Die Unterkunft für Senior*innen und Menschen mit Behinderung, Villa Solaria, befindet sich in der Gemeinde Sant' Alessio in der Provinz Messina und wird von der Kooperative Azione Sociale geleitet. Durch eine Dringlichkeitsverordnung der Gemeinde Messina wurde in dieser Unterkunft die Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Geflüchtete initiiert. Im letzten Oktober hat die Gemeinde die Umsiedlung der unbegleiteten Minderjährigen in Einrichtungen der Provinz vorbereitet. Dies geschah nach unserer Pressemitteilung und der Überflutung der Turnhalle, welche die totale Unangemessenheit auch struktureller Art der Struktur bestätigt hat, in der 60 Minderjährige untergebracht waren.
Neben der Villa Solaria wurde auch eine andere Seniorenresidenz in der Gemeinde Taormina involviert. Das Zentrum Carlo Zuccaro blieb jedoch nur kurz geöffnet. Die Flucht zweier unbegleiteter Minderjähriger aus der Struktur verursachten nicht nur wütende Proteste der Gruppe „Noi con Salvini“ (Wir mit Salvini) sondern haben auch dazu geführt, dass der Leiter selbst erklärte, dass er die Struktur als ungeeignet für die Aufnahme von Minderjährigen hält.
Im Oktober hat die Villa Solaria 12 der unbegleiteten Minderjährigen aufgenommen. Einige davon wurden dann in ein SPRAR* versetzt, während andere in Erstaufnahmezentren gebracht wurden, nachdem sie ihre Volljährigkeit erreicht hatten. Wir wissen, dass zwei von ihnen jetzt in der Bisconte-Kaserne untergebracht sind. Nach welchen Kriterien die Versetzungen entschieden werden, ist schwer nachvollziehbar. Die Tatsache wiegt schwer, dass unbegleitete Minderjährige über Wochen in einer Turnhalle untergebracht, dann in ein Notfallaufnahmezentrum versetzt und nach dem Erreichen der Volljährigkeit erneut in eine Erstaufnahmeeinrichtung umgesiedelt werden. Da es sich bei der Einrichtung um die Bisconte-Kaserne handelt, scheint die Lage besonders alarmierend.
Die Unterbringung der Minderjährigen in der Villa Solaria hat den Zweck, die Wartezeit zu überbrücken, bis sie die Volljährigkeit erreichen oder sie in eine richtige Einrichtung gebracht werden können. Spezielle entwicklungs- oder selbstständigkeitsfördernde Maßnahmen werden keine geboten. Keiner der Minderjährigen ist zum Beispiel in die Mittelschule eingeschrieben. Zur Zeit sind hier acht unbegleitete Minderjährige untergebracht: drei aus Ägypten, zwei aus Mali, zwei aus Gambia und einer aus Togo.
Um ihnen eine andere Unterstützung als den Senior*innen und den Menschen mit Behinderung garantieren zu können, befinden sie sich ausschließlich und abgesondert in Einzel- und Doppelzimmer im zweiten Stock. Auch ihre Speisezeiten unterscheiden sich von denen der anderen Bewohner*innen.
Am Tag unseres Besuchs wurden wir von Altenpflegerinnen empfangen, die uns mitteilten, dass wir die Jugendlichen und den Dienst habenden Mitarbeiter erst am Abend antreffen werden, da sich gerade alle beim Alphabetisierungskurs befinden.
Trotzdem war es sehr interessant mit dem Pflegepersonal sprechen zu können, auch wenn sie nicht direkt in die Aufnahme der Minderjährigen eingebunden sind. Es waren ihre Erzählungen, dank jener wir eine Idee über die eigenartige Vermischung der Bewohner*innen bekamen. Auch wenn die Eingliederung dieser Jugendlichen anfangs bei allen große Sorge und Spannungen ausgelöst hat, wurde ihre Anwesenheit mit der Zeit zu einem Gewinn, sowohl für die Bewohner*innen als auch für die Mitarbeiter*innen. Aus den Erzählungen der Mitarbeiterinnen wird eine starke Bindung zwischen ihnen und den Jugendlichen deutlich. Eine Verbindung, die später auch von den Jugendlichen bestätigt wurde, die detailliert erläuterten, dass sie den Großteil ihrer Kleidung von den Mitarbeiterinnen erhalten haben.
