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Freitag, 23. Dezember 2011

Regionale Demonstration vor dem CARA (Aufnahmezentrum für Asylbewerber) von Mineo

An der Demonstration, die vom antirassistischen Netzwerk aus Catania organisiert wurde, beteiligten sich verschiedene sizilianische Organisationen, darunter Oficina rebelde, Cobas, qui mineo, Centro Astalli Catania, Antirassistisches Forum Palermo, Movimento No Mous, Storie Migranti. Während der Demonstration gab es sowohl Momente der Gemeinsamkeit, der Musik als auch solche der Konfrontation und der Anklage mit den Migranten.

Das Aufnahmezentrum für Asylbewerber (CARA) von Mineo (Region Catania), das im letzten März eröffnet wurde, indem man den Vorwand einer ad hoc entstandenen Migrations-Notlage ausnutzte, um große ökonomische Operationen  zu rechtfertigen, ist einer jener Orte, an denen sich die Verwicklung und Verflechtung zwischen den ökonomischen und politischen Interessen enthüllt, behauptet der Journalist Antonio Mazzeo in seinem Artikel „Das CARA von Mineo, eine Schande für Italien.“ „Einer der  Streitpunkte ist das Hamstern von „Gefälligkeiten“ unter den örtlichen Genossenschaften. Man kann darauf wetten, dass der Präsident der Provinz mit dem Geschäft von Mineo dem Gouverneur einen schönen Packen Stimmen abgewonnen hat.“ Für jeden Immigranten gibt der Staat dem Betrieb pro Tag und Kopf 25 € - wenn man das Fassungsvermögen des  Zentrums (es ist das größte Europas!) bedenkt, ist es ganz einfach sich vorzustellen, wie viele Einheiten, Konsortien, Firmen ein Interesse daran haben, sich über einen so reich gefüllten Teller herzumachen.

Im Zentrum leben fast 1400 Immigranten, aus dem Maghreb, den Subsahara-Staaten, Bangladesh, Pakistan, Frauen und Männer gemischt, einige Familien, kein einziger unbegleiteter Minderjähriger (die letzten, die ankamen, sind im vergangenen Monat geflohen).
Derzeit kommen im Zentrum Migranten aus verschiedenen „Zentren“ Siziliens an. Im Juli und August (die letzte Landung aus Libyen geschah am 17. August, ausgenommen die zwei Männer, die zwischen November und Dezember ankamen) wurden die potenziellen Asylbewerber in Ermangelung irgendeines Rechtsbeistandes in Hotels untergebracht. Jetzt scheint man diese Zentren zu leeren, um die Flüchtlinge zum CARA nach Mineo zu lenken. Allein in der vergangenen Woche kamen 40 Personen an. Im März dagegen wurden außer den Tunesiern aus Lampedusa jene Personen dorthin gebracht, die ihre Asylverfahren bereits in anderen zentralen Aufnahmezentren Italiens angestrengt hatten. Vom Blickwinkel einer Notsituation aus gesehen ist das eine unlogische Entscheidung: Es ist absurd, Personen mit bereits laufenden Verfahren nach Sizilien zu verlagern und damit die Plätze den neu ankommenden Migranten zu entziehen.
Das muss zu denken geben.
Im Innern des Zentrums gibt es eine Territorialkommission (erst waren es zwei), die nach Aussagen des antirassistischen Netzwerks Catania Komplizin der Verwaltungsleitung von „Sisifo“ (seit dem 18. Oktober, vorher war dort das Rote Kreuz) viele ablehnende Bescheide erlässt. Außerdem beklagen die Migranten das Fehlen von Dolmetschern ihrer Muttersprache sowie Versuche von Korruption durch die Dolmetscher: siehe link...
Nicht nur das, darüber hinaus haben Migranten, die einen Dolmetscher aus Bangladesh angeklagt haben (s. Link oben), berichtet, dass sie ALLE eine ABLEHNUNG erhalten hätten. Außerdem verzögern die Territorialkommissionen (auch die aus Siracusa) die Auswertungen der Anhörungen, anstatt die Prozeduren für die Asylanträge zu beschleunigen. Zudem lehnen sie die meisten Anträge ab und zwingen so die Immigranten, weitere Zeit im Zentrum zu verbringen, während sie auf die Entscheidung über ihren Widerspruch warten.
DARÜBER HINAUS IST ZU KLÄREN, WARUM VIELE MIGRANTEN, DIE BEREITS DEN STATUS FLÜCHTLING ERHALTEN HABEN, WEITERHIN IM AUFNAHMEZENTRUM LEBEN MÜSSEN.
Sowohl die Bedingungen geografischer Isolation (Mineo, der nächst gelegene Ort, ist bergauf 11 Kilometer entfernt) als auch der Status juristischer Verfahrens-Aussetzung verschlechtern Leben und psychologischen Zustand der Migranten. Viele Demonstrationen haben sie schon durchgeführt, doch die Situation verändert sich nicht und aus dem Aufnahmezentrum, das gemäß den Bestimmungen die „Gäste“ (was für eine Verhöhnung!) für maximal 35 Tage beherbergen soll, wird zu einem enormen Zentrum willkürlicher Haft.

Laura Verduci für das Antirassistische Forum Palermo

(aus dem Italienischen von Alexandra Harloff)