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Dienstag, 2. September 2014

Zweifache Anlandung im Hafen von Catania, und die Palaspedini erwacht wieder zum Leben

Es gibt nur das Meer in diesen großen blauen Augen, die mich ansehen, um sich gleich wieder abzuwenden und sich hinter dem müden Lächeln des Vaters zu verkriechen. Das kleine Meer, das nur 5 Monate alt ist, setzte gemeinsam mit den Eltern und dem kleinen 5jährigen Bruder, der jetzt im Dunkeln der Palaspedini in Catania mit einem Ball spielt und sich sein Recht nimmt Kind zu sein, wie die anderen, über.
Es ist 9 Uhr morgens als am Hafen von Catania die Anlandung von 236 syrischen, siro-palästinensischen und libyschen Flüchtlingen beginnt. Unter ihnen sind 39 Frauen und 70 Kinder. Sie wurden am Tag zuvor von einem schwedischen Handelsschiff, das normalerweise Kraftfahrzeuge transportiert, im Kanal von Sizilien aufgenommen.
Die Flüchtlinge kommen in Folge einer Verlegung auf einem Schlepper der Küstenwache am Kai an, denn der große Frachter kann auf Grund des starken Windes nicht anlegen. Die Aufnahmemaschinerie ist schon seit 8Uhr morgens aktiv: sich abwechselnde Polizisten, Soldaten, Carabinieri und Finanzpolizei, Personal des Zivilschutzes Catanias und Ärzte vom Roten Kreuz. Es fehlen die Organisationen vom Präsidium, während die anwesenden Mitarbeiter des CARA aus Mineo, Mitglieder der Genossenschaft „Sol.co“, Wasserflaschen verteilen und mit den Flüchtlingen sprechen. Seit einem Monaten sind unvermeidlich die Verantwortlichen der Agentur Frontex vor Ort, die, Dank der Kooperation mit der italienischen Polizei,  im Augenblick der Anlandung Informationen aufnehmen. Wie so oft bemerkt man gleich die Anwesenheit auch von sehr kleinen Kindern unter den syrischen Flüchtlingen. Sie klammern sich an die Eltern, haben Angst sie zu verlieren, gerade jetzt wo der Todeskampf ein Ende zu haben scheint. Wie üblich werden die Migranten fotografiert und jedem wird eine Nummer zugeteilt, die mit dem Filzstift auf das Handgelenk geschrieben wird. Danach werden ihnen Socken, Getränke und Kekse ausgehändigt und man lässt sie in die Busse der Kommune einsteigen. Ziel: Palaspedini, die Sporthalle, die bis vor einigen Tagen von Männern und Frauen aus Afrika besetzt war, die nun Gäste des Cara in Mineo sind. Die Ankömmlinge sind nicht stark verletzt, doch unter ihnen befinden sich zwei schwangere Frauen und ein Mann mit Unwohlsein auf Grund der Reise, sie wurden mit dem Krankenwagen weg transportiert.
Im Laufe des Tages begebe ich mich zwei Mal in die Nähe der Sporthalle: Sofort nach der Ankunft, als die Identifizierung noch abläuft und die Personen in das Innere der Sporthalle gebrachte werden und noch einmal um 17.30Uhr des gleichen Abend. Die Carabinieri sind vor der Einrichtung stationiert, die Identifizierung dauert noch an und nur die Mitarbeiter des Cara von Mineo haben die Befugnis einzutreten. Mit Maria und Anita, den zwei norwegischen Mädchen, die von Sizilien aus all den Menschen eine Stimme geben wollen, die  in ihrem Land hoffen Frieden zu finden, schaffe ich es einige Fragmente der Geschichte einzusammeln. Ein syrisches Mädchen kommt raus, um Luft zu schnappen, sie wartet darauf Nachricht von ihrer Mutter zu erhalten, ein Junge setzt sich neben sie und schafft es ihr ein Lächeln zu entlocken. Sie erzählen, dass sie 8 Tage auf dem Meer waren, bevor sie gerettet wurden. Es waren drei Schiffe auf dem Weg, „zwei aus Metall und eines aus Holz, das aus Holz ist verschwunden“, erzählt ein anderer Syrer und fragt, ob die Nachricht verbreitet wird.
In der Zwischenzeit, ab ca. 17Uhr, hat in Catania eine zweite Anlandung begonnen. Diesmal hat ein Handelsschiff unter der Flagge der Marshall Inseln Notruf im Kanal von Sizilen ausgesendet, sagen sie mir im Hafenamt von Porto. Es ist mir nicht möglich mich anzunähern, weil einige Meter vom Anlegeort Sperren aufgestellt wurden, aber ich bemerke, dass außer den heute morgen anwesenden Personen ein Mitarbeiter von Save the Children hinzugekommen ist. Es wurden 237 Personen syrischer und somalischer Herkunft gerettet. Von ihnen sind 40 Frauen und 9 Minderjährige. Der große Frachter legt direkt am Kai an, während im Hafen fünf Busse ankommen, mit denen die Migranten, nach offiziellen Berichten, auf Catania und Messina aufgeteilt werden. Ein somalischer Junge setzt sich neben mich, die Augen hoffnungsvoll auf das Schiff gerichtet, er ist seit 2011 in Italien und wartet auf seinen Bruder.

Beatrice Gornati, Borderline Sicilia Onlus

Aus dem Italienischen von Viktoria Langer