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Donnerstag, 29. Oktober 2015

Das Geschäft der schlechten Flüchtlingsaufnahme in Messina

Antonio Mazzeo – Messina, die Stadt der schlechten Aufnahme. Hunderte von Flüchtlingen, halb weggeschlossen in der Zeltstadt von PalaNebiolo1; sie befindet sich auf einem ehemaligen Baseballfeld, das der Universität gehört und im Bezirk Conca d’Oro liegt, im Stadtteil Annunziata. Im Sommer 40 Grad im Schatten, im Winter Kälte, die die Null-Grad-Marke streift. Aber wenn es regnet, wird es noch schlimmer: Ohne Ablaufsystem steht das Gelände unter Wasser und das Zentrum zur ersten Aufnahme versinkt im Schlamm.
In der ehemaligen Kaserne „Gasparro“ im Stadtteil Bisconte, im einzigen Gebäude, das großzügiger Weise nicht für unbetretbar erklärt wurde, werden mehr als 200 Migranten auf einer Fläche von 550m2 in drei engen Zimmern zusammengedrängt; bestückt sind die Zimmer mit Doppelstockbetten, eins am anderen; und beim Essen und beim Duschen gibt es unendliche Schlangen.
Einrichtungen, die unwürdig sind, schrecklich eklig, eine Schande und Schmach der staatlichen Institutionen und der lokalen Verwaltung; die scheinen nicht zu sehen und nicht zu hören und haben, wie immer, beschlossen, nicht zu reden.

In Messina, wie im CARA2 von Mineo, in den CIE3 von Trapani und in den Feldlagern für Migranten und Asylsuchende in Halbitalien, ist die Aufnahme eine verhöhnte, verweigerte und verletzte rechtliche Verpflichtung. Sie ist aber gleichzeitig für die altbekannten Subjekte eine Gelegenheit gewaltige Gewinne zu machen: Pseudo-Genossenschaften, Betriebe, Kleinunternehmen und Non-Profit-Organisationen mit reinem Gewinnstreben. Sie üben arroganter Weise ein Oligopol aus in der Verwaltung der Affäre „Notfall Anlandungen“. Dieser wurde künstlich geschaffen, von der Festung Europa, von dem Ensemble Militärindustrie und transnationale Sicherheit und von den fremdenfeindlichen und rassistischen Meinungsführern. Nachdem die Präfektur von Messina die Zahlen für die Ausgaben im Zeitraum 2013/14 veröffentlicht hat, gibt es den erhärteten Nachweis, dass die schlechte Aufnahme in der Stadt an der Meerenge einer privilegierten Schar von Unternehmern der Solidarität Rechnungsausstellungen in Millionenhöhe beschert hat. Von den ersten Ankünften im sicheren Hafen von Messina im Oktober 2013 bis zum 31. Dezember 2014 hat die Präfektur mehr als 3.225.000 Euro für die Verwaltung der Flüchtlinge verteilt. Das politisch-menschliche Scheitern der durchgeführten Eingriffe wird aus den offiziellen Statistiken der Polizeidirektion von Messina ersichtlich: Von den möglichen 6.880 Asylbewerbern, die in 2014 im Zuge ihrer Verlegung nach Annunziata und Bisconte identifiziert wurden, haben nur 283 die für sie zuständigen Instanzen für den internationalen Schutz getroffen; das sind weniger als 3 Männer und Frauen auf 100 Angelandete, die ins Polizeiregister eingetragen und interniert wurden.

