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Samstag, 19. Mai 2012

Die "caporali" von Cassibile


von argocatania
Cassibile, Siracusa. Anlässlich der Kartoffelernte von April bis Juni jeden Jahres gesellen sich zu den 5.000 Anwohnern (davon 300 aus Marokko) mehrere hundert Migranten. Über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Migranten haben wir mit Alfonso Di Stefano, einem Vertreter des Antirassistischen Netzwerks Catania gesprochen. Die Probleme sind in erster Linie mit logistischen Regelungen und der Organisation der Arbeit verbunden. Die meisten Migranten kommen aus anderen Erntegebieten Italien, es herrscht geradezu eine Transhumanz der Arbeitskraft von Migranten auf den süditalienischen Feldern. In den letzten Jahren ist die Zahl derjenigen gestiegen, die in den Süden kommen, weil sie ihren Arbeitsplatz in den Fabriken des Nordens verloren haben.
Die Anwesenheit der lokalen marokkanischen Gemeinde erleichtert denen das Ankommen, die aus dem Maghreb stammen. So ist es für sie in der Tat möglich Wohnungen oder Zimmer im Stadtzentrum anzumieten. Die anderen (Sudanesen, Somalier, Eritreer) können das vom Roten Kreuz betriebene Lager nutzen oder aber ohne Wasser und Elektrizität in den verlassenen Gehöften auf dem Land oder in Zelten Zuflucht finden. Das Lager kann bis zu 150 Personen aufnehmen, es bietet ihnen ein Feldbett und eine tägliche Mahlzeit um 19 Uhr. Wir verstehen nicht warum ein von den Flüchtlingen stark kritisiertes Angebot aufrecht erhalten wird und ihnen sogar verboten wird selbstständig eigene Gerichte zu kochen.

Darüber hinaus nimmt das Lager nur die „regulären“ Flüchtlinge auf und denjenigen, die kurzfristig einen Arbeitsvertrag erhalten. Um den Kampf gegen den Schwarzmarkt und die Integrationspolitik voranzutreiben und darüber hinaus die elementare Verteidigung der Menschenrechte, wäre es dagegen notwendig die Zugangsmöglichkeit auch für die „Irregulären“ zumindest am Anfang zu erweitern um den neuen Straftatbestand des „caporalato“ ( illegale Anwerbung von Tagelöhnern) geltend zu machen?
Noch komplizierter ist offensichtlich die Situation derjenigen, die unter dem Risiko wegen „Landfriedensbruch oder Beschädigung“ angezeigt zu werden, gezwungen sind Notkonstruktionen zwischen baufälligen und verlassenen Gebäuden zu zimmern. Ist dieses Problem (mehr oder weniger) gelöst, kann die Arbeit beginnen. Theoretisch muss die Annahme der Arbeitskräfte durch die Vermittlungsstellen geschehen, der Nettostundenlohn liegt bei 6,20 Euro, der Arbeitstag umfasst sechseinhalb Stunden, Logistik-, Transport- und Arbeitsmaterial (Sicherheitsschuhe, Handschuhe) werden vom Arbeitgeber getragen. In Wirklichkeit ist die Vermittlung in den Händen der „Caporali“ (Vorarbeiter, die die Migranten in sklavenähnliche Arbeitsverhältnisse zwingen), die größtenteils marokkanischer Herkunft sind. Sie organisieren auch die Transporte (die zwischen 3 und 5 Euro kosten) und verhandeln unterschiedliche Löhne: wer aus dem Maghreb kommt, verdient zwischen 35 und 40 Euro, die anderen 30 und noch weniger.
Die Arbeitszeiten sind „flexibel“, wer arbeiten will muss mindestens in der Lage sein täglich 100 Kisten, jede mit einem Gewicht von 20/22 kg zu füllen.

Das Antirassistisches Netzwerk ist regelmäßig in Cassibile präsent, um die Migranten im Kampf für ihre Rechte und in ihrer Selbstorganisation zu unterstützen, die notwendig ist, um den hundertsten „Krieg zwischen den Armen“ zu vermeiden. Für das nächste Jahr will das Netzwerk, hauptsächlich von den Brigate di Solidarietà Attiva organisiert, ein selbstständig organisiertes Aufnahmelager aufbauen, wo dank der freiwilligen Arbeit anständige Lebensbedingungen für alle Flüchtlinge („regulär“ oder nicht) garantiert werden können und dank der Selbstorganisation, Arbeitsbedingungen gemäß den Branchenarbeitsverträgen ermöglicht werden.
Schließlich ist die positive Präsenz eines mobilen Medizinische-Hilfe-Busses von Emergency hervorzuheben, in dem in Gegenwart eines kulturellen Mediators erste sanitäre Unterstützung auf Grundlage einer sozio-sanitären Orientierung montags bis freitags von 16:30 bis 21:30 auf dem Platz Caduti del Conte Rosso angeboten wird.    

Aus dem Italienischen übersetzt von Alessandro Pastore