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Donnerstag, 21. April 2011

Wie funktioniert "Mineo"? Ein Treffen in Catania

Das neue Großlager für Flüchtlinge liegt in der Nähe der sizilianischen Stadt Catania.

Nach Angaben des Italienischen Roten Kreuzes (CRI) befinden sich im Zentrum von Mineo 2400 Personen, nach Prüfung vor Ort durch das Antirassistische Netz von Catania sind jedoch weniger als die Hälfte der angegeben Zahl anwesend.
Viele verlassen das Zentrum, da sie nicht länger warten wollen. Die Häuser sind in gutem Zustand, 5 Zimmer (4 x 5 m). In jeder Struktur, die ca. 3-4 Personen aufnehmen kann, werden sogar 10 Personen  beherbergt. Im Zentrum wurde noch keine Internetverbindung gelegt. Seit einigen Tagen wurden wenige Telefonzellen eingerichtet. Fax existiert nicht. Die fehlenden Kommunikationsmittel behindern die Möglichkeit einen Anwalt zu ernennen und die Kommunikationsflüsse auch von Seiten der Anwälte mit ihren Klienten Kontakt. - Momentan befinden sich 300 Tunesier im Zentrum. Die anderen Migranten sind Asylantragsteller anderer Nationalitäten, die entweder aus anderen italienischen C.A.R.A. umgesiedelt wurden oder gerade aus dem sich im Krieg befindlichen Libyen angekommen sind. Das Zentrum wird von ca. 100 Soldaten und 50 Carabinieri überwacht. Ebenso sind ca. 10 Polizisten der Finanz- und Zollpolizei anwesend (die genaue Anzahl ist unbekannt). Das Hauptproblem liegt in der neuen Zuständigkeit für die Asylanträge derer, die aus anderen Zentren hierher verlegt wurden. Die betreffenden Kommissionen erklären sich nicht zuständig aufgrund der Verlegung in ein anderes Zentrum. Die Zuständigkeit müsste der im Zentrum (C.A.R.A.) von Mineo ad hoc institutionalsierten territorialen Kommision übertragen worden sein. Diese existiert jedoch nicht. Es heißt, dass sie die Arbeit vor Mai nicht aufnehmen werde. Die Kommission von Syrakus, die schon mit Arbeit überhäuft ist, kümmert sich nur um die Anträge der vulnerablen Fälle. Die aus den anderen Zentren verlegten Asylantragsteller in Mineo betonen Probleme im Falle des Klage bei Ablehnung des Antrags der ursprünglichen Kommission aufgrund der sehr kurzen Fristen (nur 15 Tage). Hinsichtlich der Zuständigkeit muss laut Gesetz die Kommission, die in den Kreis des Berufungsgerichts fällt, in dem sich das C.A.R.A. befindet, zum Zeitpunkt des Ablehnungsbescheids zuständig sein. In jedem Fall sind die Bearbeitungszeiten der Kommission in Syrakus weiterhin sehr lang. In den vergangenen Wochen wurden einige Antragsteller zur Anhörung der zuständigen Kommission per Zug und Flugzeug in die Städte der Erstaufnahme verlegt, beispielsweise nach Bologna. Auf diese Weise werden weiterhin Gelder für die Umsiedlungen dieser Personen ausgegeben, die vermieden hätten werden können. Kulturvermittler scheinen vor Ort zu sein, allerdings viel zu wenige in Anbetracht der hohen Anzahl an Personen im C.A.R.A. von Mineo. Das CRI versicherte die Ankunft weiterer Vermittler in der folgenden Woche. Wir werden dies überprüfen. Andere Probleme im Innern des Zentrums betreffen die Bekleidung und Güter zur Befriedigung der Grundbedürfnisse, die von den freiwilligen Organisationen gespendet werden. In diesem Augenblick werden wir Zeugen eines Andrangs bei der Verteilung vor dem Zentrum. Die Stärkeren bedienen sich einer höheren Quantität als notwendig. Die gesundheitliche Situation ist prekär, konträr zu dem, was vom CRI behauptet wird. Uns wird von Personen, die seit ihrer Ankunft in Mineo nach einer ärztlichen Untersuchung verlangen, aber immer noch warten, erzählt. Im Falle von dringenden Behandlungen stützt sich das CRI auf das Krankenhaus von Caltagirone. Nur wenige Personen wurden ins Cannizzaro-Krankenhaus von Catania begleitet. Da sich die ASP (Azienda Sanitaria Provinciale) eng mit dem CRI zusammenarbeitet, besteht kein Interesse an weiterer Unterstützung von außen. Im Innern des Zentrums gibt es einen Zigarettenkiosk, ein Privatunternehmer, der hier Geschäfte macht (!) In Anbetracht der dubiosen Figuren, die in den letzten Tagen im C.A.R.A. gesehen wurden, wird der Verdacht geäußert, dass die Autorisierung des Tabakverkaufs mit Personen aus mafiösen Kreisen aus Catania in Verbindung gebracht werden kann. Es kursieren Stimmen über den dem Zivilschutz übertragenen Führungswechsel des C.A.R.A. von Mineo. Wir suchen noch zu verstehen, wie die Rolle des CRI in Mineo - in Anbetracht der Tatsache, dass die Organisation die Führung des Zentrums bis zum 30. Juni 2011 übertragen bekommen hat - zukünftig sein wird. Sie bemühen sich die Kosten mit eigenen Mitteln für die Handhabung von Notständen zu decken. Eine Gruppe von Somaliern und Eritreern hat sich in einem verlassenen Geschäft in Catania (die ehemalige Post der Via Africa) niedergelassen, da sie nicht mehr in Mineo bleiben wollten. Das CAI (eine neue Form von Aufnahme- und Identifizierungszentrums) von CALTANISSETTA scheint seit gestern leer. Lediglich 10 Minderjährige sind im Zentrum geblieben. Allen Tunesiern wurde eine befristete Aufenthaltsgenehmigung sowie Reisedokumente (Tickets) ausgehändigt. Sie wurden per Bus nach Catania „geschickt“, um von dort den Zug zur Erreichung anderer Ziele zu nehmen. Wie im Falle der Migranten, die in Rom angekommen waren und sich Tage im Bahnhof aufhielten, da sie kein Geld zum Fahrkartenkauf hatten um ihre Reise fortzusetzen, konnten einige Tunesier nicht weiterreisen und waren am Bahnhof von Catania blockiert, da sie über kein Geld für ein Ticket für den Zug nach Rom hatten. Nach Tagen haben einige den Regionalzug nach Messina genommen und sind dort spät abends angekommen. Aufgrund der fehlenden Anschlusszüge bis zum Folgetag sind einige Tunesier nach Catania zurückgekehrt. Erst gestern (durch die Arbeit des Journalisten Stefano Galieni und einigen anderen Gruppen aus Rom) wurde den Tunesiern eine Fahrkarte vom Zivilschutz bezahlt, wie es in den Regelungen vorgesehen ist. Anschließend kündigte das Ministerium an, dass die Migranten gratis in jedem Regionalzug reisen können. Einige italienische Präfekturen schrieben auf die Aufenhaltsgenehmigung eine Notiz und einen Stempel, der die Migranten zur kostenlosen Zugnutzung berechtigte. Trenitalia hat diese Dokumente allerdings nicht als Reisetitel anerkannt. Jetzt scheint es zu funktionieren.

Germana Graceffo, Judith Gleitze
anwesend bei der Sitzung: das Antirassistisches Netz von Catania, Borderline Sizilien, borderline-europe