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Montag, 27. April 2015

In Pergusa warten Flüchtlinge seit eineinhalb Jahren auf die Prüfung ihres Asylantrags


Vergangenen Freitag haben wir das CAS* in Enna im Vorort Pergusa besucht. Es handelt sich um ein außerordentliche Aufnahmezentrum, das sich im Gebäude des ehemaligen „Villaggio del Fanciullo“ (Dorf des Knabens) befindet, welches vom „Aufnahmezentrum der Senioren Santa Lucia von Enna“ verwaltet wird.

Dort leben hundert asylsuchende junge Männer, alle afrikanischer Herkunft, hauptsächlich aus Gambia und Mali und in einem Alter zwischen zwanzig und dreißig Jahren.
Fast alle von ihnen befinden sich in diesem Zentrum seit vergangenem Juli und nur zwanzig haben bereits die Anhörung bei der Kommission hinter sich, während die Mehrheit von ihnen seit eineinhalb Jahren auf die Vorladung von der örtlichen Kommission wartet.
Der Grund für eine solch lange Wartezeit, die die bereits inakzeptable Durchschnittswartezeit von 8-12 Monaten übersteigt, ist auf die ständigen Transfers von CAS* nach CAS* zurückzuführen, die die die Aufnahme vieler von ihnen betroffen hat, die von zwei oder mehr Zentren in der Provinz von Trapani, Palermo und Enna weiter versetzt wurden.
Diese ständigen Transfers, die zum Wechsel der zuständigen Kommission führten, haben die Monate der Wartezeit auf die Berufung der Örtlichen Kommission wieder auf Null zurückgesetzt und eine schwerwiegende Situation hervorgerufen. Es ist indessen das erste Mal, dass wir Asylsuchenden treffen, die nach eineinhalb Jahren noch auf die Vorladung warten. Nach der Rechnung, dass auf die Vorladung noch weitere Monate Wartezeit folgen, ebenso wie der Entschluss der Kommission nach einer bestimmten Zeit ausgesprochen werden wird, ist es zu befürchten, dass die Wartezeit für die Überprüfung des Asylantrags dieser Asylsuchenden an die zwei Jahre dauern wird.
Die Konsequenz von willkürlichen und kriterienlosen Transfers von Aufnahmezentrum zu Aufnahmezentrum sind schwerwiegende Folgen für die Prozedur der Asylantragsstellung. Zudem ist deren Logik nicht nachvollziehbar, da es sich bei den CAS* um Erstaufnahmezentren handelt und mögliche Transfers in die SPRAR-Zentren* (kommunale Aufnahmesysteme) stattfinden sollten. Insofern werden abermals die Rechte der Asylsuchenden von einem Aufnahmesystem verletzt, das auf der institutionellen Verantwortungslosigkeit der Regierung und auf der ökonomischen Spekulation privater Dritter beruht.
Es lohnt stets sich daran zu erinnern, dass der vom Gesetz vorgesehene Maximalzeitraum für die Überprüfung der Asylanträge 6 Monate beträgt, um den Ernst dieser Situation zu unterstreichen (die ohnehin die allgemeine Situation wiederspiegelt). Es ist also nicht übertrieben, den Umgang mit den Asylsuchenden, die sich in dieser Situation befinden, als „inhuman und erniedrigend“ zu definieren.
Am vergangenen 25. März wurde die Neugründung der Örtlichen Kommission von Enna gefeiert. Der Präsident der Kommission hat sich am gleichen Tag der Neugründungsfeier in das Zentrum begeben, um alle Gäste zu treffen und ihnen zu versichern, dass so bald wie möglich ihre Anträge geprüft würden.
Offensichtlich hat dies nicht die Verzweiflung dieser Menschen beruhigen können, wo nun, einen Monat nach jenem Treffen, noch keine Einberufung eingegangen ist. Das Klima, das nun im Zentrum herrscht, ist in der Tat sehr angespannt und das Misstrauen der Gäste gegenüber den Betreibern hat die Überhand gewonnen.
Dies bezeugt der Mitarbeiter, mit dem ich gesprochen habe (der einzige der am frühen Freitag Nachmittag im Dienst ist), der mir von einigen hitzigen Beschwerden von Seiten der Gäste erzählt hat. Gerade durch meine Fragen an eben diesen Mitarbeiter beginnt mein Besuch im Zentrum.
Die ersten Fragen befassten sich mit dem Mensadienst, da die erste kleine Gruppe junger Männer, die ich draußen getroffen hatte, mir sagten, dass es keine Mitarbeiter gäbe abgesehen vom Koch, und sich darüber beschwerten, dass sie nicht selber kochen könnten.