Das Trio der Altbekannten

Ein Gutteil der finanziellen Mittel, die vom Staat in Messina in der Migrantenangelegenheit „investiert“ worden sind, ging an die temporäre Vereinigung von Firmen mit Senis Hospes aus Potenza als Hauptvertreter und unter Beteiligung von Cascina Global Services Srl und des Konsortiums Sol.Co – genossenschaftliche Gesellschaft für Soziales, non-Profit-Organisation. Nach den von der Präfektur herausgegebenen Daten sind der ATI4 2013/14 summa summarum 2.654.633,19€ bezahlt worden (der angegebene und zuerkannte Betrag belief sich dagegen auf 873.536€). Im Einzelnen wurden der von Senis Hospes geführten Vereinigung in einem offenen Verfahren „die Verwaltung des Dienstes der Aufnahme“ in der Zeit vom 1. Januar bis 31. März 2014 übertragen (ausgezahlte Summe 431.395,23€); die Verwaltung wurde dann ein erstes Mal für die Zeit vom 1. April bis zum 30.Juni 2014 (539.225,79€) und ein zweites Mal für den ganzen folgenden Juli verlängert (169.044,84€). Nach den Vertragsbedingungen der Auftragsvergabe hatte das Trio Senis – Cascina – Consorzio Sol.Co jeden Migranten mit Verpflegung, mit einem Taschengeld von 2,50€ pro Tag und mit einem Hygiene-Kit zu versorgen; hinzu kam noch der Gesundheitsdienst. Dafür haben sie 24,33€ pro Tag für jede Person bekommen, die in der Zeltstadt und in der ehemaligen Kaserne von Bisconte „beherbergt“ wurde.

Die Präfektur hat am 17. Juli 2014 einen neuen Wettbewerb gestartet, um eine „neue“ Betreibergesellschaft zu finden, der sie die Betreuung der Asylsuchenden übertragen konnte (vom 1.August bis zum 31.Dezember 2014); es war wieder die Vereinigung mit Senis Hopes an der Spitze, die die Gegner geschlagen hat und die für ihren Dienst einen Betrag von 1.391.217,33€ erhielt. Die „Aufnahme“ wurde dann bis vergangenen Mai verlängert; schließlich musste die Gruppe Senis Hospes, Cascina und Sol.Co die Zentren von PalaNebiolo und Bisconte der halbunbekannten „sozialen Kooperative“ Arca und Medical von Trapani abtreten, die bei der neuen Ausschreibung ein vorteilhafteres Angebot von 23,98€ pro Tag pro Migrant präsentiert hatte.

In der Auflistung der Ausgaben der Präfektur der Provinz von Messina taucht darüber hinaus der Posten „Verlängerung Dienste Aufnahme Migranten c/o Zentrum Conca d’Oro und Kaserne Gasparro-Masotto 31. Dezember 2014“ mit einem Betrag von 39.500€ auf, wieder  derselben Vereinigung von Unternehmen unter der Führung von Senis zuerkannt, vermutlich aber erst im Folgejahr ausgezahlt. Am 31. Dezember 2014 waren auch die Dienste des Trios Seins-Cascina-Sol.Co für die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in der ehemaligen Senioreneinrichtung Fondazione Conservatori Riuniti in der zentralgelegenen Straße San Sebastiano in Messina, die am 25. November 2014 eingeweiht wurde, noch nicht bezahlt. Ursprünglich war das ehemalige IPAB5 als Zentrum für die allererste Aufnahme von ausländischen Bürgern, die internationalen Schutz suchen, gedacht, um die Zeltstadt von Annunziata schließen zu können. Aber in Folge einer Anzeige, dass sich zahlreiche unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in PalaNebiolo zusammen mit Erwachsenen befänden, hat die Präfektur mit außerordentlichem Erlass vom 31. Oktober 2014 die Verlegung von 93 unbegleitete minderjährige Flüchtlingen in die Via San Sebastiano angeordnet; zwischenzeitlich hatten sich Senis und Beteiligte daran gemacht, die Einrichtung für die erwachsenen Asylsuchenden zu renovieren. Das Ex-IPAB, das jetzt „Zentrum Ahmed“ heißt, arbeitet seitdem mit mehr als 200 jungen „Gästen“, die aus laufenden Konflikten im mittleren Osten und Afrika geflohen sind; und das, obwohl die Parameter und die strukturellen Standards für die Unterbringung, die von der regionalen Gesetzgebung vorgesehen sind, dort nicht beachtet werden. Nur zur Information: Die Präfektur von Messina hat Senis und Co. mit der Aufnahme von Migranten in einer Einrichtung in der Kommune Fondachelli Fantina beauftragt, mit Ausgaben von 123.750€ für die Zeit zwischen dem 27.August und 31.Dezember 2014.

