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Dienstag, 20. Januar 2015

Eine Woche der Proteste in der Provinz Caltanissetta

Für einige Zentren in der Provinz Caltanissetta war das eine intensive Woche. Vergangenen 13. Januar haben circa 50 Gäste des CAS*, das innerhalb des Altenheims Ipab Pagano eingerichtet wurde und in dem zurzeit ungefähr 150 Asylsuchende leben, gegen die unerträglich langen Wartezeiten zur Vorladung vor die regionale Asylkommission für die Anerkennung auf internationalen Schutz protestiert. Um ihren Protest deutlich zu machen und eine Antwort zu bekommen haben sie ihre Matratzen außerhalb des Zentrums niedergelegt und sind in den Hungerstreik getreten. Es handelt sich um Asylsuchende aus Pakistan, die im vergangenen März in die besagte Einrichtung gekommen sind und die seitdem auf die Vorladung zur Anhörung durch die Kommission warten.
Einen Tag nach Beginn des Protestes ist der Bürgermeister von San Cataldo zusammen mit einer Delegation der protestierenden Gruppe in der Präfektur von Caltanissetta vorstellig geworden, um eine Antwort zu beschleunigen.
Die Delegation hat auf diese Weise ein Treffen mit dem Präsidenten der Kommission (stellvertretender Vize-Präfekt der Präfektur von Caltanissetta) erreichen können. Er hat ihnen versichert, dass die Kommission in den nächsten Tagen zusammenkommt, um ihre Unterlagen zu prüfen.
Wir erinnern in diesem Zusammenhang daran, dass es bereits feste Praxis der Regionalkommission von Caltanissetta ist, innerhalb von zwei Wochen vor der Vorladung die Vorlage der Dokumentation zu verlangen. Auch die Betreiber einiger CAS haben uns erzählt, dass ihre Zusammenarbeit in diesem Sinne verlangt wurde.
Es ist daher wahrscheinlich, dass man mit „die ganze Dokumentation prüfen“ tatsächlich die Prüfung der beweiskräftigen Dokumentation meint, die zuvor der Kommission zugestellt wurde.
Diese zweifelhafte und nicht vom Gesetz vorgesehene Praxis hat zum Ziel, die Zeit der Anhörungen bzw. ganz allgemein die Wartezeit bis zur Anhörung zu verkürzen. Trotzdem tragen wir weiterhin Geschichten von Asylsuchenden zusammen, deren Anhörung bis zu 8 Stunden dauerten, um dann noch einmal für weitere 3-4 Stunden vorgeladen zu werden.
Am Tag des Protestes von San Cataldo ist auch in der Stadt ein neuer Protest entflammt. Einige Asylbewerber, Gäste des Zentrums, haben ihre Verbitterung über die langen Zeiten, die die Asylkommission braucht, zum Ausdruck gebracht und die Provinzstraße vor dem Aufnahmezentrum blockiert.
Im Dezember hingegen protestierten die Gäste des im Zentrum gelegenen CAS', in dem ca. 60 Asylbewerber untergebracht sind.
In der Provinz gibt es einen weiteren Grund zur Klage: Einige Asylbewerber sind der Meinung, dass für die Vorladungen nicht die Reihenfolge der Protokollnummern der Asylanträge berücksichtigt würde. Sie behaupten, dass die Gäste, die in bestimmten Zentren der Provinz (und von denen sie direkte Kenntnis haben) untergebracht sind, ihre Vorladung mit einer gewissen Priorität im Vergleich zu denen, die in anderen Zentren leben, bekämen. Die Protokoll-Nummer des Asylantrags ist der einzige objektive Anhaltspunkt zur Bestätigung ihrer Behauptung, aber das Interview bleibt weiterhin abhängig von der Verfügbarkeit der Dolmetscher. Dieser Umstand kann manchmal die Reihenfolge der Liste verändern.

Das lange Warten auf die Anhörung, das bei einigen Kommissionen 14 Monate überschreitet, stellt eines der Hauptprobleme des Asylsystems in Italien dar. Es handelt sich um eine Zeit im Schwebezustand, in der viele der Asylsuchende dazu verdammt sind, in der Passivität zu leben. Und weil in den Erstaufnahmezentren kein Hilfsmittel für die Zukunftsgestaltung angeboten wird, wird den Menschen die Persönlichkeit genommen und die menschliche Würde verletzt.
In diesem Zusammenhang muss man von der tragischen Situation tausender Asylsuchender sprechen, denen es nach so vielen Monaten in den verschiedenen überall verstreuten und weit abgelegenen CAS gelingt, in eines der SPRAR**-Projekte von eingegliedert zu werden, sie zahlen einen hohen Preis für die Organisation des Aufnahmesystems; tatsächlich wird fast immer von einer Provinz in die andere, oft von Nord nach Süd und umgekehrt verlegt. Nicht selten wechselt mit der Provinz auch die Zuständigkeit der regionalen Asylkommission. Die vielen Monate des Wartens in einem CAS zählen dann nicht mehr, die Zeit wird auf Null zurückgestellt und alles beginnt von vorne.

Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia

Aus dem Italienischen von Rainer Grüber

*CAS - Centro di accoglienza straordinaria, außerordentliches Aufnahmezentrum
**SPRAR - Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis (keine staatliche Verpflichtung), ca. 3000 - 3500 Plätze in ganz Italien. Soll zur Integration der Flüchtlinge dienen.