Der Mitarbeiter bestätigt mir, dass sich um die Zubereitung des Essens ein Koch kümmert, und dass die Betriebszeiten der Mensa wie folgt lauten: 8:30 – 9:30 Uhr Frühstück, 12:30 – 13:30 Uhr Mittag- und 18:30-19:30 Uhr Abendessen. Es ist offensichtlich, dass in diesen Zeitvorgaben noch die alte Funktion des Zentrums steckt, ein IPAB (Istituto pubblico di assistenza e benessere, eine italienische öffentliche Einrichtung der Wohlfahrt und Unterstützung), die für die Aufnahme von Senioren eingerichtet wurde.
Ich fahre fort und frage nach Informationen zur Belegschaft. Da es sich um eine ehemalige IPAB-Einrichtung handelt, hat der Betreiber in der Umstellung der Nutzung die vormals beschäftigte Belegschaft übernehmen müssen. Es ist offensichtlich, dass das Zentrum über übermäßiges Reinigungspersonal verfügt, während die tatsächliche Anzahl an Mitarbeitern, die für die Verwaltung der Flüchtlingsaufnahmen kompetent sind, nur bei vier Personen liegt. Wir sprechen mit einem von diesen vier, der erklärt, dass er selten physisch im Zentrum präsent ist und nicht mal Englisch spricht, und ein Anderer ist ein kultureller Mittler, der nur unregelmäßig seine Dienste anbietet. 
Es scheint nun leicht nachvollziehbar, dass die kritischen Punkte an der Aufnahmekompetenz dieses Zentrums die Abwesenheit von grundlegenden Leistungen betreffen, die von Professionellen erbracht werden sollten. Es fehlt indessen sowohl ein Ansprechpartner in der Rechtsberatung, als auch ein Sozialarbeiter, eine Psychologin  und eine vernünftige Anzahl an Kulturmittlern.
Nach dem Gespräch mit dem Mitarbeiter ist das Gespräch in einem Aufenthaltsraum weitergegangen, in dem ich fast alle im Zentrum wohnhaften Männer traf, die sich darum gekümmert haben, einen Tisch in der Mitte des Raumes sowie Tische und Stühle um ihn herum zu disponieren. Sie legten Wert darauf, dass ich auch mit ihnen sprach, und als ich feststellte, dass es auch für mich grundlegend war, gerade mit ihnen das Gespräch zu suchen, sagten sie mir, dass sie es nicht für selbstverständlich hielten, da sie auch Vertreter von anderen Organisationen für Flüchtlingsrechte gesehen hatten, die kamen, und nur die Vertreter der Aufnahmestelle trafen, ohne ihnen auch nur eine Frage zu stellen, die sie doch die Betroffenen sind.
Nach einer umfassenden Diskussion über die Bearbeitungszeiten der Kommission, die ich nur schwer beenden konnte, da es verständlicherweise ein Problem ist, das mehr als alles andere ihre Leben belastet, habe ich versucht, die Qualität der Leistungen des Zentrums zu ermitteln, vor allem diejenige, die am engsten mit der Asylanfrage zusammenhängt: die Rechtsberatung.
Der Mitarbeiter hatte mir versichert, dass ein Anwalt, der die Gäste betreut, anwesend sein würde. Im Gegensatz dazu, waren sich all diejenigen, die am Treffen teilgenommen hatten, darin einig, dass die Rechtsberatung völlig inexistent sei und dass keiner von ihnen je einen Anwalt gesehen hatte. Abgesehen von den 20 Personen, die schon vor der Kommission erschienen waren, und die Ablehnung erhalten hatten, gegen die ein Anwalt Widerspruch eingelegt hatte.
Es ist kein Zweifel daran, dass Anwälte auffindbar wären, die sich bereit erklären würden, die Widersprüche wegen Ablehnung bearbeiten würden, da ein kostenfreier Rechtsbeistand gewährt wird. Aber wegen der Verpflichtung, der die Aufnahmezentren in Konvention mit der Präfektur unterliegen, müssen die Aufnahmezentren die Leistung eines Beraters anbieten, der den Asylsuchenden Informationen und Rechtsbeistand liefert.
Eine weitere grundlegende Leistung, die sich die Einrichtung dieses Zentrums spart, ist der Italienischkurs. Der Kurs wurde erst vor wenigen Wochen eingerichtet (das Zentrum ist seit Juli aktiv) und wird von Freiwilligen einer Organisation aus Enna geleitet.
Was das Taschengeld anbelangt, berichten mir die Gäste, dass sie es mittels Überweisung auf eine Guthabenkarte erhalten, beschweren sich dennoch, dass sie nur 40€ monatlich erhalten, während es in der Vergangenheit 40€ alle 16 Tage gewesen waren.