Die Ausgabenlisten der Regierungsbehörden enthüllen weiterhin, wie eine weitere und stattliche Tranche der Mittel für die Migranten allein in der Hand von Cascina Global Services gelandet ist; das ist eine rumänische Gesellschaft, gegründet 1978 von einer Gruppe von Studenten, die der Organisation „Gemeinschaft und Freiheit“ nahestehen; sie ist aktiv im Sektor des Gaststättengewerbes und der Zubereitung von Speisen für Schulen, Krankenhäuser etc.; in Messina wird sie vertreten durch den Unternehmer Benny Bonaffini. Insgesamt handelt es sich um 253.626,22€: Ein Teil (145.763,9€) für die zeitweise Beauftragung mit treuhänderischem Akkord für den Dienst, der den Flüchtlingen zwischen dem 9.Oktober 2013 und dem 7.Februar geleistet wurde; der zweite Teil (107.862,32€) entspricht der Vergütung für die Rolle als Betreibergesellschaft der Zeltstadt von Annunziata vom 28. November 2013 bis zum 27.März 2014, nach vorheriger Auftragserteilung in offenem Verfahren durch die Präfektur.

Die schwarzen Flecken in der Berichterstattung

Wirkliche nationale Riesen in der Verwaltung der Dienste im 3.Sektor (Soziales) und in der ehrenamtlichen Tätigkeit sind die genossenschaftlich organisierten Firmen; die haben sich mit Geschick alles oder fast alles am Geschäft mit Migranten an der Meerenge an Land gezogen. Das Konsortium Sol.Co vereinigt eine lange Liste von sozialen Genossenschaften, die in ganz Sizilien präsent sind. Die bekannteste unter ihnen ist das Konsortium Sol.Calatino SCS, im Februar 2003 als Genossenschaft entstanden, die zwischen Caltagirone und Catania operiert und die sich im Bereich Immigration eines Curriculums erster Güte erfreuen kann: Von der Durchführung eines Projektes „zur rechtlichen und psychologischen Beratung“ in 2011 zugunsten unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge in Partnerschaft mit der Kommune von Messina, über die Verwaltung von SPRAR6 in den Gemeinden Caltagirone, Gela, Bronte, Vizzini, Mineo, Licodia Eubea, San Cono, San Michele die Ganzaria, Palagonia, Grammichele, Mirabella Imbaccari und Scordia, weiter: das Zentrum für allererste Aufnahme ausländischer Bürger in Caltanissetta; und schließlich als Co-Verwalter des „Orangendorfes“ von Mineo vom fernen 18.Oktober 2011 an; das Imperium der ehemalige Siedlung des US-Militärs von Sigonella, das zum größten Zentrum für Asylsuchende in Europa wurde.

