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Sonntag, 16. Oktober 2011

Report aus Lampedusa 16. – 17. Oktober 2011

Zur Zeit weht auf Lampedusa ein feindseliger Wind seitens der Inselbewohner. Für manche stellt die Erklärung der Insel zum „unsicheren Hafen“ eine positive Tatsache dar, die mögliche Momente der Konfrontation und Spannung verhindern kann. Manche Lampedusaner denken, dass die Tunesier nicht zurückkehren werden, da sie ihre Lektion gelernt haben, und dass der Einsatz von Gefängnisschiffen ein Akt der Gerechtigkeit von Seiten des italienischen Staates gewesen ist. Außerdem verbreiten einige Lampedusaner die These, dass die humanitären Organisationen nicht nur die Ursache für die Unordnung und Ausschreitungen seien, sondern auch der einzige Grund für die Ankunft der Boote auf der Insel.
Viele sind davon überzeugt, dass die humanitären Organisationen die Verteilung des Essens im Inneren des Zentrums verwalten. Unter den Lampedusanern hört man Erzählungen, die ein Chaos aus wahren und unwahren Dingen sind, aus Allgemeinplätzen und Fakten; was man sicherlich der großen Müdigkeit und Frustration vieler zuschreiben kann.
Für den Tourismus lief es schlecht im Juni und Juli, gut jedoch im August und September. Zur Zeit kommen noch immer Touristen aus Norditalien.
Die Gastwirte und Hoteliers warten auf Zahlungen aus dem Innenministerium. Die Stimmung ist voller Groll. Auf die Mauern in der Nähe der Favarolo-Mole und des Verladehafens wurden während den Ausschreitungen vom 22. und 23. September Sätze geschrieben wie „Gebt Lampedusa frei! Verschwindet!“. Inzwischen wurden sie von einigen Bürgern beseitigt.

Der UNHCR und IOM sind zusammen mit dem Roten Kreuz zur Zeit die einzigen Organisationen, die auf der Insel anwesend sind. Viele der Beschäftigten von Lampedusa Accoglienza (Verwaltung der Aufnahmezentren für Flüchtlinge) sind jetzt arbeitslos und beziehen seit vier Monaten kein Gehalt. Das Aufnahmezentrum Contrada Imbriacola kann momentan nicht mehr als 200 Personen aufnehmen. Drei Gebäude sind nicht begehbar. Nach dem 23. Oktober (Tag der Wahlen in Tunesien) wird man entscheiden, ob man sie wieder in Stand setzt. Die Mobile Einheitstruppe der Polizei ist jedenfalls noch anwesend. Bei Loran (ehemalige US Militärbasis, die als Aufnahmeeinrichtung für Minderjährige unbegleitete Flüchtlinge diente) hat man mit den Wartungsarbeiten noch nicht begonnen.
Währenddessen herrscht auf dem Meer viel Bewegung durch Patrouillenboote und Helikopter. Viele Tunesier denken, dass am Vorabend der Wahlen weniger Patrouillen fahren und dass die Überfahrt aus diesem Grund leichter wäre. Unter den Fischern kursiert indessen das Gerücht von einem wahrscheinlich zurückgewiesenen Boot mit 200 Tunesiern an Bord.

Antirassistisches Forum Palermo              
  
(Aus dem Italienischen von Kathrin Neusser)