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Freitag, 19. Dezember 2014

Ein Spruchband in PalaNebiolo. Aktivisten betreten das Zentrum, die Präfektur entscheidet über die Ausschreibung 2015

tempostretto
Die Mitglieder des Antirassistischen Netzwerkes sind in das Zentrum PalaNebiolo eingedrungen und haben ein Spruchband an das Gitter der Einrichtung angebracht. Das Zentrum wird  als vorübergehendes Aufnahmezentrum für Migranten genutzt. In der Zwischenzeit hat die Präfektur die Teilnehmerumschläge für die Verlängerung der Migrantenzentren in Bisconte und PalaNebiolo für 2015 geöffnet. Es handelt sich um insgesamt 440 Plätze.
Es hat nicht an spannungsgeladenen Momenten mit den Ordnungskräften gefehlt als die Demonstranten das Gittertor des Aufnahmezentrums passiert haben. Die demonstrative Aktion von gestern Vormittag stellt den Höhepunkt der Einweihung des wiederbelebten antirassistischen Netzwerkes Messinas. Die Demonstration began mit einem Sit-in vor den Toren der Zeltstadt, welche ein Symbol für schlechte Aufnahme und verletzt Rechte darstellt. Es endete mit der Invasion der Einrichtung und der Besfestigung des Spruchbandes. Abschließend haben die Demonstranten das Aufnahmezentrum unter dem Applaus und dem Lächeln der Migranten verlassen. Ein Spruchband in PalaNebiolo. Drei Aktivisten sind auf einen Gittermast geklettert, um es aufzuhängen – zusammen mit einem NoMuos und einem NoTav Banner – während die restlichen Demonstranten das Gebiet besetzten. Die Mobilisierung in Messina ist das Nachwort zum globalen Aktionstag für die Rechte der Migranten, Flüchtlinge und Evakuierten, der in aller Welt am 18. Dezember begangen wird.

Es ist bereits ein Jahr vergangen, seit der Sportplatz von PalaNebiolo übergangsweise zu einem Aufnahmezentrum für Migranten umfunktioniert wurde. Erst die Öffnung des Sportplatzes, dann die Errichtung von 32 Zelten mit jeweils 8 Plätzen. Die Einrichtung, die ohne richterliche Anordnung besteht und nicht der ministerialen Kategorisierung von Aufnahmezentren entspricht, hatte von Anfang an den Aufbau und die Aufgabe eines Verteilungszentrums. Die Migranten werden nach Messina verlegt und von dort aus in andere Zentren in ganz Italien verteilt. Die Zeitspanne der Verlegung variiert dabei zwischen einigen Wochen und ein paar Monaten.


Als die ersten fünfzig Eritreer die Schwelle des Sportplatzes überschritten, um auf den Klappbetten zu schlafen, die in der Halle aufgestellt wurden, sagte man sich, dass es nur für eine Woche wäre. Erst durfte das Zentrum nur für einen Monat in Betrieb sein, um dann mit einer Vertrauensverlängerung gegenüber der Geschäftsleitung, die im Dezember 2014 endet, weiterzulaufen. Eine weiter Verlängerung des Zentrums für 2015 ist bereits bewilligt – vom 01. Januar bis 31. Dezember 2015. Dienstag den 16. Dezember wurden die Umschläge geöffnet, die die Angebote der Bewerber auf die Ausschreibung des Präfekten, die am 02. Dezember herausgegeben wurde, enthielten. Diesmal sind es 10 Teilnehmer und die Präfektur hat die Durchsicht bereits begonnen, um das günstigste und vorteilhafteste  Angebot auszuwählen. Der Auftrag sieht 440 Plätze vor, von denen 240 in PalaNebiolo und 200 in der ehmaligen Kaserne von Bisconte geschaffen werden sollen. Diese weitere Ausschreibung bestätigt das Vorhaben des Ministeriums, das eine Früherfassung von drei italienischen Städten vorsieht – darunter Messina – um drei große Verteilungszentren für Asylbewerber zu schaffen – welche “Hub” genannt werden. Die Absicht des Ministeriums ist es das Fassungsvermögen der entsprechenden Zentren auf mindestens 800 Personen auszuweiten. Eine einfach zu erreichende Zahl, wenn man die eventuelle Umstrukturierung der beiden momentan nicht begehbaren Komplexe der ehmaligen Kaserne in Bisconte in Betracht zieht.