Auch Senis Hospes profiliert sich als eine der renommiertesten Betreibergesellschaften der CARA, Zentren der Erstaufnahme und SPRAR in Italien. Der genossenschaftlichen Gesellschaft aus Potenza hat die Journalistin Raffaella Cosentino einige Passagen einer Untersuchung über „Das große Geschäft der Aufnahmezentren“ gewidmet, die auf repubblica.it am 16. Oktober 2013 veröffentlicht wurde. „Senis Hospes aus Senise (Pz) hat zum Präsidenten Camillo Aceto. Der wurde, als er Vizepräsident von Cascina war, in einem Prozess in Bari, in dem es um den Essens-Dienst in Krankenhäusern und Schulen ging, angeklagt wegen Fälschung und Betrug in der öffentlichen Versorgung“, schrieb Cosentino. „Der Verwalter des CARA Bari-Palese, 2008 errichtet auf der Luftwaffenbasis aus vorgefertigten Teilen, ist derselbe seit das Zentrum existiert, die lukanische Genossenschaft Auxilium der Brüder Pietro und Angelo Chiorazzo. Auch sie mit Sitz in Senise, steht Auxilium Cascina historisch nahe; zusammen mit ihr befindet sie sich im Zentrum der ATI. Angelo Chiarazzo, Vizepräsident von Cascina ist in die gleichen Untersuchungen des Magistrats von Bari verwickelt, in der auch Camillo Aceto angeklagt ist, seinerseits ehemaliges Mitglied des Verwaltungsrates von Auxilium. Auch Chiorazzo hat eine Verjährung ersten Grades wegen der Straftaten Täuschung und Betrug der öffentlichen Verwaltung…“.Der Zufall will es, dass die Präfektur von Caltanissetta am 22. Januar 2013 einen drei Jahre laufenden Auftrag für die Verwaltung aller Zentren-Lager in der Ortschaft Pian del Lago gerade an eine temporäre Gruppierung von Unternehmen mit Auxilium an der Spitze vergeben hat. Der Zuschlag wurde aber nach der Annullierung des Wettbewerbs erteilt; zunächst hatte diesen die Gruppe, die von der genossenschaftlichen Gesellschaft Domus Caritatis angeführt wurde, gewonnen; zur ihr gehörten auch Senis Hospes, Cascina Global Services und das Konsortium Sol. Calatino. Grund für die Annullierung waren fehlende gesetzlich vorgeschrieben Voraussetzungen.

Das Trio der Firmen hat sich aber in reichem Maße wieder ins Spiel gebracht im Zusammenhang mit der strittigen und fragwürdigen Ausschreibung der Auftragsvergabe über 97 Mill. Euro für die Verwaltung des Mega-CARA von Mineo, die am 24.April 2014 von dem Konsortium Calatino „Terra d’Accoglienza“ beendet wurde. Der Wettbewerb wurde gewonnen von dem temporären Zusammenschluss der Firmen Senis, Cascina und SOL. Co, des Konsortiums der sozialen Genossenschaft Sisifo aus Palermo (LegaCoop), der Baugesellschaft Pizzarotti&C Spa aus Parma (Eigentümerin der Anlage von Mineo) und des Provinzkomitees des Roten Kreuzes Italien aus Catania. Der Rechnungshof klagt in einem Bericht: „Die Ausschreibung für die Verwaltung des CARA von Mineo hat das Erscheinungsbild der öffentlichen Übereinkunft, wie es von Artikel 15 des Gesetzes Nr. 241/1990 umrissen wird, verändert.“ Härter noch das Urteil der nationalen Antikorruptionsvereinigung unter Leitung von Raffaele Cantone, dem zufolge in Mineo gegen die Prinzipien „der Konkurrenz, der Verhältnismäßigkeit, der Transparenz, der Unparteilichkeit und der Wirtschaftlichkeit“ verstoßen worden sei. Die Verwaltung des CARA wurde durch die Ermittler angeprangert, die in Rom in Politik und Wirtschaft ermitteln.
In der zweiten Verfügung, die vom GIP7 des Kapitols bezüglich der Affäre Mineo herausgegeben wurde, spricht man ausdrücklich von „vorhergehenden rechtswidrigen Absprachen, mit dem Ziel, die wirtschaftlichen Subjekte im Vorhinein zu bestimmen, die den Wettbewerb gewinnen würden“, wie auch von „betrügerischem Verhalten, das darin besteht, Inhalte der Ausschreibung des Wettbewerbs dergestalt zu vereinbaren, dass der Zusammenschluss der Firmen begünstigt würde, zu der auch die Firmen der Gruppe La Cascina gehören.“ Wie Linkiesta.it bemerkt, wird in der Anordnung der Sicherungshaft Mafia Capitale Bis, die vergangenen Juni herausging, die Cascina Global Services 167 Mal genannt. Vor allem die Untersuchungen haben für vier ihrer Manager zur Verhaftung geführt: Des Geschäftsführers Salvatore Menolascina; des Vizepräsidenten Francesco Ferrara, von Carmelo Parabita, des Mitglieds des Aufsichtsrates der Gruppe und des Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Cooperative „La Cascina“, Domenico Cammisa. Dem GIP zufolge hätten die vier leitenden Angestellten „mehrere Fälle von Korruption und Versteigerungsstörung begangen, verteilt auf die drei Jahre von 2011 bis 2014. Und das hat  eine ausgeprägte Neigung zum Verbrechen gezeigt“. Besonders untersucht wurden die verflochtenen Beziehungen der Manager zu Luca Odevaine, Mitglied des Runden Tisches der nationalen Koordination der Aufnahme Asylsuchender und Träger des Internationalen Schutzes und Mitglied aller Kommissionen, die ab 2011 die Aufträge für das CARA von Mineo vergeben haben. „Mit Cascina hat Odevaine eine feste und alte Verbindung ungesetzlicher Art“, schreiben die Ermittler, und vermuten eine Zuwendung zugunsten des mächtigen Beraters in Form einer monatlichen „Prämie“ von zunächst 10.000, dann 20.000€ für mutmaßliche Gefälligkeiten im Zusammenhang mit der Zuerkennung der Auftragsvergabe. In Folge des gerichtlichen Erdbebens, das den Koloss des Gaststättengewerbes getroffen hat, hat die Abteilung Präventionsmaßnahmen des Gerichts von Rom mit Dekret Nr. 102 vom 27. Juli 2015 die richterliche Verwaltung der Cascina Global Services angeordnet.

