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Freitag, 24. Februar 2012

Vittoria, gedemütigte und beleidigte ausländische Arbeiter

Von Antonello Mangano

„Wir arbeiten Tag und Nacht“, das sagte uns einer der Tunesier aus Vittoria. Einer von denen, die ihre eigenen Ersparnisse eingesetzt haben, um ein wenig Eigentum zu erwerben. Einer von denen, die einem dreißigjährigen System von Ausbeutung entkommen sind, das den Italienern grünes Gold (Gemüse) und den Ausländern Hunger garantiert hat. Ein heute erschienener Artikel in der Repubblica (italienische Tageszeitung) beschuldigt die Migranten  Strohmänner der Mafia zu sein. Ohne den Hauch eines Beweises.

Vittoria (Region Ragusa): „Wir arbeiten Tag und Nacht. Ich habe einen Teilhaber, meinen Schwager, Tunesier wie ich. Wir bauen Tomaten und Auberginen an. Wir haben gemeinsam 7000 Quadratmeter Gewächshäuser angemietet.“ Wir haben Fouad 2012 getroffen. Sein Bericht ist aus dem Buch „Ihr nennt sie Illegale“, von Laura Galesi, entnommen. Er ist eine Stimme unter vielen, die die tunesische Comunity in der Umgebung von Ragusa zählt. Sie sind vor über dreißig Jahren hergekommen und haben die Wirtschaft des Ortes maßgeblich unterstützt, indem sie in den Gewächshäusern geschuftet haben. Sie waren der Motor des ökonomischen Booms, durch den es möglich wurde, Frühgemüse nach ganz Europa zu exportieren. Heute ist ihr Schweiß ein Schutzdamm gegen die Krise. Zu den ersten Ankömmlingen kamen immer mehr Arbeiter aus dem Maghreb und aus dem Osten hinzu. Einige von ihnen machten sich wegen der Aufenthaltserlaubnis erpressbar, andere waren bereit zu sehr niedrigen Löhnen zu arbeiten; dennoch schickten sie Geld nach Hause. Von ihnen wurde keiner jemals mit einem unbegrenzten Arbeitsvertrag belohnt (es gibt keine Saisonarbeit, da die Arbeit in den Gewächshäusern ganzjährig ist) oder hat einen öffentlich Dank erhalten. Obwohl es sich um tausende von Menschen handelt, ohne die das grüne Gold schon längst verschwunden wäre. Nun schreibt eine surreale Untersuchung der Repubblica der Mafia das „Phänomen“ zu – das schon seit Jahren stattfindet –, dass die ausländischen Arbeiter Land kaufen. Eine höchst normale dreißigjährige Emanzipation, die aber zu einem geheimnisvollen Geldkreislauf geworden ist. „Woher nehmen die Immigranten das Kapital? Der Verdacht der Finanzaufsicht ist, dass neben den ehrlichen Ex-Tagelöhnern, die das wenige, was sie verdient haben, an die Seite gelegt haben und das sich im Laufe der Jahre angesammelt hat, einige lediglich Strohmänner seien. Und auf Sizilien, das weiß man, ist es oft die Mafia, die Kapital zum Investieren hat.“ Ein Verdacht, eine Stimme, ein unverschämter logischer Salto, die zu einer Schlagzeile werden, die im Gedächtnis der Leser haften bleibt: „Krise, Mafia, Spekulation. Viele Grundstücke von Nicht-EU-Bürgern mit großem Kapital übernommen.“

aus dem Italienischen von Rainer Grüber