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Freitag, 5. September 2014

Die Gewalttätigkeiten gegen die Migranten gehen weiter. Einzelfälle oder sich massiv ausbreitende Intoleranz?


Die unbegleiteten Minderjährigen, die im B&B 'Aloha von Portopalo', welches als Erstaufnahmezentrum genutzt wird, untergebracht sind, haben mehrfach beklagt, dass sie von der ortsansässigen Bevölkerung entlang der Straße beleidigt worden seien. Erst gestern haben wir von den Zeugenaussagen der Migranten berichtet, die seit elf Monaten im SPRAR (sistema di protezione per richiedenti asilo e rifugiati – Schutzssystem für Asylbewerber und Flüchtlinge) von Palagonia, in der Provinz Catania, leben. Sie haben wiederholt gewalttätige Angriffe durch einige Jugendliche des Ortes erlitten, auch körperlicher Art.

Der Bürgermeister von Aci St. Antonio, einer kleinen Gemeinde in der Gegend von Catania, hat gestern eine Pressemitteilung herausgegeben, in der er einen schwerwiegenden Fall von Einschüchterung gegenüber den Migranten bekannt machte, die in dem Zentrum untergebracht sind, nachweislich in der Nacht vom 28. auf den 29. August d.J.
In der Mitteilung heißt es: „Gegen ein Uhr in der Nacht sind zwei italienische Jugendliche in die Einrichtung Via Umberto 72 eingedrungen; um den Gästen der Einrichtung ihre Anwesenheit zu demonstrieren und mit dem Ziel, sie nach draußen zu locken, haben sie begonnen, mit Fäusten gegen die Türen der Schlafräume zu trommeln (nach dem, was sich aus der formellen Anzeige rekonstruieren lässt). Als sie ihnen folgten, um eine Erklärung zu verlangen, sahen sich die Flüchtlinge einer kleinen Menschenmenge italienischer Jugendlicher gegenüber (ungefähr 20 Personen); einige von ihnen haben die Gäste des Zentrums mit Beleidigungen angegriffen und sogar bespuckt. Die Verantwortlichen der sozialen Kooperative Luoghi Comuni Onlus haben, kurz nachdem sie informiert wurden, bei den Carabinieri von Aci Sant‘Antonio Anzeige erstattet.“

Ich habe mich gegen 11 Uhr am selben Vormittag zum Zentrum begeben; es war aber ohne vorherige Genehmigung weder möglich, zusätzliche Informationen zu erhalten noch mit den Gästen des SPRAR zu sprechen. Nach dem, was mir von den Verantwortlichen, die mich empfangen haben, berichtet wurde, handelt es sich um einen Einzelfall. „Im Augenblick ist die Situation absolut ruhig“, erklärten sie mir.

Eine trügerische Ruhe. Denn gegen zwei Uhr in dieser Nacht ist die Kaserne Gasparro di Bisconte in der Nähe von Messina, die seit ungefähr einer Woche als Erstaufnahmezentrum für Migranten genutzt wird, von einer Autobrandbombe getroffen worden, - mit dem Ziel die Migranten einzuschüchtern. Wie von der Lokalzeitung „La Gazetta del Sud“ berichtet wurde, soll ein mit Benzin übergossener Fiat Panda, der an der Einfassungsmauer der Kaserne geparkt war, durch vier Pistolenschüsse zur Explosion gebracht worden und im hinteren Teil abgebrannt sein. Vor Ort seinen die Feuerwehr und ein 'squadra mobile' (mobiles Einsatzkommando) zum Einsatz gekommen. Das Motiv dieser kriminellen Handlung bleibt zu klären. Aber den Berichten zu Folge, soll es sich um eine Warnung von jemandem handeln, der die Unterbringung der Migranten in der Kaserne nicht akzeptieren wollte.

Beschwichtigungen wie „Alles in Ordnung“, „Die Situation ist ruhig“, „Es sind nur Einzelfälle“ werden durch die Fakten wiederlegt, die nur immer mühsamer ans Licht kommen.

Beatrice Gornati
Borderline Sizilien

(Aus dem Italienischen von Rainer Grüber)