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Mittwoch, 22. April 2015

450 Flüchtlinge in Augusta angekommen und weitere 200 Flüchtlinge in Pozzallo erwartet

repubblica.it - Freude der geretten Flüchlinge an der Hafenmole von Siracusa. Spannung in einem Aufnahmezentrum für Asylsuchende in Palermo: Ein Nigerianer nahm den Leiter der Einrichtung in Geiselhaft, um eine direkte Aufenthaltsgenehmigung zu erwirken. Vier jugendliche Heimkehrer berichten vom Schiffsbruch nach Kollision mit Schlepper. Die Organisation Migrantes dazu: „Der Kontrast zwischen Menschenhandel während der Reise und Seenotrettung vereinen, für die Förderung von Frieden in den Herkunftsländern.“
Die Welle von Schiffslandungen an den Küsten Sizilien reißt nicht ab. Im Hafen von Augusta (in der Provinz Siracusa) ist das Marine-Schiff „Bettica“ mit 446 Migranten angekommen. Die Flüchtlinge wurden gestern gerettet und von einer Militäreinheit an Bord geholt, wo auch der ein medizinischer Check durchgeführt wurde. Unter den geretteten Einwanderern sind auch Frauen und Kinder. In Pozzallo hingegen werden 220 Einwanderer erwartet, die in der Nacht von einer Marineeinheit der Zollbehörde gerettet wurden. Die 220 Personen befanden sich auf zwei Schlauchbooten ungefähr 40 Seemeilen vor der Küste Libyens. Die Hilferufe trafen über Satellitentelefone im nationalen Zentrum der Küstenwache in Rom ein, das die Koordination der Seenotrettung übernahm und ein Fahrzeug der Organisation „Fiamme Gialle“ (Unterorganization des Zolls) zum Rettungsort umleitete. In der nächsten Zeit wird sich die Bilanz der angekommen Flüchtlinge auf der Insel unweigerlich erhöhen. Vor zwei Tagen erst errreichten die 28 Überlebenden des größten Schiffunglücks in der Geschichte der Einwanderung mit mindestens 850 Opfern Sizilien. Heute morgen bestätigten vier minderjährige Überlebende der Tragödie den Zusammenstoß mit dem portugiesischem Abschleppschiff, das ihnen im Meer Hilfe leistete.
Ankunft in Augusta. Zwei Kinder umarmen sich auf der Brücke des Marine-Schiffes „Bettica“, das am Morgen in Augusta beladen mit Hoffnung und Schmerz angekommen ist: Es ist eine der berührendsten Szenen der Schiffsankunft heute morgen. Die Flüchtlinge wurden gestern gerettet. Sie wurden von einer Militäreinheit an Bord geholt und dann von einem Fischkutter im Kanal von Sizilien weggebracht. Nach der Angst beginnt für diese Kinder und ihre Begleiter ein neues Leben. Die unterschiedlichen Jugendlichen konnten es kaum erwarten vom Patrouillenboot an Land zu gehen und ihre neue Welt zu entdecken. Unter den Neuankömmlingen verlies auch ein Neugeborenes das Schiff im Arm eines Soldaten, der es mit einem Milchfläschen versorgte. Hinter ihm eine Frau, wahrscheinlich die Mutter.
Ermittlungen zum Schiffbruch. Unterdessen werden die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft in Catania, die bereits zwei der Überlebenden verhaftet hat, fortgesetzt. Die beiden wurden von den anderen Überlebenden beschuldigt die Schleuser des großen Kahns zu sein, der umgekippt war. Seit dem Morgen laufen die polizeilichen Anhörungen von  vier minderjährigen Überlebenden des Unglücks vom Sonntag. Zwei von ihnen wurden in ein Büro der Justizbehörde von Catania gebracht und die anderen wurden im Aufnahmezentrum in Mascalucia „La Modonnina“ von Polizeibeamten verhört. „Bevor unser Boot sank, stieß es drei mal gegen das Handelsschiff, dass gekommen war um uns zu retten“, erinnert sich ein 17 Jähriger aus Bangladesch, einer der minderjährigen Überlebenden der Tragödie vor Libyens Küste. Zur Anschuldigung des Einflusses von Alkohol und Drogen auf den Kapitän könne er nichts sagen.“Ich sah ihn rauchen aber ich weiß nicht, was er da rauchte“. Durch die Kollision sind alle im Wasser gefallen: „Ich war eine halbe Stunde im Wasser und habe mich gerettet, weil ich schwimmen kann“. Die Untersuchungen der Staatsanwaltschaft haben ein kriminelles Netzwerk aufgedeckt. Dieses Netzwerk hatte seine operative Basis auf Sizilien in Cara di Mineo und wurde von Eritreern geführt.
Spannung in den Aufnahmezentren. Die Untersuchungen konzentrieren sich auch auf die kleinen, bereits überfüllten Aufnahmenzentren, wo die Anspannung sehr hoch ist. Unter der Anschuldigung der Freiheitsberaubung hat die Polizei heute den 35 jährigen Nigerianer O. F. verhaftet. Gestern hatte er den Verantwortlichen des Aufnahmezentrums in Borgetto (Palermo) bedroht und in einem Zimmer eingesperrt, weil er unmittelbar eine Aufenthaltsgenehmigung und eine Krankenversicherungskarte wollte. Nach der Meldung durch die Mitarbeiter des Zentrums, das durch die Kooperative „Sviluppo solidale“ (Solidarische Entwicklung) geleitet wird, griff die Polizei ein. Sie fanden den Nigerianer, der seit März 2014 Gast im Zentrum ist, im Speisesaal, wo er den Verantwortlichen der Einrichtung als „Geisel“ gefangen hielt.
Die Welle der Gastfreundschaft. In Sizilien ist eine Welle der Solidarität von Seiten der Einwohner und Verbänden angerollt, um den Flüchtlingen zu helfen. Das Rote Kreuz hat unter anderem eine Telefonnummer für Familienangehörige der Flüchtlinge eingerichtet, die sich auf dem verunglückten Schiff befanden. „Es ist ein Skandal“, bekräftigt der Generaldirektor des Vereins Migrantes, Herr Giancarlo Perego, „dass die europäische Einwanderungspolitik nicht unverzüglich Operationen und Maßnahmen einsetzt, um die Suche und Rettung auf See zu stärken und stattdessen Operationen zur Kontrolle der Grenzen bevorzugt. Den Menschenschleusern, die bereits Verbindungen zur europäischen Mafia und dem internationalem Terrorismus haben, kann man nur das Handwerk legen, wenn man gleichzeitig die Rettung von Menschen mit dem Kampf gegen den Menschenhandel verbindet.“ Aus diesem Grund ist es, laut Migrantes, notwendig „eine Kontrolloperation im Mittelmeer“ zu erschaffen, „die bis zu zur libyschen Küste reicht und die internationalen Organisationen miteinbezieht, um in erster Linie Menschen in Seenot zu retten. Es sollte auch die Möglichkeit mit einbezogen werden, durch eine solche Operation Zeugen und Zeugenaussagen gegen die Menschenhändler zu erhalten. Es sollte ein Plan für Frieden und Re-Stabilisierung der Sicherheit der Menschen an der afrikanischen Küste des Mittelmeers, in Libyen und Ägypten, ausgearbeitet werden, wobei auch  Projekte unter internationalen Zusammenarbeit für die Wiedereinreise von Personen aktiviert werden sollten.“



Aus dem Italienischen von Sebastian Frese