Um die Transporte der Migranten kümmere ich mich - exklusiv!

Nach Messina zurückgekehrt, ist noch hervorzuheben, dass 15% des Gesamtwertes des für den Dienst an den Migranten anvertrauten Betrages (462.992€) in dem Zeitraum 2013-14 durch den sogenannten treuhänderischen Akkord erfolgte. Das ist eine Art der vereinfachten Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen durch die öffentliche Verwaltung. Die ist nach der italienischen Verordnung erlaubt „wenn es sich um einen Vertrag mit geringem Wert handelt“ und es „zur Dringlichkeit eine Veranlassung gibt“. Die Normen schreiben im Einzelnen vor, dass, wenn die Kosten für die Belieferung mit Gütern und Dienstleistungen 40.000€ nicht überschreiten, der für den Vorgang Verantwortliche die Lieferung, um eine mögliche künstliche Zerstückelung der Leistungen zu vermeiden, direkt einem Anbieter übertragen kann; diesen kann er nach seinem Ermessen aussuchen. Bei größeren Beträgen dagegen kann die Übertragung nur im Respekt gegen die Prinzipien der „Transparenz, Rotation und Gleichbehandlung“ vollzogen werden; dann geschieht die Beauftragung nach der Befragung von mindestens 5 Anbietern, die nach der Vorgabe bestimmter Listen durch den öffentlichen Auftraggeber ausgesucht werden.

Wie wir schon gesehen haben, hat die Präfektur den treuhänderischen Akkord benutzt, um der Cascina Global Services die erste Phase des Notstands Aufnahme in Messina zu übertragen. Dann ist diese Vorgehensweise aber das Modell des Systems geworden, um immer wieder demselben Subjekt den Transport der Flüchtlinge von Messina in andere Zentren der ersten oder zweiten Aufnahme auf Sizilien oder in anderen Teilen Italiens zuzuerkennen. Die Lektüre der Daten zum Thema Transport bietet ein reales Abbild dessen, was das System der entmenschlichten Verschleppung bedeutet. Dies wurde angewandt auf die Migranten und Asylsuchenden von verschiedenen Regierungen, die sich in der Führung des Landes abwechseln. Von der Stadt an der Meerenge aus sind Männer und Frauen, die sich auf der Flucht vor den Schrecken des Krieges und globaler Verbrechen befinden, im Bus bis ins Piemont, die Lombardei und das Friaul, Veneto Guilia, andere in die CARAs und CIEs im Lazio, in Kampanien, Puglien und den Marken gefahren worden. Am 22. November 2013 wurden die „Gäste“ Messinas auf einer ermüdenden Sizilientour nach Agrigent, Favara, Castelvetrano und Caltagirone durchgeschüttelt. Am 12. September 2014, nach den unendlichen Anlandungen, wurden die Migranten dagegen zuerst zu den Zentren von Annunziata und Bisconte umgeleitet, dann nach Fondachelli Fantina und schließlich nach Aragona (Agrigent).

