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Donnerstag, 19. Januar 2012

Das CARA* von Mineo: Vom Leben in der Warteschleife und dem Kampf dagegen

(*das zentralen Aufnahmelager für Asylsuchende in der Region Catania)
Am 18. März 2011 wurde in Mineo, in der Provinz Catania, das Aufnahmezentrum für Asylsuchenden eingeweiht. Innerhalb des von der damaligen Regierung Berlusconi verhängten „Ausnahmezustandes auf nationalem Territorium“, sollte es eine Antwort auf die in Richtung Europa kommenden Migranten bieten, die vor den Aufständen in den nordafrikanischen Ländern oder vor dem Krieg in Libyen geflohen waren. Nach dem Entwurf der Regierung sollte das „Dorf der Solidarität“ von Mineo ein Vorzeigemodell „made in Italy“ für die Aufnahme in Europa schaffen. Die angebundene Gemeinde, die nach dem Modell einer amerikanischen Vorstadt für die US-amerikanischen Militärs konstruiert wurde und mit dem Ablauf des Vertrages 2011 leer stand, wurde somit in ein Zentrum für Asylsuchende umgewandelt.

Die „5 Sterne“ - Residenz, umgewandelt in ein Sammellager, seine 404 Häuschen eingebettet in eine Landschaft aus Orangenhainen, haben in diesen Monaten sichtlich Eindruck auf den ministeriellen Web-Seiten, in den Erklärungen der Beobachter und denen der EU-Parlamentarier hinterlassen. Blicke von außen auf die Erfahrungen im CARA von Mineo, selektive und zufriedene Blicke auf Gebäude und Landschaft, die jedoch das Leben derer, die dort wohnen, außer Acht lassen und ihr 'Sich-Verlieren' in dieser sich in die Länge ziehenden Warteschleife ignorieren. Die Kreisverwaltungen des Calatino wurden ersucht, dasselbe zu tun, diese Personen zu ignorieren, nachdem, eine Expertenrunde war inzwischen der nächsten gefolgt, das Team des Ex-Ministers Maroni die Empfehlung herausgab, nicht von einem „goldenen Gefängnis“ zu sprechen und ihnen eine Kostenersattung aus dem Fond PonSicurezza für den so genannten „Externen Effekt“ versprach, denen die 15 Kommunen der Gegend erlitten haben. (Anmerk. borderline-europe: die Gemeinden hatten sich zum Teil gegen die Eröffnung gestellt, die Regierung entschied über ihren Kopf hinweg).

Aktivisten und Journalisten, die zum Thema Mineo gearbeitet haben, haben dagegen die Absonderung der Asylsuchenden in einer „5 Sterne Hölle“, einem „Nicht-Ort“, einem „goldenen Gefängnis“, einem „Luxuslager“ dokumentiert und die Rechtsverletzungen an mehr als 5000 Menschen angeprangert, die seit März 2011 durch das Sammellager von Mineo geschleust wurden. Die Asylsuchenden und die Flüchtlinge, die in Mineo wohnen, nennen es „Lager“ und revanchieren sich damit für ihre prekäre Situation in diesem „Lagerleben“, in dieser Erfahrung der italienischen „Aufnahme“; oder sie nennen es „Gefängnishof“, wie es einer von ihnen präzisiert, um die Gefangenschaft des Daseins deutlich zu machen, die diese Warteschleife produziert.

Dieser Bericht (siehe die Anmerkung am Ende, rg) stellt eine Sammlung und gleichzeitig eine Chronik von Daten und Erzählungen dar, die die Strategie des Widerstands der Migranten, die Übergriffe der Macht, die informelle Wirtschaft, die Proteste und die Kontrollen, die im Alltag den Notzustand des Sammellagers von Mineo abbilden, dokumentieren: Von dem Menü der Mensa bis zur ausbleibenden Menstruation vieler Bewohnerinnen des Sammellagers; vom Fahrplan für den Bus nach Catania bis hin zu der Zeit, die man braucht um zu Fuß die Bushaltestelle zu erreichen; von der Paradoxie des „Taschengeldes“ bis zur Vergiftung des Essens; von den unbegrenzten Zigarettenpausen der Kommissare während der Anhörung bis hin zur Abwesenheit von kulturellen Vermittlern, die in der Lage sind, die Geschichten der Migranten zu übersetzen; von der erschütternden Auswahl der Produkte, die auf dem Bazar im Lager angeboten werden bis hin zu den Produkten, die informell hereinkommen und herausgehen, nur um einige Beispiele zu geben.

(Glenda Garelli, Martina Tazzioli, Januar 2012 für “storiemigranti”)


Anmerkung: Den ganzen 12 seitigen Bericht mit Geschichten aus dem Lager gibt es – leider nur in Italienisch - unter folgender Adresse http://www.storiemigranti.org/IMG/pdf/report.pdf

(aus dem Italienischen von Rainer Grüber)