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Dienstag, 5. April 2016

Newsletter Siciliamigranti – März 2016

- Tausende von neuen Ankünften und weiterhin Tote. Das Stillschweigen vor und nach der Anlandung
- Minderjährige Migrant*innen: Gefangen in den Maschen eines Systems, das sie unsichtbar und ohne Rechte haben will
- Erneuerung der Ausschreibungen und mangelnde Regulierung: Wenn auch das Umfeld den Unterschied macht. Der Fall der Provinz Enna
- Neuigkeiten und Veranstaltungen: Die Kampagne „LaciateCiEntrare“* stellt ihren Bericht vor.
Borderline Sicilia läutet ein neues Projekt mit Oxfam Italien und der Diakonie der Waldenser ein


Tausende von neuen Ankünften und weiterhin Tote. Das Stillschweigen vor und nach der Anlandung

Die immer dramatischere Situation in Libyen und in den übrigen Aufbruchsländern zwingt die Migrant*innen dazu, so schnell wie möglich den Weg über das Meer zu nehmen. Im Durchschnitt sind es 3000 Ankünfte in vierzehn Tagen. Die Anlandungen werden weiterhin willentlich im Modus „Ausnahmezustand“ verwaltet. Sie werden immer mehr überlagert von Ermittlungen, Kontrollen und einem alarmierenden Schweigen bezüglich dessen, was vorhergeht und was den gerade Angekommenen erwartet.
Noch immer werden Abweichungen von gesetzlichen Bestimmungen und Verlegungen in absolut unangemessene Einrichtungen registriert, auch für besonders Schutzbedürftige. Es offenbart sich das Scheitern des europäischen Verfahrens der „relocation“* auf Kosten der Freiheit und der Pläne der Migrant*innen, die ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, um hier anzukommen. Schuld daran ist die Wirtschaftspolitik derselben Länder, die heuchlerisch ihre Großzügigkeit bei der Aufnahme zur Schau stellen.
Die Zurückweisung werden auch nicht weniger, sowie die Verzweiflung derer, die nicht aufgenommen werden und für Jahre unsichtbar werden. In einigen SPRAR*s geht es nur ums Geschäft. Kooperativen, gegen die ermittelt wird, können ihr Wirken monatelang fortsetzen. In anderen Zentren werden die Migrant*innen immer mehr sich selbst überlassen, weil Struktur und Dienste fehlen. Dabei wird gegen Gesetze verstoßen und der Respekt gegenüber der Menschenwürde fehlt völlig. Borderline Sicilia hat die Erstaufnahmeeinrichtung in der ehemaligen Kaserne Gasparro Bisconte in Messina besucht

Minderjährige Migrant*innen: Gefangen in den Maschen eines Systems, das sie unsichtbar und ohne Rechte haben will

Einschränkung der persönlichen Freiheit, verlängertes Zurückgehalten werden, Verlegung in nicht geeignete Zentren und ohne den geringsten Beistand. Von Pozzallo nach Messina geht die Odyssee der minderjährigen Migrant*innen, gezwungen, sich über Monate dem unmenschlichen Handeln derer auszusetzen, die Schutz vortäuschen, während sie auf leichte Profite aus sind
Zeitgleich zu den neuen Ankünften entzünden sich in Palermo Proteste aufgrund der prekären und nervtötenden Bedingungen in den Einrichtungen für Minderjährige. Es werden Versuche unternommen, Widerstand zu leisten und ein System anzuklagen, das für die Aufnahme sorgen sollte, jedoch faktisch die Rechte mit Füßen tritt und die Verteilung der Migrant*innen über das Land fördert.

Erneuerung der Ausschreibungen und mangelnde Regulierung: Wenn auch das Umfeld den Unterschied macht. Der Fall der Provinz Enna

Die Präfektur von Enna vergibt mittels einer neuen Ausschreibung die Verwaltung der Zentren in der Provinz. Eine Entscheidung, die nach langen Monaten getroffen wurde, in denen die mangelnde Regulierung die Vermehrung einer beliebigen Verfahrensweise seitens der einzelnen Verwaltungsbetriebe befördert wurde. Dies erfolgt zum Schaden der Migrant*innen, die in verschiedenen Einrichtungen beherbergt werden.
In den Einschätzungen des Ordnungsamtes wird aber weiterhin weder die Besonderheit der Gegend um Enna in Betracht gezogen, noch die Notwendigkeit einer gründlichen Informationsarbeit und Sensibilisierung der Bürger*innen. Dies ist unabdingbar, um eine Aufnahme sicher zu stellen, die der Migrant*innen würdig ist, die in der Provinz wohnen. Unzufriedenheit und Fremdenangst breiten sich folglich aus.

Neuigkeiten und Veranstaltungen:
Die Kampagne „LasciateCiEntrare“ stellt ihren Bericht vor.
Borderline Sicilia läutet ein neues Projekt mit Oxfam Italien und der Diakonie der Waldenser ein

Borderline Sicilia hat an der Pressekonferenz teilgenommen, die von der Kampagne „LasciateCiEntrare“ anlässlich des Jahresberichtes organisiert wurde. Der Bericht ist ein Dokument der Anklage, aber auch der Analysen und der Reflexion. Er realisiert eine Informationssammlung auf nationaler Ebene und macht die Konsequenzen eines Aufnahmesystems bekannt, das auf politischer Ebene auf Improvisation basiert, auf widerrechtlichen Praktiken und systematischer Verletzung der Menschenrechte.

Psychologische und soziale Unterstützung, gesetzlicher und materieller Schutz für diejenigen, die aufgrund widerrechtlicher Handlungen der europäischen Regierungen unsichtbar und ihrer Rechte beraubt bleiben. Borderline Sicilia trifft Oxfam Italien um die zukünftige Zusammenarbeit in einem Projekt voran zu bringen, das gemeinsam mit der Diakonie der Waldenser die abgewiesenen und im Land anwesenden Migrant*innen schützt.

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*„LasciateCiEntrare“ - dt. Übersetzung: Lasst uns rein; enthält das Akronym CIE für Centro di Identificazione ed Espulsione: Abschiebungshaft
* „relocation“ – Verlegung in andere europäische Länder
* SPRAR - Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Geflüchtete, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine staatliche Verpflichtung), ca. 3000 - 3500 Plätze in ganz Italien. Soll zur Integration der Geflüchteten dienen. 

Übersetzung aus dem Italienischen von Rainer Grüber