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Donnerstag, 30. April 2015

Messina, 20.000 Migranten seit 2013. Keiner ist geblieben.


meridionews.it  – In zwei Jahren hat die Stadt an der Meerenge eine große Nummer von Ausländern beherbergt. Doch diese waren nur auf der Durchreise. Nach Aussagen der Assoziation Penelope, ist die Provinzhauptstadt stattdessen Ziel der Pendelbewegung von „ nigerianische Prostituierten aus Catania und Bettlern  aus Mineo“. Zur gleichen Zeit schlägt die  ehemalige Expertin des Bürgermeister Clelia Marano Alarm wegen der promiskuitiven Situation in den Erstaufnahmezentren.
Unangemessene Gesetzgebung, mangelhafte Strukturen kurz vor dem Kollabieren; kein Support-Netzwerk, promiskuitive Lebensbedingungen, die die Schwächsten der Gefahr von Gewalt aussetzen. Das und vieles mehr ist der Empfang auf Sizilien, wo das Unbehagen die Kriminalität fördert und Prostitution und Bettelei exportiert werden. In Messina sind zum Beispiel seit 2013 bis heute zirka 20.000 Migranten angekommen. Von Eritreern bis Somaliern, von Palästinensern bis Syrern. Keiner ist geblieben. „Deren Migrations-Projekt ist nicht das zu bleiben“ bestätigt Clelia Marano, ehemalige Expertin der Komune und Sozialarbeiterin mit Erfahrung in afrikanischen Ländern. Gerade weil die Provinzhauptstadt Messina, wo letzte Woche drei Landungen von insgesamt 650 Menschen registriert wurden, rein als Transitpunkt benutzt wird, außer für Minderjährige. Sogar Prostituierte und Bettler kommen von außerhalb. „Die nigerianische Prostituierten kommen als Pendlerinnen aus Catania“ sagt Cettina Restuccia, Verantwortliche der Assoziation Penelope, die sich um die Situationen mit Menschenhandel oder Ausbeutung kümmert. Gerade der Busbahnhof dient als Dreh- und Angelpunkt. Auch für die, die an den Ampeln betteln. „Die Jungs, die betteln, kommen aus Mineo. In Catania sind es zu viele und die Plätze sind schon vergeben. Sie suchen neue Märkte und in Messina gibt es mehr Arbeitsmöglichkeiten“.
Um Unannehmlichkeiten mit der Justiz zu vermeiden, „werden jetzt die Mädchen mit einer Aufenthaltserlaubnis auf die Straße geschickt“. „Die gleichen Frauen, die sich auf der Catania-Gela Straße prostituieren – setzt sie fort – sind in Mineo beherbergt. Viele machen das im Aufnahmezentrum selbst (das größte in Europa, mit einer Bevölkerung von 4.000-5.000 Menschen, Anm. d. R.). Wegen des Vertrages von Dublin, ist es ein Pulverfass geworden. Es gibt Menschen, die dort seit anderthalb Jahren auf die Aufenthaltserlaubnis warten. Und am Ende könnten sie doch noch abgeschoben werden. Wir werfen  das Geld aus dem Fenster ohne Vorteile aus ihrer Anwesenheit zu ziehen. Sie haben das Bedürfnis, etwas zu verdienen. Ihre Verwandten zu Hause haben in sie investiert, haben Schulden auf sich genommen, damit sie aufbrechen konnten und von hier müssen sie das Geld nach Hause schicken. Zumindest um das Darlehen zurückzuzahlen “.
Laut den Schätzungen der Assoziation, kommen jeden Tag 30, 35 Personen in Messina an, von den sind etwa 15 Prostituierte nigerianischer oder kolumbianischer Herkunft. Die Migranten, die hier landen, haben stattdessen noch nicht mal Zeit für Almosen. Nachdem sie in den Erstaufnahmezentren von PalaNebiolo oder der Kaserne Gasparro eingetroffen sind, die beziehungsweise 250 und 200 Menschen beherbergen können, werden sie sofort verlegt.
Marano stimmt bei, dass einer der entscheidenden Punkte des Dubliner Vertrages ist, das vorgeschrieben wird, die digitale Fingerabdrücke abzunehmen und die Aufenthaltserlaubnis für Asylbewerber oder Flüchtlinge in dem Europäischen Land zu stellen, wo man angekommen ist. Die Migrant landen also auf Sizilien und enden in den Cara (Aufnahmezentrum für Asylsuchende), in den Cie (Zentrum für Identifikation und Abschiebung), in den Cpa (Erstaufnahmezentren). Aber ihr  Wunsch ist es, woanders hinzugehen. Deswegen wird eine Revision der Verordnung gefordert: „Es ist undenkbar, dass sie dort bleiben, wo sie nicht bleiben wollen: diese Bedingungen sind die Grundlagen für Kriminalität und fördern den Menschenhandel.“ Strategisch wäre die Öffnung von humanitären Kanälen. „Es handelt sich hier nicht um Populismus – präzisiert die Sozialarbeiterin – es würde erlauben, die Migranten direkt in die Länder zu transferieren, die sie für ihr persönliches Projekt ausgewählt haben. Es würde auch zusätzlich Männer, Frauen und Kinder retten, weil man auf diese Weise den kriminellen Organisationen die „Ware“ wegnimmt. Wir dürfen uns nicht an Menschen gewöhnen die vor Krieg und Verzweiflung flüchten. Syrien war ein normaler Ort, wie unserer, bis vor einiger Zeit.“
