Etwas mehr als ein Jahr nach meinem ersten Besuch bin ich am vergangenen 25. Januar in das Hotel Alessi in Mazzarino zurückgekehrt, das im November 2013 in ein außerordentliches Aufnahmezentrum (CAS) umfunktioniert wurde. Caltanissetta: 100 migranti di “Pian del Lago 2” trovano finalmente ospitalità in strutture di accoglienza . Als ich am frühen Nachmittag dort ankomme, ist niemand da, mit dem ich sprechen könnte. An der Rezeption sitzt eine alte Frau, die Mutter des Besitzers des Hotels, und sagt mir, sie wisse nicht, wo die Gäste seien, und könne mir keine Auskünfte geben.
Daher komme ich am späten Nachmittag wieder und treffe vor der Einrichtung auf einige Gäste, ich stelle mich vor und frage, wie sie in dem Hotel leben. Alle sagen mir, dass sie sich wohl fühlen, einer sagt, er sei einer der beiden Köche, und er erzählt mir, dass, seit sie selbst aussuchen, was sie essen und wie sie es zubereiten, sich ihr Aufenthalt auch in dieser Hinsicht verbessert hat. Er erzählt, dass ihre Ernährung aus Reis, Gemüse und Hülsenfrüchten und dreimal pro Woche Fisch besteht. Fleisch ist nicht vorgesehen, da man ihnen kein Halal-Fleisch garantieren konnte; daher haben sie beschlossen, zur Sicherheit darauf zu verzichten.
Dass sie Zugang zur Küche und die Möglichkeit bekommen haben, ihr Essen selbst auszusuchen und zuzubereiten, ist das Ergebnis einer Mediation, die sie nach ihren Protesten über die mangelhafte Quantität und Qualität des Essens, das ihnen vom Personal des Hotels zubereitet wurde, mit dem Betreiber erreicht haben.
Sie sprechen gut über die Einrichtung und die Dienstleistungen (und bestätigen auch den Erhalt von Taschengeld in bar), bis einer von ihnen das Problem der medizinischen Versorgung anspricht und berichtet, dass der Hausarzt ihnen nur Generika verschreibe und dass sie nie eine fachärztliche Untersuchung erhalten. Alle Anwesenden teilen diese Unzufriedenheit.
Da stößt der Hotelbesitzer zu uns und ich frage ihn, wie er die neue Zahl der Gäste untergebracht hat, da diese von 30 auf 50 gestiegen ist. Er sagt, dass es immer noch Doppelzimmer und sogar einige Einzelzimmer gibt. Einer der anwesenden Gäste bestätigt, in einem Einzelzimmer untergebracht zu sein, betont aber, dass das Zimmer sehr klein sei.
Ich bitte den Betreiber um Erklärungen hinsichtlich der Probleme bei der ärztlichen Versorgung und er erklärt mir, dass dies von einer Entscheidung des örtlichen Gesundheitsdiensts abhängt, der für Asylbewerber keine Kostenbefreiung anerkennt.
Durch diese Entscheidung des Gesundheitsbezirks Mazzarino, der zu dem von Gela gehört, wird der Zugang der Asylbewerber zum Gesundheitssystem und ihr Recht auf Gesundheit im allgemeinen tatsächlich eingeschränkt.
Diesbezüglich sollte an den Ministerialrunderlass Nr. 5 vom 24. März 2000 und das entsprechende Rundschreiben der Region Sizilien aus dem Jahr 2012 erinnert werden, die gemäß Art. 34 des Gesetzesdekrets 286/1998 (Einwanderungsgesetz) die Einschreibung der ausländischen Bürger in das nationale Gesundheitssystem regeln und die Kostenbefreiung für Asylbewerber vorsehen, die in dieser Hinsicht Arbeitslosen gleichgestellt sind, da sie, solange ihr Asylantrag läuft, keine geregelte Arbeit aufnehmen können. In dem Rundschreiben der Region heißt es dazu, dass „aufgrund des zugesicherten Rechts auf Kostenbefreiung für diese Kategorie vorübergehend die Kostenbefreiung nach Code X01 vorgesehen ist“.
