Die
Zahl der unbegleiteten Minderjährigen die über das Meer nach Sizilien kommen, steigt
deutlich und ständig. Bei fast jeder Anlandung werden Dutzende, wenn nicht
sogar Hunderte von Jugendlichen registriert, die alleine in einem immer
jüngeren Alter die Überfahrt auf sich nehmen, wie z. B. die 154 ägyptischen Minderjährigen,
die am 4. September Augusta erreicht haben.
Während
die Festung Europa weiterhin auf die oberflächliche und gefährliche Klassifizierung
in wirtschaftliche Migranten und potentielle Asylbewerber beharrt, Maßnahmen zur
Identifizierung und anschließenden Abschiebung immer mehr verbessert, fordert
eine Masse an kleinen Menschen jeden Tag den Tod heraus und zeigt uns somit wie
opportunistisch, durchlässig und diskriminierend diese Aufteilungen sind.
Da
fragt man sich noch einmal mehr, mit welcher Courage Europa Hunderte von
Marokkaner, Tunesier und Ägypter ablehnt, die eine beträchtliche Anzahl an
Arbeitskräften darstellen, die seit Jahrzehnten die schwersten und demütigsten
Arbeiten ausüben und in allen Ländern der Union in einem Regime der Ausbeutung leben.
Aber die Scheinheiligkeit scheint immer mehr Hand in Hand mit dem
Sichtbarkeitswahn und wirtschaftlichen sowie politischen Konstruktionen zu
gehen, die wir bald besser verstehen werden. Man fragt sich nämlich nicht, was
Hunderte von noch fast Kindern dazu führt ihr Land zu verlassen oder was in
Ägypten passiert, sondern zieht es vor,
über ihre Ankunft zu berichten und somit wieder einmal die Notwendigkeit von
Militarisierungsmaßnahmen und Kontrolle als einzige Mittel für die Bekämpfung
vom Menschenhandel zu nennen. Vielleicht reicht es nicht mal dafür, sondern man
bleibt bei den pietistischen Kommentaren von denjenigen, die die Rhetorik des
guten Herzens und des Mitleids verwenden, um nicht von den unerträglichen
Lebensbedingungen in den Ursprungsländern oder den Geschäften berichten zu
müssen, die viele auf der Haut dieser Jugendlichen machen. Von der
organisierten Netzwerken der Ausnutzung und des organisierten Menschenhandels
bis zum Business einiger Akteure der sogenannten Aufnahme, die in der Leitung
von Projekten für Jugendlichen leider die Möglichkeit einer höheren
Erstattungssumme durch den Staat sehen. Es sind viele die Angelegenheiten über
die man Klarheit schaffen müsste, die Panikmache des Moments und die
allgegenwärtige instrumentalisierte Ausrede des Notfalls überwindend.
Was
erwartet also die in Sizilien angekommenen Minderjährigen? Die 154 ägyptischen
Jugendlichen, die am vergangenen Freitag zusammen mit weiteren 74 Migranten in
Augusta an Land gegangen sind, wurden
ins Erstaufnahmezentrum Umberto I in Siracusa gebracht, in dem sich die
meisten von ihnen heute immer noch befinden. Eine recht unglückliche
Unterbringung, da das Gesetz die Verlegung in für Minderjährige angebrachte
Einrichtungen vorsieht. Das Umberto I ist nicht der Ort, an dem die
Jugendlichen sein sollten, auch wenn diese Einrichtung speziell für
Minderjährige vorgesehen ist. Save the Children begleitet die Jugendlichen seit
ihrer Ankunft und berichtet über die ersten Verlegungen nach Kampanien, Latien
und in weitere sizilianische Zentren und der ständigen Suche einer geeigneten
Unterbringung für die 95, die sich aktuell noch im Umberto I befinden. In
Sizilien scheinen keine Plätze mehr verfügbar zu sein. Das durchschnittliche
Alter ist sehr jung, einige geben an zwölf Jahre alt zu sein, auch wenn sie
viel jünger aussehen. Ihr Gesundheitszustand ist relativ gut. Einige Jugendlichen
haben sich autonom vom Zentrum entfernt und gestern sprachen einige Aktivisten
von circa zehn ägyptischen Jugendlichen, die sich am Bahnhof von Catania
niedergelassen haben um auf Busse nach Rom zu warten. Ein sehr ernstes
Ereignis, das sich aufgrund der prekären Aufnahmebedingungen wahrscheinlich
wiederholen wird.
Zahlreiche
Minderjährige aus Ägypten wurden in letzter Zeit auch aus dem CPSA* von
Pozzallo verlegt, in dem sie hoffentlich nur für kürzeste Zeit untergebracht
waren. Einige von ihnen befinden sich jetzt im Aufnahmezentrum, welches von
Mediterranean Hope in Scicli geleitet wird, wo sie anfangen mit der Außenwelt
in Kontakt zu treten und die Gewissheit haben können, sich an einem sicheren
Ort zu befinden. Was wird aber in der Zwischenzeit mit all den anderen
Jugendlichen passieren und denen, die in der Zukunft ankommen werden?
Am
heutigen Vormittag, Samstag dem 12. September, sind weitere 140 Migranten im Hafen
von Ibleo angekommen. Unter ihnen auch 55 unbegleitete Minderjährige aus
Ägypten und der Subsahara-Afrika, welche derzeit alle ins CPSA gebracht wurden.
Die Aufnahme muss so vorbereitet werden wie die Gesetze es vorsehen, man muss aktiv
werden um Unterbringungen innerhalb ganz Italiens zu ermöglichen und den
notwendigen Schutz zu garantieren, Stellung nehmen zu den Gründen, die Hunderte
von Jugendlichen dazu bewegen ihr Leben im Meer zu riskieren. Viele Menschen sind
bereit schöne Fotos zu verbreiten, die mit den Jugendlichen bei ihrer Ankunft
im Hafen geschossen wurden und die Bilder mit den jungen Gesichtern für ihre
Spendenkampagnen zu nutzen. Aber noch viel zu wenige hinterfragen die Ursachen
die diese Jugendlichen bis hierhin gebracht haben und viel zu wenige versuchen
ihnen die Möglichkeit einer Zukunft zu geben, die diesem Wort Ehre macht.
Lucia Borghi
Borderline Sicilia Onlus
*CPSA: Zentrum
zur Ersten Hilfe und Erstaufnahme.
Aus dem Italienischen von Linde Nadiani
Aus dem Italienischen von Linde Nadiani