Monopoltransporteur bei den erzwungenen Verlegungen der Migranten war die Transportfirma Michele Cucinotta&C. SAS, mit Sitz in dem Örtchen Laderia, Messina. Zu ihren Gunsten wurden in nur 13 Monaten 92 Rechnungen mit einem Gesamtbetrag von 299.266€ (zuerkannt wurden 291.706€) beglichen. Auf der Seite der Präfektur gibt es keine genauen Angaben über die Anzahl der eingesetzten Busse oder der „Passagiere“ der einzelnen Fahrten; es erscheinen nur die Daten und die benutzten Strecken. Die teuersten Transporte waren diejenigen, die gleich nach Weihnachten 2013 stattfanden: nach Rom-Alba; Adriatica, Teramo, San Bendetto del Tronto, Perugia und Bresso (Mi), die insgesamt 36.400€ kosteten; die vom 28. Juli 2014 nach Settimo Torinese (15.525€); nach Gorizia am 18.Februar (14.000€); diejenigen vom 7. Dezember zur Kaserne der Finanzpolizei in Neapel und zum Flughafen Palermo-Punta Raisi und zum Hafen von Augusta bei Messina (11.400€); nach Neapel und Pescara am 20. September (9250); von Pozzallo zum Flughafen von Comiso und Messina am 2.August (7.100€).

Für die Verlegungen ins Zentrum-Lager von Pozzallo am 1.Juni 2014 hat die Michele Cucinotta&C. SAS 6.500€ erhalten; 6.300€ für die Fahrt nach Neapel am 24. März; 5.875€ für die Fahrt nach Palermo am 4.Juli. Zum Hafen von Augusta fuhr man am 4.Januar, am 22.Mai und am 7.Juni 2014 und berechnete für die erste Fahrt 4250€, für die zweite 3.600€ und 4.500€ für die dritte. Am folgenden 16.Juli, um die Meerenge zu überqueren, vom Hafen von Reggio Calabria zum Zentrum des Ortsteils Conca d’Oro-Annunziata werden „moderate“ 2.400€ ausgezahlt. Zum Glück weniger kostspielig der Transfer der Migranten vom Hafen von Messina nach PalaNebiolo: 880€ am 5.Mai, 800€ am 17.April, am 20. und 22. September.
Treuhänderischer Akkord schließlich für den Auftrag zur Anmietung chemischer Bäder anlässlich einiger Anlandungen an der Mole Colapesce (bezahlt insgesamt 11.000€ an die Milae Medical S.N.C. von La Rosa Ferdinando); für Arbeiten des Ausladens und Montierens der Ausstattung in der Kaserne Gasparro di Bisconte (1500€ für die Firma Tecnoimpianti von Minissale Cosimo); für den Kauf von Matratzen für PalaNebiolo (1.995€ an die Firma Gitto Antonio); für die Installation elektrischer Anlagen in der Skandal-Zeltstadt (3.172€ an Mastronardo Placido Impianti Elettrici).

1 PalaNebiolo – Zeltstadt als Flüchtlingsunterbringung
2 CARA – Centro di accoglienza per richiedenti asilo: Aufnahmezentrum für Asylsuchende
3 CIE – Centro di Identificazione ed Espulsione:Abschiebungshaft
4 ATI – associazione temporanea d’imprese: zeitweilige Vereinigung von Firmen
5 IPAB – Istituto pubblico di assistenza e benessere: italienische öffentliche Einrichtung der Wohlfahrt und Unterstützung
6 SPRAR – Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine staatliche Verpflichtung), ca. 3000 - 3500 Plätze in ganz Italien. Soll zur Integration der Flüchtlinge dienen.
7 GIP – Il giudice per le indagini preliminari: Richter für einleitende Untersuchungen

Aus dem Italienischen übersetzt von Rainer Grüber