Angesichts dessen erscheint das Ermessen, mit dem sich der Gesundheitsdienst Mazzarino den Empfehlungen des Ministeriums und der Region hinsichtlich der Gesundheitsversorgung von Ausländern und Asylbewerbern entzogen hat, nicht klar und nicht rechtmäßig.
Im weiteren Verlauf des Treffens mit den Gästen des Hotels Alessi stellen mir diese verschiedenen Fragen rechtlicher Art. Es sind Fragen, die sich leicht beantworten lassen, da sie die Grundlagen des Asylrechts betreffen, und als ich sie frage, warum sie diese Fragen nicht dem Anwalt stellen, der mit der Einrichtung zusammenarbeitet, sagen sie, von diesem keine Antwort zu erhalten.
Nachdem wir eine gute halbe Stunde im Eingang des Hotels verbracht haben, laden mich die Bewohner ein, hereinzukommen und alle zu treffen. Sie begleiten mich ins Esszimmer, wo bereits Dutzende Personen auf mich warten. Ich stelle mich erneut vor, warte auf die Übersetzung für diejenigen, die kein Englisch sprechen, und frage sie, ob sie Fragen haben. Ich denke dabei an Fragen über meine Arbeit und den Grund meines Besuchs, aber es werden nur Fragen zur Asylkommission und ihrem rechtlichen Status gestellt.
Einige berichten, dass ihr Status anerkannt wurde, und fragen, ob sie damit in Europa reisen dürfen. Einer erzählt von seiner komplizierten Situation als Dublin-Fall, ein anderer bittet mich um Informationen zum subsidiären Schutz.
Nachdem ich geklärt habe, dass ich sie hauptsächlich dazu beraten kann, auf welche Leistungen sie ein Anrecht haben (und eventuell deren Problematiken aufzeigen kann), und nachdem ich erfahren habe, dass es einen zuständigen Anwalt gibt, der samstagnachmittags in die Einrichtung kommt, weise ich sie darauf hin, dass es – auch in Anbetracht der Tatsache, dass die rechtliche Orientierung und Beratung zu den Leistungen gehört, die ihnen zugesichert werden müssen – wichtig ist, dass sie all die wichtigen Fragen, die sie jetzt mir stellen, an den Anwalt richten, denn niemand wird ihre Lage besser kennen als er.
Sie sagen, dass sie es versucht haben, jedoch ohne eine Rückmeldung erhalten zu haben, da der für die Einrichtung zuständige Anwalt nur diejenigen von ihnen einzeln trifft, die sich für die Kommission vorbereiten müssen, und dass er nie ein Gruppentreffen gehalten hat, in dem sie nach all diesen Informationen hätten fragen können. Daher bitten sie mich, mich bei dem Betreiber dafür einzusetzen, damit möglichst bald ein Gruppentreffen mit dem Anwalt organisiert wird. Ich versuche zu erwidern, dass sie dies tun sollten, aber sie antworten, dass sie es bereits versucht hätten, ohne eine Rückmeldung zu bekommen. Also trete ich als ihr Fürsprecher auf und der Betreiber versichert, dass innerhalb der nächsten zwei Wochen ein Treffen organisiert wird.
