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Freitag, 27. April 2012

LasciateCIEntrare (“Lasst und rein”) – Migranten schlafen vor dem Aufnahmezentrum

Caltanissetta 27. April 2012
Um 15:30 kommen wir vor dem Tor von Pian del Lago an und treffen dort auf circa 25 Flüchtlinge. Pian del Lago ist ein multifunktionales Zentrum, das bedeutet es wird sowohl als Zentrum für Identifikation und Abschiebung (CIE) genutzt als auch als Aufnahmezentrum für Asylsuchende (CARA) sowie als allgemeines Erstaufnahmezentrum (CDA). Seit Ende März stehen die 96 Plätze im CIE wieder zur Verfügung. Insgesamt umfasst das Zentrum 450 Plätze. Laut der Verwaltung, sind davon zurzeit 442 besetzt. Wir sprechen mit den Personen draußen vor dem Zentrum und schließlich dürfen wir als Vertreter der Vereinigung juristischer Studien zur Immigration (ASGI) und borderline-europe, das Zentrum besichtigen.
25 Flüchtlinge aus Pakistan und Afghanistan und einer aus Sri Lanka, schlafen zur Zeit draußen, weil das Innenministerium noch nicht über ihre Unterkunft entschieden hat. Manche von ihnen warten bereits seit 10 Tagen. Andere Flüchtlinge erzählen, dass sie ebenfalls für 5, 13 und sogar für 20 Tage draußen schlafen mussten bevor sie im Zentrum aufgenommen wurden. Es scheint der Normalität zu entsprechen, dass ein Asylbewerber auf der Straße schlafen muss, in nächster Näher zur Schnellstraße. Diejenigen die einen Platz im Zentrum haben, bringen das dort verteilte Essen hinaus, um das wenige untereinander zu teilen.
Die Vizedirektorin des Zentrums, das von der Kooperative Albatros verwaltet wird, berichtet uns, dass der Aufenthalt der Migranten im Durchschnitt zwischen sieben und acht Monaten liege. Die Migranten vor den Toren des Zentrums erzählen uns dagegen, dass einige bereits seit mehr als 10 Monaten auf die Anhörung vor der Asylkommission warten würden. Sie sind des Wartens müde. Hier gibt es nichts. Für jede Kleinigkeit müssen sie mindestens vier Kilometer bis zur Stadt laufen und um Mitternacht müssen alle wieder zurück sein. Obwohl Pian del Lago ein offenes Zentrum sein sollte, haben nicht alle eine entsprechende Erlaubnis, um diesen Käfig verlassen zu können. Man muss um eine offizielle Erlaubnis bitten und normalerweise wird diese auch erteilt, aber es gibt immer wieder Fälle, in denen Personen über Wochen auf ihre Erlaubnis warten müssen. Ein Pakistaner beklagt sich, dass er seit drei Wochen nicht raus darf. Wir sprechen einen Mitarbeiter des Zentrums darauf an und bekommen als Antwort, dass er die Genehmigung immer verlieren würde und es sich schlichtweg um die üblichen Erneuerungszeiten handel.

Im Zentrum leben auch zehn Frauen und zwei Neugeborene. Sie leben in einem der zwei Container des Zentrums. Die Container sind nach Geschlechtern getrennt, für ein Familienleben gibt es keinen Platz. Alle Frauen schlafen zusammen, auch wenn sie gemeinsam mit ihren Ehemännern angekommen sind. Im Container ist es warm, es gibt fünf Etagenbetten, in denen teilweise sogar bis zu elf Personen schlafen.
Wir lernen eine Familie kennen, die eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis bekommen hat. Sie wurden von Manduria in ein anderes Zentrum im Süden und von dort schließlich nach Caltanisetta geschickt, da für sie keine Plätze in einer zentralen Aufnahme- und Wohneinrichtung für Asylsuchende und Flüchtlinge gefunden werden konnte. Anstatt neue geeignete Plätze für Familien zu schaffen, werden sie in bereits überfüllten Aufnahmezentrum gebracht. Die Kooperative Albatros bestätigt uns, dass es sich dabei nicht um einen Einzelfall handel.

Von Außen beobachten wir den neugebauten Teil, der als CIE dient: 54 Menschen befinden sich dort. Wir dürfen nicht hinein, aber uns wird berichtet, dass keiner von ihnen länger als sechs Monate dort bleibt. Wir besichtigen schließlich das ehemalige Erstaufnahmezentrum, dass nun als Aufnahmezentrum für Asylsuchende fungiert. Draußen warten mehrere Menschen auf uns und wollen uns ihre Geschichten erzählen. Viele wurden von anderen Behörden hierhin geschickt, einer kommt sogar von der schweizerischen Grenze und weiß nicht warum er auch hier so lange warten muss. Wie auch viele andere, bittet er uns um Hilfe.
„Es ist eine Schande was hier mit Migranten gemacht wird!“ erklärt eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle für Migranten in Caltanisetta. Viele beklagen sich aufgrund der mangelnden medizinischen Versorgung. Ein Mann zeigt uns seinem gebrochenen Arm, der nie geröntgt wurde. Der Arzt hätte gesagt, der Arm würde so verheilen. Mittlerweile sind die Knochen schief zusammengewachsen.
Die Leute beschweren sich außerdem über das fehlende Bildungsangebote und Sprachkurse. Zudem werden keinerlei konstruktive Beschäftigungsmöglichkeiten angeboten. Die Umstände in denen diese Menschen leben müssen sind zweifellos eine Schande!
Für weitere Informationen ist auf den Artikel von Prof. Fulvio Vassallo Paleologo hinzuweisen.

Judith Gleitze, Borderline Sicilia/borderline-europe

Aus dem Italienischen von Sarah Schwarz