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Dienstag, 12. Juli 2011

Welche Zukunft für die Asylantragssteller von Mineo?


Das Mega CARA (Aufnahmelager für Asylantragssteller) ist weniger ein Aufnahmelager, als vielmehr ein Abschiebelager, in dem circa 2000 Asylantragssteller aus verschiedenen Ländern in den Bergen interniert werden – mit drei monatlichen Telefonmandaten und fünf Minuten Internetverbindung, ohne Fernsehen oder Zeitschriften. Keinerlei Erholungs- oder Bildungsbeschäftigung; kaum Italienischkurse, überfüllt und schlecht organisiert.
Die Bildungsvermittler kann man an einer Hand abzählen, von Integrationsangeboten keine Spur. Von der Welt abgeschieden, ist der nächste Kontakt mit der lokalen Bevölkerung 11 km vom CARA, also in Mineo zu finden. 22 km zu Fuss – Hin und Zurück – oder für die mehr “Wohlhabenden”, 2 Euro mit dem Shuttlebus. Schade nur, dass die Migranten kein Geld haben und für beinahe alle der Fußmarsch zu anstrengend ist, und ihnen daher nichts anderes übrig bleibt, als ihre Zeit im Lager totzuschlagen. Dort bestimmt das lange Schlangestehen zur Essensausgabe die monotonen Tage. In der Zwischenzeit wächst die bedrückende Spannung, von der ihre Zukunft abhängt, das Warten auf die Aufenthaltsgenehmigung. Bis vor einem Monat erschien dieses Warten aufgrund der äußerst langwierigen Bearbeitungszeiten der zuständigen Territorialkommision zur Anerkennung des internationalen Schutzes, wirklich ewig. Mit einem Rhythmus von zehn Anhörungen pro Woche, hätte der Aufenthalt in einem CARA bis zu drei Jahren dauern können. Dank der Proteste der Immigranten (unter anderem Straßenblockaden der Bundesstraße Catania – Gela) und den Anzeigen der Antirassistischen Bewegung Catanias, ist die Situation heute endlich entschärft. Die wöchentlichen Asylanhörungsverfahren sind von 10 auf 60 bis 80 angestiegen. Ein wirklicher Wandel! Leider sind jedoch gleichzeitig mit dieser verstärkten Frequenz auch die Ablehnungen in schwindelerregende Höhe gestiegen. Nach Angaben der Migranten sind mehr als 50 % der Anträge bis heute abgelehnt worden und viele Flüchtlinge finden dafür keine wirkliche Rechtfertigung. Manchmal betrifft es geschlossen all diejenigen, die aus einer gleichen Region kommen, ganz so als ob es keine Einzelfälle gäbe. Warum wurden alle Pakistaner aus dem Punjab abgeschoben? Obwohl der Punjab, zerrissen zwischen Indien und Pakistan ein Hotspot ist, der von gewalttätigen Unruhen und Attentaten erschüttert wird. Es reicht aus, daran zu erinnern, dass letzten Januar der Governor des Punjab, Salman Taseer, für seine vor allem bei den Muslimen unbeliebte, liberale Politik, ermordet wurde. Welche Lebensgefahr bedeutete eine Rückführung für sie? Gehen wir von Pakistan nach Afrika...Zum Beispiel... was könnte das Schicksal des Senegalesen Diatou sein, wenn die Kommission seinen Antrag ablehnen sollte? Es sind zehn Jahre vergangen seitdem Diatou zusammen mit seinem Vater, sein Geburtsdorf, Nguer, aufgrund einer politisch – familiär motivierten Fehde, die zur Ermordung seiner Mutter führte, verlassen hat. Er zog schließlich nach Darou Salam, aber auch hier wurde er gezwungen zu fliehen; er flüchtete sich nach Mali, wo er drei Jahre blieb und daraufhin weitere drei Jahre in Algerien verbrachte. Nachdem auf ihn ein lebensgefährliches Attentat verübt wurde, entschloss er sich über Marokko nach Europa zu gehen, was ihm aber nicht gelang. Nach Settat in Marokko, war Libyen an der Reihe; aber 2011 flieht er, wie so viele andere, nach Italien. Welches Land kann man also als sein Land betrachten? Diatou lebt mit der Angst der Ablehnung seines Antrags und in der Tat endet so sein Bericht: „Ich habe überhaupt nichts mehr im Rücken, ich bin Senegalese nur auf dem Papier, ich wüsste nicht wohin ich gehen sollte... Dahin wo ich aufgewachsen bin, kann ich nicht zurückkehren, weil ich nicht von denjenigen toleriert werde, die befehlen. Das Problem besteht nicht nur aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten; ich brauche ein freies Leben ohne die Angst zusammengeschlagen oder gefoltert zu werden. Diese Freiheit habe ich nie erfahren. Wenn sie mich in den Senegal zurückschicken ist es für mich vorbei“.
Sonia Giardina, I Cordai (Juli – August) (aus dem Italienischen von Alessandro Pastore)