Als wir am Abend zurückkehrten, konnten wir mit ihnen und mit dem Mitarbeiter sprechen, der uns in den Aufenthaltsraum einlud, wo sich alle aufhielten. Einige spielten Playstation, andere kamen mit uns ins Gespräch. Da sich die Unterhaltung mit den ägyptischen Jugendlichen als recht kompliziert erwies, da keiner von ihnen Englisch und nur einer Italienisch sprach, haben wir spontan nach Sprachmittler*innen gefragt. Die Unterstützung durch Mittler*innen war in diesem Moment nicht möglich, aber wie uns die Verantwortliche später telefonisch mitteilte, ist eine Sprachmittlerin auf Abruf verfügbar.
Im Zentrum arbeiten der Mitarbeiter der anwesend war, laut der Verantwortlichen die Sprachmediation mit den englischsprachigen Jugendlichen übernimmt, sowie zweier weiterer Mitarbeiter*innen, die tagsüber arbeiten. Eine von ihnen ist Psychologin und kann auch diese Art der Unterstützung garantieren Dann gibt es noch zwei Angestellte, welche die Nachtschichten übernehmen. Es gibt keine*n Rechtsberater*in, aber die Verantwortliche versichert uns, dass sie in ständigem Kontakt mit dem Jugendgericht steht, sowie mit den Tutor*innen, die in vielen Fällen Anwält*innen sind. Die Jugendlichen sind also auch in diesem Punkt versorgt.
Es gibt keine*n Italienischlehrer*in, aber die Jugendlichen besuchen jeden Nachmittag einen Italienischkurs in einem Weiterbildungszentrum. Die Gesundheitsversorgung wird von der lokalen Gesundheitsbehörde (ASP*) garantiert und allen steht ein Hausarzt zur Verfügung. Sie erhalten kein Taschengeld, aber wöchentlich zwei Handy-Prepaid-Karten zu je 5 Euro.
Diesbezüglich räumen einige der Jugendlichen ein, seit zwei Wochen keine Prepaid-Karten erhalten zu haben. Der Mitarbeiter erklärt, dass ein gesundheitlich bedingter Ausfall eines Mitarbeiters zu diesem Engpass geführt hat und dass die Prepaid-Karten in Kürze wieder verteilt werden. Andere zögern da ihnen kein Bargeld ausgezahlt werden kann und wieder andere, dass sie von der Organisation zu wenig Kleidung bekommen hätten. Die Mitarbeiterinnen haben sie mit zusätzlicher Kleidung ausgestattet. Einer beschwerte sich über die medizinische Versorgung, da sein Hautproblem noch immer nicht besser sei und die Salbe, die er bekommen habe, keine Wirkung zu zeigen scheine.
Auf die direkte Frage wie es ihnen im Zentrum geht, folgt eine insgesamt positive Antwort. Es gibt nur einen Kritikpunkt der viele von ihnen beunruhigt: auch wenn einige seit wenigen Wochen ihren Asylantrag endlich gestellt haben, wartet der Großteil noch darauf, während drei Jungen aus Ägypten haben noch nicht einmal einen Termin im Präsidium.
Aus der Unterhaltung mit den Jugendlichen und dem Mitarbeiter geht hervor, dass die Wartezeit vom Einwanderungsamt des Präsidiums Messina abhängen würde. Das Amt, so die Betroffenen, würde sie aufgrund fehlender Übersetzer*innen und wegen des nicht funktionstüchtigen Lesegeräts für Fingerabdrücke zwingen, mehrmals zu erscheinen ohne aber zu einem Ergebnis zu kommen. Die Verantwortliche erklärte uns hingegen später, dass die Verspätungen einzig auf Probleme bei der Ernennung der Tutor*in zurückzuführen sind. Dies ist auch der Grund für den verspäteten Asylantrag der drei jungen Ägypter, denn sie haben erst Ende Januar einen Tutor zugesprochen bekommen.
Giovanna Vaccaro
Veröffentlicht von Borderline Sicilia
*SPRAR: Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Geflüchtete, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis
*ASP: Azienda sanitaria provinciale – Regionale Gesundheitsbehörde
Übersetzung aus dem Italienischen von Elisa Tappeiner