Dann sprechen wir wieder über die Probleme der Kommission und der Ton wird aufgeregt, denn es kommt sofort die Sprache auf das Problem der Diskriminierung der Punjabi durch die regionale Kommission. Einer sagt mir: „We crossed four countries facing many problems in order to change and save our life and … here we find this treatment. They say we have no problem in Punjab. So why so many people from Punjab, all over in Italy?” Er beendet seinen Satz und schwenkt plötzlich ins Italienische um: „Das Leben in Italien ist nicht einfach, das wissen Sie.“ Er spricht weiter und übersetzt, was die anderen ergänzen: „Sie sagen, dass wir im Punjab keine Probleme haben, dass es ein sicheres Gebiet ist. Sie wissen nicht, wie die Lage wirklich ist.“ „Wir gehen in die Kommission und wissen bereits, dass wir abgelehnt werden.“
Ein anderer ergreift das Wort und sagt, dass er zwei Wochen zuvor bei der Kommission war und bereits weiß, dass er abgelehnt wurde. Wie von der Kommission verlangt hatte er alle Unterlagen zum Nachweis seiner Geschichte zwei Wochen vor der Anhörung durch den Betreiber eingereicht. Er erzählt, dass er nach Beendigung der Anhörung gefragt wurde, ob er etwas hinzufügen wolle, und dass er geantwortet habe, er habe nichts hinzuzufügen, aber er wäre dort, um jede weitere Frage zu beantworten, die sie ihm stellen würden. Ihm wurde gesagt, es bestünden keine Fragen. Er sagt mir, dass dies seiner Meinung nach das Ergebnis einer oberflächlichen Prüfung seiner Geschichte und der von ihm beigebrachten Unterlagen gewesen sei, da ihm keine einzige Frage zu keinem der Dokumente gestellt wurde. Außerdem hatte er seine Unterlagen mit Links versehen, die die Wahrhaftigkeit seiner Geschichte untermauern konnten, doch er bezweifelt, dass irgendjemand diese jemals angesehen habe und dass die Kommission seine Unterlagen überhaupt pflichtgemäß geprüft habe, denn es sei unmöglich, dass man jemandem mit seiner Geschichte den Schutz verwehren könne.
Es besteht Einhelligkeit, dass die Punjabi aufgrund ihrer geographischen Herkunft diskriminiert werden.
Ich kann diesbezüglich nur darauf hinweisen, dass die Kommission die Aufgabe und die Funktion hat, die persönlichen Geschichten zu prüfen und allein auf deren Grundlage zu entscheiden, wer Schutz verdient, und nicht aufgrund von Vorurteilen bezüglich der Herkunft. Diese hat nur eine Bedeutung, wenn es um Länder geht, in denen eine allgemeine Situation der Gewalt besteht, aufgrund der der Asylbewerber im Falle seiner Rückkehr einen schweren Schaden erleiden würde. In diesem Fall wird subsidiärer Schutz gewährt.
Sie antworten, dass sie sehr wohl wüssten, dass es so sein sollte, doch es geschehe das Gegenteil, und sie bitten mich, die Mitglieder der Kommission darauf hinzuweisen, dass sie ihre eigenen Gesetze vergäßen.
Es ist nicht das erste Mal, dass pakistanische Asylbewerber (abgelehnte und nicht abgelehnte) aus der Region des Punjab von einer derartigen Diskriminierung berichten. Auch beim Besuch des Aufnahmezentrums für Asylbewerber (Cara) in Pian del Lago im vergangenen September war dies passiert (http://siciliamigranti.blogspot.it/2014/10/borderline-sicilia-visita-il-cie-di.html) und es geschieht praktisch jeden Tag hier in Caltanissetta, wo es deswegen auch einige Demonstrationen gegeben hat. Protest der Asylbewerber aus dem Punjab in Pian del Lago
Die Diskussion wird lebhafter und der Betreiber besteht darauf, man müsse auch über die guten Dinge sprechen, und zwar sich die Zahlen ansehen, wie vielen seiner Gäste der Schutz zuerkannt worden wäre. Während des Gesprächs hatte er sich bereits mehrfach gerühmt, an einem einzigen Tag erreicht zu haben, dass 30 Aufenthaltsgenehmigungen ausgestellt wurden, und dass seine Gäste die Ergebnisse der Kommission kurzfristig erfahren würden, ohne zu erklären wie.
Während ich den Betreiber daran erinnere, dass – unbeschadet der Verpflichtung des Betreibers, den Asylbewerbern eine angemessene rechtliche Unterstützung zukommen zu lassen – die positiven (wie die negativen) Ergebnisse in keiner Weise als Verdienst (oder Verschulden) des Betreibers der Einrichtung, in der die Asylbewerber untergebracht sind, angesehen werden könnten. Ein Gast antwortet entschieden, dass die Anerkennung des Schutzes für Gäste dieser Einrichtung jedenfalls keine Punjabi betroffen hätten.
Es sind mehr als zwei Stunden vergangen, es ist Abend geworden, aber es ist nicht leicht wegzugehen. Einige Gäste begleiten mich bis zum Ausgang, um mir weitere Fragen zu stellen. Auch diese betreffen vor allem die Kommission und ihren rechtlichen Status.
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Renate Albrecht