Bezüglich der Ausstattung mit Kleidung, beklagen sich alle, dass sie erst ein Mal seitdem sie angekommen sind welche erhalten haben. Viele von ihnen sagen, dass sie keine Schuhe haben und erzählen, dass sie einen Zettel unterschrieben haben, um sie zu bekommen, sie jedoch nie erhielten.
Sie erzählen dann, dass sie aus medizinischer Perspektive nicht ausreichend betreut werden. Sie erzählen auch, dass ein Arzt alle drei Monate das Heim aufsucht, aber sie sagen, dass sie sich nicht wirklich untersucht fühlen, dass sie als Mittel gegen jegliches Leiden immer das gleiche Tütchen mit Schmerzmitteln erhalten und dass ihre Krankheiten für lange Zeit vernachlässigt werden. Der Mitarbeiter besteht in diesem Moment darauf, zu intervenieren und erinnert die Jugendlichen an all die Begleitungen ins Krankenhaus, die es gegeben hatte, sodass sie die Besuche und Untersuchungen unternehmen konnten, die sie brauchten.
Endlich erzählen mir die Jugendlichen vom fehlenden Waschdienst und davon, dass sie sich selbst um die Beschaffung von Seife kümmern müssen, um ihre Kleidung per Hand zu waschen.
Ich beende das Treffen (nicht ohne Schwierigkeiten und angespannte Situationen zwischen den Gästen und dem Mitarbeiter) und es sind die Gäste selbst, die mich einladen und mich bei einem Rundgang in der Einrichtung begleiten, bei dem sie mir kaputte oder gänzlich fehlende Jalousien zeigen, verkrustete Duschen und Lecks aufgrund der Abflussstörungen.
Als ich auch den Rundgang in der Einrichtung beende, finde ich außerhalb des Zentrums den Mitarbeiter, der mich bittet, am Telefon mit dem Leiter der Einrichtung zu sprechen, der mich wiederum bittet, wiederzukommen und anhand objektiver Kriterien die Leistungen des Zentrums zu überprüfen. Ich nutze die Gelegenheit um ihm zu erklären, dass die großen kritischen Punkte bezüglich der Aufnahmekompetenz im Fehlen von grundlegenden Dienstleistungen liegen, die von entsprechenden Professionellen gewährleistet werden sollten, insbesondere in der Rechtsberatung.
Was die Versorgung mit Taschengeld betrifft, hat sich der Leiter bereit erklärt, die Versorgung von 40€ alle 16 Tage mittels Dokumenten nachzuweisen, die die Überweisung auf die Guthabenkarte bestätigen.
Als ich mit ihm hingegen von der Versorgung durch einmalige Bezahlung mit Kleidung spreche, sagt er mir, dass Winterkleidung verteilt wurde. (Und etwas scheint weiterhin faul, da fast alle Gäste am verganenen 2. Juli angekommen sind, also mitten im Sommer).
Schließlich berichte ich dem Leiter, was ich heute von den Gästen bezüglich des unterschriebenen Zettels erfahren habe, um Schuhe zu erhalten, die sie nie bekommen haben, und die objektive Tatsache hierbei in diesem Moment sein könnte, dass fast alle von ihnen Plastiklatschen tragen, von denen sie erklärt haben, dass es die Einzigen sind, die sie besitzen. Dazu hat der Leiter mir geantwortet: „Wenn sie sogar die Duschgels verkaufen, die wir ihnen geben, was können wir da machen?“.
Mein Besuch im Zentrum ist beendet, die Gäste begleiten mich zum Auto und bis zuletzt bitten sie mich darum, etwas für die Kommission zu tun. Einige von ihnen haben uns sogar in die Redaktion geschrieben. Sie können nicht verstehen, wie es möglich sein kann, Monate und Monate und Jahre zu warten, ohne nicht einmal einen Hinweis bezüglich der Bearbeitungszeiten und Wege mit denen sie aus dieser Aufhebung des Wartens herauskommen können, ihre Leben wieder in die Hand nehmen und endlich eine Zukunft haben können (und eine Gegenwart, A.d.R.).
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia Onlus 


Übersetzung aus dem Italienischen von Alina Maggiore



* CAS: Centro di accoglienza straordinaria, außerordentliches Aufnahmezentrum 

*SPRAR - Sistema di protezione per rifugiati e richiedenti asilo: Schutzsystem für Asylsuchende und Flüchtlinge, kommunales Aufnahmesystem auf freiwilliger Basis