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Donnerstag, 21. Juni 2012

Mineo: Die Behörden präsentieren sich im Asylbewerberheim, aber die Ausgrenzung bleibt bestehen

Von argocatania
Heute, zum Internationalen Tag des Flüchtlings, gibt es ein großes Fest im Aufnahmezentrum für Asylbewerberheim in Míneo. Auserlesene Einladungen für illustre Gäste wurden für diesen Anlass mit dem Titel „vom Notfall zur Integration” vergeben. Anwesend sein werden hochrangige Staatsautoritäten, vom Präfekten zum Polizeipräsident über den Bischof von Caltagirone, den Bereichsleiter des Zivilschutzes und Vertreter der Universität, des Gerichts und verschiedenen Einrichtungen, die mit Migranten zusammenarbeiten.
Der in der Region für die Anlage Verantwortliche Giuseppe Castiglione wird erst die morgendliche Debatte abschließen und danach gibt es Filmvorführungen („Mare Nostro”), Theatervorstellungen und Musik. Jeder „Partner” darf für das abendliche Fest sogar fünf Personen aus seinen eigenen Reihen auswählen und einladen, für die er dann schon im Vorhinein die Namen angeben muss damit der spezielle Eintrittspass ausgestellt werden kann.
Im Gegensatz zu dieser augenscheinlichen Einstimmigkeit steht die Abwesenheit des Centro Astalli, welches es bevorzugt hat, trotz Einladung nicht teilzunehmen. Die Gründe hierfür sind klar und direkt in dieser Stellungnahme aufgeführt:

„Das Centro Astalli Catania lehnt die Einladung entschieden ab, da wir es für unangemessen halten an dieser Feier teilzunehmen (so bedeutungsvoll sie vielleicht sein mag), jedoch uns die Chance den Insassen des Asylbewerberheims einen kontinuierlichen Service des Zuhörens und der Orientierungshilfe anzubieten, verwehrt wird. Das Centro Astalli, mit seiner mehr als 30jährigen Erfahrung in der Betreuung und Begleitung von zur Flucht und Migration gezwungenen Personen, wünscht sich nach wie vor, dass es in der unmittelbaren Zukunft seinen Freiwilligen erlaubt wird den Heimbewohnern helfen zu können.”
Seit der Präsident der Provinz nämlich zum Verantwortlichen erklärt wurde und das Konsortium Sisifo den Verwaltungsauftrag des Heimes zugesprochen bekommen hat, wurde dem Centro Astalli jeglicher Zugang verwehrt. Das Innenministerium hatte ihnen zwar eine Erlaubnis erteilt innerhalb des Heimes seit September letzten Jahres eine Beratung betreiben zu können, jedoch hat Herr Castiglione diese Erlaubnis für nicht gültig erklärt, eine neue Anfrage angefordert und diese dann schließlich abgelehnt.

Die „soziale und legale Beratung” müsse - so Castiglione - über einen Auftragsvertrag vom Sisifo Konsortium vergeben werden, ohne jegliche Mittelsmänner. Weiterhin gäbe es noch die Möglichkeit, dass das Centro Astalli mit dem Leiter des Konsortiums sich auf eine eventuelle Einsetzung von Freiwilligen einigt, jedoch sind bis jetzt alle Anfragen seitens des Centro Astalli abgelehnt worden, obwohl vor einigen Monaten ein Einverständnisprotokoll unterzeichnet wurde.
Die Entscheidung, dem Centro Astalli den Eintritt zu verwehren und jegliche Zusammenarbeit abzulehnen, kann nicht an finanziellen Gründen liegen, da die Leistungen des Zentrums kostenlos sind. Handelt es sich dann vielleicht um eine bürokratische Angelegenheit? Wird es bevorzugt so wenig Augen und Ohren wie möglich innerhalb des Heimes zu haben? Jede Vermutung ist berechtigt, zumal Nachrichten von schwerwiegenden Ereignissen wie z.B. Betrug, Prostitution und andere undurchsichtige Vorfälle herausdringen. Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten, auch für Journalisten, Eintritt in das Heim zu bekommen.

Außerdem ist es unverständlich wie man die gelungene Integration der Insassen feiern kann während sie an einem Ort untergebracht sind, der komplett isoliert von der Außenwelt ist (das nächstgelegene Dorf ist 10 km entfernt) und somit keinerlei Möglichkeiten bietet sich unter Einheimische zu mischen oder eine Arbeit in der Gegend zu finden, so wie es das SPRAR System (System zum Schutze von Asylbewerbern und Flüchtlingen) vorhersieht. Zudem findet heute, außerhalb der Umzäunung des Heimes, vor dem Eingang ein interethnisches Treffen, organisiert vom Antirassistischen Netzwerk Catania, statt mit anschließender Pressekonferenz. Zu feiern gibt es wenig nach Meinung des Netzwerks.
Die Asylanträge werden tausendfach abgelehnt und wir laufen Gefahr „die Frauen und Männer, die bereits alles verloren haben, die Bomben gesehen und Verfolgung erlitten haben” ohne internationale oder humanitäre Hilfe zurück zu lassen.
Und genau deshalb verlangt das Antirassistische Netzwerk im Rahmen der nationalen Kampagne „Ein Recht auf freie Wahl” die Aufenthaltsgenehmigung für libysche Flüchtlinge unter humanitären Gesichtspunkten.

Dass das Recht auf Asyl, welches in unserer Verfassung festgelegt ist, heutzutage durch „Schnellgerichtsverfahren” in Gefahr gerät, wird unter anderem von dem Anwalt aus Catania Giuseppe Carnabuci angeprangert. Den außereuropäischen Bürgern und Insassen des Aufnahmezentrum Mineo, welche gegen die Ablehnung ihres Antrags auf internationalen Schutz appellieren, wird schon seit einiger Zeit die Möglichkeit auf rechtlichen Beistand auf Kosten des Staates (die sogenannte kostenfreie Verteidigung) verwehrt. Als Grund wird genannt, dass die bei dem Einwanderungsbüro des Polizeipräsidiums hinterlassenen Dokumente nicht identifizierbar seien. Der Widerspruch, der von Carnabuci anprangert wird, ist dass das sogenannte „Namenszeugnis”, welches im Präsidium hinterlassen werden muss ausdrücklich „Gewissheit über die Identität der Person” geben muss. Wie kann es dann also sein, dass dieses Dokument nicht anerkannt wird, um eine kostenlose Verteidigung zugesprochen zu bekommen?
Der Anwaltsrat von Catania, das Organ, das die Anfragen auf kostenlose Verteidigungen prüft, hatte  verhindert, dass die Insassen von Mineo von diesem Recht Gebrauch machen, indem sie ihre Dokumente als ungültig deklarierte. Jedoch musste er diese Aufhebung rückgängig machen, da ASGI (Vereinigung für juristische Studien zur Immigration) dieses Urteil vehement vor der TAR (Regionales Verwaltungsgericht) beanstandet hat.
Während der Wartezeit auf einen Urteilsspruch des Verwaltungsgerichts  ist es wichtig, dass keine neuen Hindernisse für die Verteidigung von Migranten hinzukommen oder besser gesagt hinzugefügt werden, so Carnabuci. So könnten z.B. die Kosten für eventuelle Beschwerden vor dem Berufungsgericht erhöht werden (im Moment betragen diese mehr als 120 Euro).

Aus dem Italienischen übersetzt von Karolin Mattes