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Sonntag, 1. März 2015

Es regnet und das Feld wird überschwemmt. Die Europaabgeordnete Eleonora Forenza dazu: „Die Zeltstadt muss geschlossen werden“

Ein überschwemmtes Feld und Migranten im Schlamm. Nichts Neues in der Zeltstadt beim PalaNebiolo. Nach den letzten starken Regenfällen befindet sich das Baseballfeld in einem äußerst kritischen Zustand. Die Ursache des Problems wurde bereits von Feuerwehrkräften im Oktober 2013 während einer Ortsbegehung gemeldet: Eine defekte Entwässerungsanlage des Baseballfeldes führt in den Wintermonaten häufig zu Überschwemmungen. Besonders betroffen davon, ist die Meeresseite des Feldes.

Nachdem sich das Spektakel der zweiunddreißig überschwemmten Zelte vor den Augen der Parlamentarier Erasmo Palazzotto (Sel) und Francesco d´Uva (M5S) sowie der Abgeordneten Valentina Zafarana abspielte, bekam nun auch Eleonora Florenza, Europaabgeordnete von „Das Andere Europa mit Tsipras“ das überschwemmte Feld zu Gesicht, als sie am heutigen Morgen das Erstaufnahmezentrum in Messina inspizierte. Begleitet wurde sie von Bürger- und Regionalvertretern der Vereinigungen „Das Andere Europa“,„Rifondazione“ (Neugründung) und „Veränderung von unten – Messina“– namentlich Mimmo Cosentino, Maurizio Rella und Alfredo Crupi – sowie von mehreren Aktivisten. Es folgen die Eindrücke von Eleonora Forenza: „Dies ist ein Gefüge ohne jegliche rechtliche Satzung und mit offensichtlichen strukturellen Mängeln. Es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich ein völlig überschwemmtes Zentrum besuche. Die einzige mögliche Antwort auf diesen Skandal ist die Schließung dieser Zeltstadt. Dies ist meine Antwort.“ Derzeit sind im Zentrum circa 60 Personen untergebracht, alle männlichen Geschlechts und subsaharischer Herkunft. Im Gespräch mit den Migranten wurde ihr Unbehagen deutlich, welches durch das Leben in den Zelten und der Kälte entsteht. Hinzu kommt, wie Forenza berichtet, dass „die Duschen in keinem guten Zustand sind und auch wenn einige davon laut Beschilderung exklusiv für Frauen seien, sind es de facto aber Gemeinschaftsduschen“. Das Zentrum hat in der Tat in der Vergangenheit auch Frauen und teilweise Kleinfamilien beherbergt.

Dies sind die leider bekannten Zustände der Zeltstadt. Über die weiteren zwei städtischen Zentren für Migranten konnte aus Zeitgründen kaum etwas gesagt werden. Es handelt sich hierbei um das Zentrum in der ehemaligen Kaserne von Bisconte, in dem das Innenministerium ein CARA*  mit (mindestens) 600 Plätzen einrichten möchte und um den umstrittenen IPAB* „Scandurra Osservatori Riuniti“. Laut einer öffentlichen Bekanntmachung des Ordnungsamtes sei Letztere als eine Struktur für Asylsuchende gedacht. Nachdem im vergangenen Herbst der Skandal um Hunderte von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen bekannt geworden war, die in den Zelten des PalaNebiolo ungeachtet ihres Geschlechts sich selbst überlassen worden waren, wurde die „Scandurra Osservatori Riuniti“ jedoch auf Anordnung des Ordnungsamtes in eine Einrichtung für circa 150 unbegleitete Minderjährige umgewandelt. 

Generell liest man in dem von den Mitgliedern des „Das andere Europa Messina“ erstellten Dokument bezüglich der Migrationspolitik unseres Landes:
„Der Empfang made in Italy ist ein Beispiel von Feindseligkeit: Isolierte und überfüllte Zentren, in denen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Sprache über die Maßen eingepfercht und gezwungen werden, in einem Strafvollzugsregime oder ähnlichem zu leben, auch wenn sie keine einzige Straftat begangen haben. Ohne jegliches Recht auf Selbstbestimmung bei der Suche nach Arbeit oder nach Verwandten und Freunden“. Und über die Zentren in Messina erklärt „Das Andere Europa Messina“, dass zusätzlich zu dem Zeltstadtskandal „die Situation in der ehemaligen Kaserne Gasparro di Bisconte nicht weniger beschämend ist: Die Migranten leben zusammengedrängt in riesigen mit Hochbetten vollgestellten Zimmern, ohne jegliche Privatsphäre und Würde, in grauenhaften Zuständen, auch hier ungeachtet ihres Geschlechts“. Und bezüglich der unbegleiteten Minderjährigen wird darauf hingewiesen, dass „wenn auf der einen Seite Gesetze wie die Präsidialverordnung vom 13.08.2014 die strukturellen Standards der Aufnahme von ausländischen unbegleiteten Minderjährigen in Sizilien erhöhen, so werden auf der anderen Seite kleinere Institutionen aus den Ausschreibungen ausgeschlossen, wie z.B. religiöse Einrichtungen, Wohnheime und soziale Wohnprojekte“.

Dies betrifft speziell Messina und allgemein Italien. Im Bereich der europäischen Politik, in dem auch Forenza als Europaabgeordnete tätig ist, konnte der Diskurs bezüglich der Dublin-III-Verordnung nicht ignoriert werden. Dieses Gesetz zwingt Migranten zur Asylbeantragung in jenem Land, in dem ihre erste Identifikation stattfindet und nicht in einem Land eigener Wahl – viele Migranten haben tatsächlich andere Ziele innerhalb Europas. Durch diese Prozedur müssen sie jedoch in Italien bleiben, um nicht in die Illegalität abzurutschen. Diesbezüglich hat Forenza mitgeteilt, dass „Das Andere Europa“ die Dublin-Verordnung zu ändern gedenke. Wenn sie gefragt wird, wie eine solche Veränderung aussehen soll, antwortet sie: „Diese Menschen fliehen vor Kriegs- und Hungerszenarien, weshalb es wahnsinnig ist, sie an der Weiterreise zu hindern. Eine Lösung könnte sein, die Bearbeitung der Asylanträge in den Herkunftsländern zu ermöglichen“.
Auch wenn sie eine Kollegin des anderen italienischen Europaabgeordneten Matteo Salvini ist, hat Eleonora Forenza eine klare Meinung zu der Überwachungspolitik der europäischen Grenzen durch den Einsatz von Operationen wie die von Frontex koordinierte Triton: „Mit solchen Aktionen übernehmen wir die Verantwortung dafür, weiterhin Hunderte von Menschen im Meer sterben zu lassen“.
Nach der Inspektion der Zeltstadt begrüßte die Europaabgeordnete kurz den Bürgermeister Renato Accorinti im Rathaus.
Eleonora Corace.

*CARA – Aufnahmezentrum für Asylsuchende
*IPAB – italienische öffentliche Einrichtung der Wohlfahrt und Unterstützung

Aus dem Italienischen von Linde Nadiani