Im September waren wir in der CARA und der CDA (Sammelunterkünfte für Asylsuchende) in Pian del Lago mit der Delegation von LasciateCIEentrare (Lasst uns in die CIE – Zentren zur Identifikation und Ausweisung - eintreten). Trotz der gleichnamigen Kampagne wurde der Zutritt nur dreien der sechs Vertreter der Delegation in das CIE erlaubt, während die anderen (einschließlich Borderline Sicilia) nur in den Bereich das CARA und des CDA gehen durften. Wie wir damals geschrieben hatten, war der Zugang zum CIE ebenfalls nur begrenzt, insofern als es sich nicht um einen echten Besuch des Zentrums handelte, sondern lediglich um einen begrenzten Zugang bis zum ersten Tor.
Eine solche „Begrenzung in der Begrenzung“ wurde, wie immer, mit Sicherheitsargumenten begründet. Und wie immer haben wir uns angesichts der erklärten Gefährlichkeit des Orts vor die Frage gestellt gesehen, wie es für diejenigen möglich ist, dort zu leben, die dort gefangen gehalten werden und wie sich die verletzbarsten Menschen überhaupt dort aufhalten können. Wir erinnern daran, dass wir an jenem Tag im CIE einige Jugendliche, die sich als minderjährig bezeichneten, und auch einen Mann mit gravierenden Gesundheitsproblemen angetroffen haben.
Der Besuch der Delegation im CARA veranlasste uns wieder einmal, die Unangemessenheit der Räume, der Strukturen und der Dienstleistungen und ebenso die schwierigen, daraus resultierenden Lebensbedingungen zu unterstreichen. Im Gespräch mit zahlreichen Gästen hatten wir erneut die langen, unhaltbaren Wartezeiten bis zur Anhörung durch die Kommission festgestellt, die weit über die gesetzlich zulässige Zeit hinausgehen.
Im Inneren des Zentrums werden die grundlegenden Dienstleistungen wie Rechtsberatung oder Italienischunterricht nicht garantiert, die jedoch in der Ausschreibung des Auftrags von der Verwaltung vorgesehen sind. Nach dem, was uns seit einiger Zeit berichtet wird, scheint die Rechtsberatung nur in der Zeit nach dem Ablehnungsbescheid stattzufinden und die Angestellten beschränken sich jedenfalls nur darauf, einen Anwalt anzugeben, an den man sich wenden kann. Diverse Zettel, die verteilt wurden und die wir sehen konnten, enthalten nur Vor- und Zunamen des Anwalts, praktisch nie die Anschrift der Kanzlei. Oft fehlt auch die Telefonnummer, und wenn sie da steht, besteht immer noch die Schwierigkeit, den Anwalt zu erreichen. Eine ganze Reihe von Personen wenden sich an die Beratungsstelle und erzählen, dass sie den eigenen Anwalt seit Monaten nicht erreichen können, und dass sie keine Möglichkeit sehen, wie sie dem Problem der telefonischen Unerreichbarakeit Abhilfe schaffen können.
Viele beklagen die Mangelhaftigkeit der Rechtsberatung, auch im Hinblick auf die Übersetzungen der Ablehnungsbegründungen durch die Kommission. Ungefähr 10 Personen, mit denen wir gesprochen haben, beklagen sich über eine summarische und oberflächliche Übersetzung, die es unmöglich macht, die Ablehnungsgründe wirklich zu verstehen.
Um diese Menschen auf ihrem Weg in die Autonomie und Selbstbestimmung zusätzlich zu bestrafen, gibt es, wie üblich, auch die Einschränkung durch die Nichtkenntnis der italienischen Sprache. Der größte Teil der Bewohner von Pian del Lago ist auch nach einem Jahr im Zentrum unfähig, aufgrund des Fehlens eines strukturierten Italienischunterrichts innerhalb des Zentrums auch nur die alltäglichsten Dinge auf Italienisch auszudrücken. Nach dem, was uns berichtet wurde, finden Italienischkurse nur sporadisch statt, sozusagen nur dann, wenn eine der Angestellten, die dies freiwillig macht, Zeit dazu hat. Das heißt, dass sie den Unterricht knapp vorher ankündigt und ihn dann mit den Interessierten macht, die sich zufällig gerade im Zentrum befinden.
Der Zustand der Toiletten und der engen und überfüllten Räume sowie der Mangel der Gesundheitsversorgung gibt den Gästen schon immer Anlass zur Klage, es wird nicht einmal die Basisgesundheitsversorgung garantiert.