Seit 2013 muss man mit einem „neuen Phänomen rechnen, das sich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nennt“. Und der Mangel an Strukturen ist eine der Schwachstellen: „Es fehlen SPRAR - Zentren (Schutzsystem für Asylbewerber und Flüchtlinge, Anm. d. r.), Aufnahmezentren, Strukturen für Minderjährige“, macht sie klar. Die Gemeinde hätte an den neulich veröffentlichten Ausschreibungen teilnehmen sollen, hat sie aber nicht: „Der Fond für die finanzielle Unterstützung der Sprar ist nur unzureichend abgesichert.  Die Aufnahmebedingungen der meisten Zentren sind unangemessen. Man bräuchte Programme für die psychische Unterstützung  für die besonders Schutzbedürftigen. Man bräuchte eine Betreuung auf sozialer und schulischer Ebene für Jugendliche. Stattdessen ist es in den CPA oft so, dass sie nicht betreut werden, sondern sie sich  die Zeit damit vertreiben, darauf zu warten, in einen SPRAR oder in eine Gemeinschaft verlegt zu werden. Messina ist eine der wenigen Ausnahmen. Hier werden sie in Schulen angemeldet, nehmen an Workshops teil, während Tutoren und Mitarbeiter eine enorme Arbeit verrichten, um deren Rechte zu schützen, indem sie sich um die Voraussetzungen für die Ausstellung der erforderlichen Dokumente kümmern.“
Marano, die sich seit 2013 um die Minderjährigen kümmert, meint, dass man den Mangel einer organisierten Struktur spürt: „Es gibt kompetente Personen, enormes Potenzial, aber das Ideale wäre ein Netz von Assoziationen und verschiedenen Berufsbereichen zu installieren. Es gibt keine Koordination.“ Um die Soziale, Schul- und Arbeitsintegration zu fördern, denkt die ehemalige Expertin  des Zanca Palastes auch an Informationsschalter zur Orientierung, wie sie in Palermo und Catania geschaffen worden sind: „Man darf nie müde werden bei der Aufnahme und bei der kontinuierlichen Unterstützung.“
Andere kritische Punkte werden bei der Anlandung registriert: „Es kann zu unkorrekten Identifizierungen kommen, mit Minderjährigen, die sich als Volljährige ausgeben und umgekehrt. Aus diesem Grund bräuchte man am Hafen multidisziplinäre Expertenteams (Anwälte, Psychologen, Sozialarbeiter und gut vorbereitete Mediatoren, die sich mit den Migrationsphänomen gut auskennen), die bei der Identifikation und Kommunikation helfen. Das sind Menschen, die aus verschiedenen Umfeldern und Gewaltsituationen kommen. Sie sollten auf die richtige Art und Weise angehört werden. Den Minderjährigen müsste man klar machen, dass, wenn sie ihr richtiges Alter angeben, sie in ein Schutzprogramm kommen“.
Man sollte auch nicht, Marano’s Meinung nach, dass Problem der Vermischung der Geschlechter in den CPA vernachlässigen: „Kinder und Frauen sind geschützte Kategorien, verwundbar, und deshalb leichtes Ziel für Gewalt, auch sexueller Art. Sie sollten dort nicht bleiben. Die Kompetenz, wie vom Artikel 403 des Zivilgesetzbuches vorgesehen, fällt der öffentlichen Amtsgewalt, der Gemeinde zu. Das sagen alle bestehenden Rechtsvorschriften, von der UN-Konvention über die Kinderrechtskonvention von 1989, umgesetzt in Italien mit dem Gesetz 176/91, bis zum Einheitlichen Gesetz zur Immigration und Konstitution“.
Zu den Risiken, die aus dieser Vermischung entspringen, ist Restuccia vorsichtiger: „In PalaNebiolo gab es nur syrische und eritreische Frauen, die sofort weggebracht wurden. Es gab Minderjährige bis Ende letzten Novembers, weil die Gemeinde nicht in der Lage war, für die finanzielle Unterhalt aufzukommen und das Innenministerium hat die Eröffnung des Zentrum Amhed finanziert, mit 150 Plätzen, in den Lokalen des Ex-Ipab ‘Vereinigte Konservative’ (Allgemeines Institut für Assistenz und Wohltätigkeit, A.d.Ü), in der Via Sacro Cuore.  Im Moment beherbergt es nur Jungen, die Mädchen wurden in anderen Zentren untergebracht. Wir sind aber dem Sättigungspunkt ganz nahe. Vor einigen Tagen in Rom, während einer Versammlung über einen staatlichen Plan gegen Menschenhandel  ist herausgekommen, dass sämtliche Strukturen kurz vor dem Kollaps sind, nicht nur die für Minderjährige“.
Restuccia wird von den Behörden  alarmiert,  wenn man davon ausgeht, dass jemand während der Reise Opfer einer sexuellen Straftat geworden ist, oder für Personen, die Schleuser anzeigen und deshalb einen sozialen Schutzplan brauchen: „ Im Gasparro haben wir einer Frau geholfen, die in Libyen vergewaltigt worden ist. Im PalaNebiolo, letzen Sommer, einem Jungen aus Mali, bei dem Krebs im letzten Stadium diagnostiziert wurde und der leider dann verstorben ist.“
Die Assoziation ist gezwungen mit der gleichen Anzahl an Mitarbeitern weiterzuarbeiten, auch angesichts dessen, dass die Anzahl der Fälle in den letzten ein einhalb Jahren 40 mal so hoch ist wie früher: „Innerhalb der Projekte sind wir zirka fünfzehn. Wir leiten die mobile Einsatztruppe in Catania, Assistenz für Obdachlose, die Aufnahmegemeinschaft, die Aktivitäten in Messina. Den Frauen versuchen wir eine angemessene Information zur Schadensbegrenzung zu geben , und informieren sie auch über Plätze, die für sie sicherer sind. Und wir erklären ihnen deren Rechte bei der medizinischen Grundversorgung.“


Aus dem Italienischen von Giovanna Fioravanti