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Montag, 29. August 2011

Offener Brief der "Gäste " von Mineo

ITALIENER, wir bitten euch, zu glauben, dass die Immigranten, die den Kugeln und Bomben des libyschen Konflikts entkommen sind, des sogenannten Kriegs in Libyen, jetzt zur Zielscheibe der ungerechten europäischen Politik wurden, die den Schwarzafrikanern und Bangladeschi die universellen Menschenrechte vorenthält und die die körperliche und geistige Arbeitskraft der Migranten ausnutzt.
Die heldenhaften Kämpfe Tausender und Abertausender Asylbewerber haben gezeigt, dass, wer volle Rechte und Freiheit forderte, zu Unrecht eingesperrt in Gefängnisse wurde, Internierungslager genannt. Wir sind Menschen, die dem Tod ins Gesicht gesehen haben, um nach Libyen zu gehen, die ihre Verwandten und Freunde sterben gesehen haben, ihre Kinder, Brüder und Schwestern. Zu viele Menschen sind im Meer vor uns gestorben, um darüber zu sprechen: Libyer, die alle Schwarzafrikaner ermordeten (auch sie selbst dunkelhäutige Libyer), Tag und Nacht, im ganzen Land. Jetzt sind wir in Italien, wo wir feststellen, dass unsere Zukunft ein lästiges Problem darstellt. Unsere Frauen und unsere Kinder leiden in den „Lagern“: Wir haben weder angemessene Nahrungsmittel noch gute Ärzte, kein Geld, keinen Fahrdienst. Sie können Menschen sehen, auch schwangere Frauen, die vom Lager bis hin zum Dorf Mineo zu Fuß gehen, um sich Kleidung zum Anziehen zu kaufen oder zu erbetteln. Wir haben kein Geld, keine Zigaretten, keine Telefonkarten, um mit Freunden und Verwandten zu kommunizieren. Die Polizei ist gewalttätig, alles ist verboten oder beschränkt. Die Menschen sind für sechs, sieben, zehn Monate inhaftiert, ohne Prüfung durch die Kommission. Wenn der Antrag eines Schwarzafrikaners negativ beschieden wurde, schlägt die Kommission von ihr ausgewählte Anwälte vor: warum sollten nicht wir uns unsere Anwälte auswählen, außerhalb des Lagers? Sie haben nur zehn Anwälte für mehr als 3.500 Menschen: Für wie viele Personen wird ein Anwalt arbeiten? Und wann wird man den letzten Menschen das Internierungslager verlassen sehen? Wir sind keine bösartigen Subjekte, sondern Menschen, die für ihren eigenen Lebensunterhalt arbeiten wollen. Das Wesentliche dessen, worüber die Vereinten Nationen informiert sein sollten, ist, dass man hier Verbrechen gegen die Menschlichkeit begeht; damit eine Sicherheitspolitik aufgegeben wird, die künstlich geschaffen wurde, um glauben zu machen, dass die Auswanderungen ein Problem und eine Bedrohung darstellen. Wir wünschen, dass die Italiener und die Europäische Union verstehen können, dass Zuwanderung sicherlich Probleme mit sich bringen kann, doch dass sie weit davon entfernt ist, ein Unglück für die Nation darzustellen, in der wir wohnen und leben. Wir wünschten gut angenommen zu werden, dass unsere Rechte respektiert würden und dass wir Papiere bekämen (echte Papiere), so dass wir in die Städte ziehen und für uns selbst arbeiten könnten. Seitdem wir in Gefangenenlagern interniert sind, bitten uns unsere Frauen, unsere Kinder, Eltern, Verwandten vergeblich um Hilfe. Das liegt daran, dass wir uns vorher in Libyen der Verantwortung bewusst gewesen sind und deshalb hart gearbeitet haben, um ihnen zu helfen und uns an sie zu erinnern.
Dieses Dokument vertritt alle Menschen, die aus dem Krieg in Libyen kommen, die sich zur Zeit in sämtlichen italienischen Lagern befinden, und wurde im Lager von Mineo geschrieben.
HINWEIS: Die so genannten UN-Mitarbeiter dieses Lagers sind von keinerlei Nutzen für die Immigranten und deshalb bitten wir die Vereinten Nationen, sie so schnell wie möglich abzuziehen und neue Leute zu schicken.

(aus dem Italienischen von Johannes Majoros-Danowski)