„Beenden wir das Blutbad im Mittelmeer“, so der Slogan
der Demonstration am 19. September 2012 in Palermo, initiiert vom ‚Forum Antirazzista di
Palermo’. Ein schwarzer Trauerzug zog Donnerstagnachmittag vom Hafen bis zum
Piazza Ruggero Settimo, direkt vor das Teatro Politeam im Zentrum Palermos.
Imed Kamoun hat seinen Bruder verloren. |
Heute, dem 20. September 2012, fährt Imed Kamoun nach
Agrigento, Südsizilien. Dort spricht er mit der Staatsanwaltschaft, die eine
Untersuchung zu dem Schiffbruch eingeleitet hat. Er fordert, dass auch
weiterhin nach den noch verschwundenen Leichen gesucht wird. Er wird eine
Aussage machen und mit seinen Informationen die Ermittlungen der Polizei unterstützen.
Er möchte Gewissheit: „Lieber möchte ich meinen Bruder beerdigen, als dass er
vermisst bleibt.“
30 Menschen demonstrieren bei 28 Grad
Die Demonstration am 19. September begann um 16.00 Uhr am
Hafen von Palermo. Hier trafen sich Aktivisten und Aktivistinnen des
Antirassistischen Forums, einer Gruppe bestehend aus vielen Vereinen und
Einzelpersonen. Auftakt war eine kurze Pressekonferenz, bei der die lokalen
Fernseh- und Printmedien ebenfalls vor Ort waren. Es wurden einige Interviews
geführt, Bilder gemacht, Videosequenzen gedreht und dann setzte sich der
Menschenzug langsam in Bewegung Richtung Innenstadt. Trotz der circa 28 Grad
protestierten mindestens 30 Menschen, in schwarz gekleidet, leise, nur mit
ihrer Anwesenheit, gegen das Sterben auf Hoher See. Begleitet wurde der
Menschencorso von der Polizei und den Carabinieri. Es gab keinerlei
Zwischenfälle, die Demonstration verlief durchgängig friedlich.
18 535 Tote in 14 Jahren
Getrauert wurde aber nicht ausschließlich um die Opfer des
Unglücks vor Lampione. Nein. Es ging um alle Opfer der europäischen
Grenzpolitik. Um die 18 535 Toten, die die illegale Überquerung des
Mittelmeeres von Flüchtlingen seit 1998 gefordert hat (laut Angaben von
fortresseurope.blogspot.com). Alleine im Jahr 2011 mussten demnach 2 352
Menschen sterben. Die Dunkelziffer liegt wahrscheinlich wesentlich höher. In
diesem Jahr (2012) starben bereits 464 Migranten, irgendwo draußen auf dem
Mittelmeer. Menschen, die vor Hunger, Naturkatastrophen, Dürre, politischer
Verfolgung, religiösen Ritualen, Elend und Not fliehen. Sie riskieren eher auf
dem Meer zu sterben, als in ihrem Heimatland zu bleiben. Dabei möchte niemand
freiwillig sein Land verlassen. Die Menschen wissen, was sie an Italiens,
Spaniens, Maltas und Griechenlands Grenzen erwartet – an Europas Außengrenzen:
Die Auffanglager. Die Asylheime und im schlimmsten Fall die Abschiebungshaft.
Trotzdem kommen sie nach Europa und hoffen darauf Papiere zu bekommen, um sich
ein neues Leben aufzubauen. Würde man ihnen eine legale Einreise ermöglichen,
dann müssten nicht so viele Menschen sterben.
Mehr dazu:
TG La Sicilia (Video)
TG3 G (Video)
La Repubblica Palermo (Fotostrecke)
Bilder einer Demonstration
Mehr dazu:
TG La Sicilia (Video)
TG3 G (Video)
La Repubblica Palermo (Fotostrecke)
Bilder einer Demonstration
Judith Gleitze von borderline-europe e.V. im Interview |
Imed Kamoun im Interview |
Auftakt im Hafen von Palermo |
2011: 2352* Tote. Seit 1998: 18 535* Tote (*Dunkelziffer unbekannt) |
Abschlusskundgebung vor dem Teatro Politeama |