Von Anfang an fehlt der Wäschedienst, sodass die BewohnerInnen ihre Kleidung mit der Hand waschen müssen, mit kaltem Wasser, auch jetzt im Winter. In der Ausschreibung des Auftrags steht schwarz auf weiß, dass unter anderem auch ein Wäschedienst durch das leitende Unternehmen Auxilium bereitgestellt werden muss.
Die Verwaltung und die Lage des Zentrums markieren einen Raum der Segregation, da das Zentrum mehr als 5 km von der Stadt entfernt und die Zone nicht mit dem öffentlichen Verkehr erreichbar ist.
Das Taschengeld von 2,50 Euro wird weiterhin auf einen elektronischen Stick geladen, das Guthaben ist nur an den Automaten innerhalb des Zentrums verwendbar. Wenn man nach einer Lösung auf diese Frage sucht und sich Zahlungsmethoden, die schon in anderen Zentren angewandt werden, ansieht, mit denen Bargeld garantiert wird (Ausgabe von Barschecks oder Guthaben auf Prepaidkarten), scheint das wahre Hindernis für eine solchen Wechsel klar und deutlich zu sein: auch für die Automaten im Zentrum gibt es eine Auftragsvergabe. Und man weiß, dass es nicht einfach ist, Untersuchungen anzustellen, wenn ökonomische Interessen im Spiel sind.
Und so bleiben die Zigaretten als einzige Ware zum Tausch aus den Automaten übrig. Zigaretten, die dann zu einem niedrigeren Preis in der Innenstadt wiederverkauft und mit der zunehmenden Unduldsamkeit der Tabakhändler von Italienern und Ausländern gekauft werden. So führt die schlechte Verwaltung des Aufnahmezentrums auch in kleinen, alltäglichen Dingen zu starken Spannungen, die aber die ausländerfeindliche Haltung vieler StadtbewohnerInnen schüren, die die eigentliche Ursache dieser Situation nicht kennen. Ende Oktober fand ein Besuch der europäischen Kommission der Abteilung Asyl statt. Die BewohnerInnen erzählen uns, dass für diesen Anlass auch die Toiletten blank geputzt und sogar mit neuer blauer Farbe gestrichen wurden, dass neues Zubehör und neue Toilettenspülungen angebracht wurden und auch die Kantinenräume endlich renoviert wurden.
Sie haben uns erzählt, dass auch die Delegation der europäischen Kommission nur zu einem Teil des Zentrums Zugang hatte (desjenigen des CDA nämlich, das nicht zufällig etwas besser wirkt), zur Enttäuschung vieler Gäste, die seit Tagen auf diesen Besuch warteten, um direkt mit den RepräsentantInnen über die kritischen Punkte im Zentrum zu sprechen, über die Wartezeiten bei der Kommission und über die Sorge wegen der Ablehnungen, die anscheinend nach Nationalität und nicht aufgrund der jeweiligen persönlichen Geschichte getroffen werden. Schon seit einiger Zeit beschweren sich zum Beispiel die asylsuchenden Punjabis über eine willkürliche Haltung der territorialen Asylkommission ihnen gegenüber, nach der fast alle eine Ablehnung bekämen, weil der Punjab (Pakistan) als Land mit einer stabilen sozialpolitischen Situation betrachtet wird und das einer objektive Prüfung ihres Asylbegehrens entgegensteht.
Wieder einmal müssen wir uns, wenn wir über das staatliche Zentrum von Pian del Lago sprechen, wie über all die anderen Aufnahmezentren zur Identifikation und Ausweisung, klarmachen, dass der Raum der Einschränkung keineswegs ein Raum für eine gute Aufnahme ist, und dass das System in keiner Weise den Rechten und der Würde der Menschen gerecht wird: es ist eine Aufnahme, die ausgrenzt und die Autonomie und soziale Integration verhindert.
Die Ermittlungen gegen die Mafia capitale („Hauptstadt-Mafia“) entlarven eine (schon seit einiger Zeit offensichtliche) Logik, die schon immer ein System der Notfallerstaufnahme aufrechterhalten, das sich mehr an den wirtschaftlichen Interessen der leitenden Verwaltungen orientiert als am Schutz der Menschen und an der Garantie ihrer Rechte und am Respekt der Menschenwürde. Ein System der Erstaufnahme und des Asylrechts, das von einer inadäquaten nationalen und europäischen Einwanderungspolitik ausgeht, ein System, das nur völlig in Frage gestellt werden kann und radikal verändert werden muss.
Giovanna Vaccaro
Borderline Sicilia
Aus dem Italienischen von Jutta Wohllaib
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