Zusammen mit der Ex-Kaserne in Bisconte – die seit dem vergangenen Sommer genutzt wird – und dem ehmaligen Ipab Conservatorio Riuniti von Messina, wo einige unbegleiteten minderjährige Flüchtlinge hin verlegt wurden, stellt die Zeltstadt PalaNebiolo für das Antirassistische Netzwerk “die Art von Aufnahme, die unter dem Visier der Justiz zu einem Geschäft innerhalb der Zentren, wie den CARA und den CIE, geworden ist” dar. Das antirassistische Netzwerk setzt sich aus verschiedenen Gruppierungen zusammen, die sich seit langem mit sozialen Themen beschäftigen, wie das Theater Pinelli, la Casa Rossa (das rote Haus), il circolo Arci (der Arci Kreis), l’Arcigay (Schwulen- und Lesbenvertretung von Arci), Cambiamo Messina dal Basso (Verändern wir Messina von unten), Orsa etc.. Bei der Initiative wirken auch zwei Bezirksräte mit, Santino Bonfiglio und Francesco Mucciardi – und der Stadtrat Luigi Sturniolo. Auch beteiligen sich viele Studierende. Das Bestreben liegt in einer regionalen Koordination. Der erste Termin hierzu ist eine geplante Demonstration ende Februar, wie Tania Poguish, Präsidentin des Vereins Migralab Sayad, erklärt.
Auf dem Spruchband am Gitter von PalaNebiolo steht:”Kein Krieg. Keine Grenzen. Keine Militarisierung der Aufnahme. Keine Verwüstung.” Der Leitfaden einer gerechten Aufnahme und einer Verteidigung der Territorien. ”Wir haben auch die NoMuos und die No TAV Flaggen aufgehängt, um unsere Verbundenheit mit unseren Mitkämpfern gegen diese unnütze Megaanlage auszudrücken, die gestern unrechtmäßigerweise zu 3 Jahren und 6 Monaten Haft verurteilt wurden. Wir haben es in dem Wissen getan, dass wir einer Macht gegenüber stehen, die inhuman handelt und dem Volk ihr Territorium wegnimmt, die selbe durch starke Kontrollsysteme zerstört. Die mittlerweile von oben bombardiert, die Aufnahme militarisiert und Haft- und Semi-haft-situationen für Migranten schafft.“ Man dentk sofort an die lokalen Initiativen gegen die Überlandleitungen im Tal von Mela und die Ram (Öl-Raffinerie) von Milazzo.
Viele Migranten lächeln den Aktivisten zu. Es sind sehr sehr junge Afrikaner, einige von ihnen offenbar minderjährig. Sie beklagen sich über die Einrichtung, in der sie gezwungen sind zu leben, vor allem wegen der kalten Temperaturen in den Zelten. Die Kleidung, die sie tragen, ist der Jahreszeit nicht gerecht und wie sie selbst sagen, haben sie einiges aus dem Müll zusammengesucht. Sie sind seit zwei Wochen in Messina, ihre Rechte und die Prozedur, die sie erwartet, sind ihnen noch unklar. Sie leiden unter anderem auch an dem Mangel an Privatssphäre. Sie sind gezwungen zusammengefercht zu leben. Klagen, die seit einem Jahr immer wieder zu hören sind – zusammen mit der Veröffentlichung verschiedener Berichte der Asp, die die größen hygienischen Mängel in der Einrichtung unterstreichen. Das antirassistische Netzwerk betont die Notwendigkeit die Zeltstadt zu schließen und tritt für eine neue Phase der Aufnahme ein. Nämlich endlich einer humanen.


Eleonora Corace


Aus dem Italienischen übersetzt von Viktoria Langer