ich konnte mich ohne Probleme in der Kolonne einreihen und mit ihnen mitlaufen. Es gibt ein paar Videos mit Interviews der Demonstranten auf Englisch, die meisten mit verhülltem Gesicht oder anonym, um sich vor eventuellen persönlichen Vergeltungsakten zu schützen.

Nach einigen Kilometern und so manchen Hindernissen auf der Straße, wie zum Beispiel große Steinbrocken, hielt die Prozession an der Kreuzung Ramacca – Palagonia an und teilte sich in Gruppen auf, um die Hauptstraße in beide Richtungen und ebenfalls die Auffahrten zu blockieren. Die Sperrung hielt so lange an, bis verschiedenste Medien und die Presse dort angelangten und die Demonstranten ihre Forderungen stellen konnten. Ich versuchte, meinen Teil beizutragen, indem ich, soweit mögllich, die Konflikte mit den Ordnungshütern aber auch mit den wütenden Auto- und Lastwagenfahrern, die sehr lange auf der Straße blockiert waren, ohne weder vornoch zurück  zu kommen, zu schlichten.
Die Wut der verschiedenen Parteien artete zwar nicht aus, jedoch waren die Demonstranten mit Steinen, Flaschen und Eisenstangen bewaffneund.bereit, sich mit allen Mitteln Gehör zu verschaffen   

Nach vielen Stunden des Protests, am späten Nachmittag, kamen dann die ersten Fernsehjournalisten an, um über das Vorgefallene zu berichten und die Demonstranten zu interviewen. Dies sollte für den Moment diejenigen zufriedenstellen, die schon viel zu lange die institutionelle Gleichgültigkeit und das eigennützige Interesse der Opportunisten ertragen haben, die in jedem Asylbewerber eine Quelle des Geldmachens sehen, die so lange wie möglich beibehalten und ausgenutzt werden muss, denn anderweitig wäre das gesamte Gebiet Calatinos “eine einzige Katastrophe [ohne das Asylbewerberheim]”.
Für die Rechte der Asylbewerber, die wieder einmal ihren Mut bewiesen haben, für ein Territorium, welches es nicht zulässt, als Parasit abgestempelt zu werden, sondern welches dazu bereit ist auf seine eigenen Fähigkeiten zu setzen und von menschenwürdiger Arbeit zu leben und im Namen des Bürgerkomittees von Mineo werde ich weiterhin dazu bereit sein den Willen und die Aktionen des Kampfes der Asylbewerber zu dokumentieren. Ihnen bleibt im Angesicht des totalen Desinteresses seitens der verantwortungslosen Behörden und der skrupellosen Ausbeuterei von großen und kleinen Nutznießern nichts anderes übrig.
Auf dass das Jahr 2013 das Ende des Asylbewerberheimes markieren wird und es ersetzt wird mit wirklichen Anlaufstellen in allen Gemeinden von Calatino mit einer überschaubareren Anzahl im Name der Solidarität und der Integration und auch mit der Hoffnung auf Arbeit für diejenigen, die in diesem Teil von Sizilien wohnen.